Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, in der umstrittenen Frage der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze notfalls ein Machtwort in der Ampel zu sprechen.
06.09.2024 - 15:07:27Merz rät Scholz zur Richtlinienkompetenz bei Migration
Mit Blick auf das für den kommenden Dienstag anvisierte neue Migrationsgespräch sagte Merz in Neuhardenberg: "Wenn der Bundeskanzler einen Konsens in seiner Regierung erzielt bis dahin, ist das gut. Wenn er ihn nicht erzielt, kann er von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und sagen: Das machen wir jetzt so."
"Er hat uns dabei an seiner Seite. Wir werden das unterstützen", ergänzte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag bei der Klausur des geschäftsführenden Vorstands der Fraktion.
Merz bekräftigt Ultimatum bei Zurückweisungen
Scholz müsse vor dem geplanten neuen Migrationsgespräch von Bundesregierung, Opposition und Ländern klarstellen, was er wolle, sagte Merz. "Und dazu gehört aus unserer Sicht unverzichtbar die Entscheidung der Bundesregierung, Zurückweisungen an den Grenzen sofort vorzunehmen - und zwar umfassend, nicht irgendwie und ein bisschen." Niemand solle Höflichkeit in seinen Formulierungen in den vergangenen Tagen als ein Aufweichen der Unions-Position missinterpretieren.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es seien nicht alle drei Ampel-Parteien, die hier keine Bereitschaft zeigten. "Es scheitert offensichtlich an einer Partei, an den Grünen." Dobrindt forderte Scholz auf, diesen Koalitionspartner "unter Kontrolle zu bringen".
Union weist auf Erfolg der Grenzkontrollen bei EM hin
Der CDU-Vorsitzende rechnete vor, dass bei den 43 Tage dauernden Grenzkontrollen während der Fußball-Europameisterschaft fast 10.000 Fälle von unerlaubter Einreise nach Deutschland festgestellt worden seien. Fast 1.200 offene Haftbefehle seien vollstreckt worden. "Wenn es noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Grenzkontrollen eine Wirkung haben, dann ist dieser Beweis in den 43 Tagen der Europameisterschaft erbracht worden."
Merz betonte, er wolle im kommenden Jahr keinen Wahlkampf um die Migration führen müssen. "Aber wenn uns die Koalition keine andere Wahl lässt, dann werden wir ihn führen." In der kommenden Woche gebe es noch mal die Chance, das Problem gemeinsam zu lösen. "Ich möchte es lösen. Aber ich werde keiner Kompromisslösung zustimmen, von der man befürchten muss, dass das Problem sich fortsetzt", sagte Merz. "Es ist uns sehr ernst, weil das Problem ernst ist."
Fraktionsspitze sieht wirtschaftliche Lage als prekär an
Die Spitze der Unionsfraktion befasste sich in Neuhardenberg auch mit der angeschlagenen deutschen Wirtschaft. "Die wirtschaftliche Lage ist prekär", sagte Merz. Das zeigten unter anderem die Probleme beim VW-Konzern. "Die deutsche Wirtschaft ist in großen Teilen nicht mehr ausreichend wettbewerbsfähig." Dies möge in einzelnen Fällen auch an unternehmerischen Entscheidungen liegen. "Aber die Summe der Unternehmensnachrichten, die wir hören aus allen Branchen - Chemie, Maschinenbau, Automobilindustrie - deutet darauf hin, dass die Wettbewerbsbedingungen des Standortes Deutschland nicht mehr gut genug sind."
Mit Blick auf eine mögliche Regierungsübernahme im kommenden Jahr sagte Merz, in den ersten Tagen müsse man schnelle Entscheidungen treffen, "damit dieses Land wieder auf Kurs kommt". Dazu zähle vor allem Verlässlichkeit und politische Stetigkeit. "Die deutsche Wirtschaft verträgt eine Menge Belastungen. Aber was sie überhaupt nicht mehr verträgt, sind Unsicherheiten und Unstetigkeiten in den politischen Entscheidungen. Das müssen wir sehr schnell korrigieren."