POL-AK, Entkriminalisierung

Hannover - Während viele Menschen Straftatbestände als wertvolle Leitlinie für Erwartungen an "richtiges" Verhalten in der Gesellschaft sehen, werden immer wieder Forderungen laut, einzelne Straftatbestände abzuschaffen.

18.10.2024 - 11:37:09

Entkriminalisierung im Strafrecht - Expertinnen und Experten diskutieren über Sinn und Unsinn des Strafens. Die Gründe für eine "Legalisierung" sind vielfältig. Sie reichen von rechtsdogmatischen Erwägungen über sozialpolitische Aspekte - "trifft ohnehin nur die Ärmsten" - bis hin zu der Frage, ob Strafen überhaupt zu einem rechtskonformen Verhalten führen können.

Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen, neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und einer kritischen Betrachtung des bestehenden Strafrechts wird die Diskussion um die Entkriminalisierung bestimmter Delikte immer intensiver geführt. Just am Montag dieser Woche gab das Bundesministerium der Justiz einen "Entwurf zur Modernisierung des Strafrechts" in die Ressortabstimmung - Ziel: Entkriminalisierung. Nur drei Tage später, am Donnerstag, 17.10.2024 fand die mittlerweile 7. Rechtswissenschaftlichen Tagung der Polizeiakademie Niedersachsen im InForum in Hannover zu eben jenem Thema "Forderungen und Tendenzen zur Entkriminalisierung" statt.

Das Ziel der Veranstaltung war es, eine Plattform für den Austausch über die Notwendigkeit und die Auswirkungen von Entkriminalisierungsmaßnahmen zu bieten. Rund 60 Gäste aus unterschiedlichen Institutionen, unter anderem aus Justiz, Polizei und Bundeswehr, polizeilichen Bildungseinrichtungen anderer Bundesländer sowie aus der Lehre und Forschung, kamen im InForum zusammen. Weitere nahmen per Live-Stream teil.

Für die Leitung der Polizeiakademie begrüßte Frau Professorin an der Polizeiakademie Dr. habil. Heike Matthias-Ripke, Leiterin der Abteilung 1 - Studium und Lehre, die Gäste sowie Referierenden. In ihrer Begrüßungsrede betonte Frau Dr. Matthias-Ripke die besondere Schwierigkeit des Themas: "Entkriminalisierung, ein Verhalten aus einer Strafbarkeit herauszulösen, löst sehr unterschiedliche, teilweise emotionale Reaktionen aus, die einander oft diametral gegenüberstehen". Sie stellte die zentrale Frage der Tagung: "Ist die Entkriminalisierung derzeit strafbarer Verhaltensweisen vertretbar, sinnvoll oder sogar geboten?"

Durch die Referentinnen und Referenten der Veranstaltung wurde das Thema mehrperspektivisch beleuchtet: Professor Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Ordinarius für Strafrecht an der Universität Würzburg, zählt zu den wenigen Wissenschaftlern in der Spitzengruppe der Strafrechtswissenschaft. Er lieferte einen Überblick über Entkriminalisierung aus Sicht seiner Fachdisziplin und veranschaulichte, weshalb im Gegenteil häufig die Ausweitung von Strafbarkeit im Mittelpunkt stehe. Hierbei sprach er von einem "Wettlauf der Strafrechtsnormen".

Frau Richterin am OLG Celle Dr. Jana Zapf ist Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbundes. Sie stellte die aktuellsten Entkriminalisierungsvorschläge und die dahinterstehenden Gründe dar und ordnete diese in die Sichtweise des Richterbunds ein. Entkriminalisierung stelle oft nur die Streichung "toter Tatbestände" dar.

Frau Professorin an der Polizeiakademie Dr. Daniela Klimke, Leiterin des Instituts für Kriminalitäts- und Sicherheitsforschung (IKriS) an der Polizeiakademie Niedersachsen, führte aus wie in der Vergangenheit vor allem geänderte Wertevorstellungen und gesellschaftspolitische Erwägungen zur Streichung von Straftatbeständen geführt haben. Sie erinnerte an den bewusst fragmentarischen Charakter des Strafrechts und mahnte, dass nicht jede Strafbarkeitslücke reflexhaft geschlossen werden müsse.

Abschließend unterbreitete Dr. Thomas Galli, früherer Leiter zweier Justizvollzugsanstalten und heute Rechtsanwalt und Autor, seine Sicht auf den Sinn und Unsinn des Strafens. Im Mittelpunkt stand dabei die These, nach der Resozialisierung in Justizvollzugsanstalten nicht gut funktioniere. Der menschlichen Natur stünde zudem der Wunsch nach Vergeltung näher: "Bei dem Gedanken an Strafe werden ähnliche Areale im Gehirn angesprochen wie bei dem Gedanken an Schokolade."

Die Vorträge führten zu einem lebhaften und konstruktiven Dialog über die Zukunft des Strafrechts. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde erörtert, wie ein modernes Strafrecht aussehen könnte, das den Anforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft gerecht wird.

Die Moderation übernahm Professor an der Polizeiakademie Dr. Felix Fabis. Die nächste Rechtswissenschaftliche Tagung der Polizeiakademie Niedersachsen ist für das Jahr 2026 vorgesehen.

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