Essen - Selbst zwischen guten Nachbarn läuft nicht immer alles bestens: Die Konsultationen auf Regierungsebene zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen wurden zuletzt mehrfach verschoben.
06.12.2024 - 12:00:06Gute Nachbarn für ein besseres Europa / Politiker und Wirtschaftslenker diskutierten in Noordwijk Weichenstellungen für eine nachhaltige Zukunft in den Niederlanden und NRW. Die neue Regierung in Den Haag benötigt offensichtlich angesichts der komplexen Aufgaben noch Zeit für den Übergang in den politischen Alltag. Austausch auf Topniveau fand dennoch statt: Im Grandhotel "Huis ter Duin" diskutierten hochrangige Fachleute aus Politik und Wirtschaft beim zweiten "Zukunftsforum NRW-Niederlande" lösungsorientiert über die Herausforderungen für beide Nachbarn. Mit Fragen und Antworten, die weit über die Region hinausreichen.
"Nordrhein-Westfalen und die Niederlande sind starke Partner, enge Freunde und vertraute Nachbarn", erklärte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zum Auftakt. "Themen wie der Ausbau der Energiepartnerschaft, grenzüberschreitende Mobilität, Migration, Innere Sicherheit und Standortpolitik müssen wir in Europa gemeinsam und entschlossen angehen."
In insgesamt sieben Panels wurden diese Themenfelder einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen, Best-Practice-Beispiele vorgestellt sowie innovative Anregungen und Projekte engagiert diskutiert. Von politisch Verantwortlichen, Unternehmensführern und Wirtschaftsfachleuten.
Hand in Hand im Wettlauf der Großmächte
Mit Eva van Pelt, Präsidentin der deutsch-niederländischen Handelskammer, analysierte Jan Keller, Vizepräsident der niederländischen ASML Holding, die Perspektiven der Nachbarländer als Hightech Standort. Mit der klaren Zielperspektive: Welche Schlüsselindustrien wollen wir gemeinsam besetzen? Wie wird man attraktiv für Talente? Was befähigt kleine Firmen, groß herauszukommen?
Trotz thematischer und inhaltlicher Vielfalt waren alle Podiumsdiskussionen und Gespräche eingerahmt von den aktuellen politischen Entwicklungen (Donald Trump, Ukrainekrieg, Neuwahlen in Deutschland) sowie deren Konsequenzen für die unmittelbare Zukunft. Hendrik Wüst: "Ein starkes und geeintes Europa war selten so wichtig wie heute. Wir können im globalen Wettbewerb und im Wettlauf der Großmächte nur mithalten, wenn wir in Europa zusammenarbeiten und Hand in Hand agieren."
Im Spannungsfeld von unternehmerischer Initiative und politischer Lenkung im Bereich Energiewirtschaft forderten Dr. Leonard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender E.ON SE, Willemien Terpstra (Vorstandsvorsitzende niederländische Gasunion) sowie Otto Fricke (haushaltspolitischer Sprecher der FDP) strukturelle Korrekturen vor allem im Bereich erneuerbare Energien und Rohstofftransport rund um die Wasserstofferzeugung.
Die Mischung der Panels zwischen Politikern und Praktikern erzeugte immer wieder unerwartete Doppelpässe und Lösungsansätze, etwa beim grenzüberschreitenden Bahnverkehr (mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer und Werner Lübberink, DB-Bevollmächtigter für NRW). Als zentrale Forderung im Blick auf Resilienz und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit zeigte sich der Abbau bürokratischer Hemmnisse.
Kleiner Grenzverkehr wird immer wichtiger
Den Debattenverlauf bereicherten Jean Asselborn, früherer Außenminister von Luxemburg, mit einer Einordnung der geopolitischen Lage Europas sowie der frühere Wirtschaftsminister Peter Altmaier als Dinner Speaker. Altmaier verglich das Zukunftsforum mit dem Forum von Évian, bei dem sich Wirtschaftsführer und Politiker aus Deutschland und Frankreich zu informellen Gesprächen trafen. "Das Zukunftsforum NRW-Niederlande ist aktuell das beste Format dieser Art. Es ist wichtig, besondere Veranstaltungen zu kreieren, die Entscheider aus Politik und Wirtschaft ohne Öffentlichkeit zusammenbringen."
Stellvertretend für alle Teilnehmer sprach Dr. Nikolaus Meyer-Landrut am zweiten Tag die gemeinsame Motivation zur Mitarbeit am Zukunftsdialog aus: "We are too small too cope - wir sind einzeln zu klein, um die Probleme zu lösen."
Wie es gemeinschaftlich vorangehen kann, thematisierte im Bereich Finanzen Dr. Marcus Optendrenk (NRW-Finanzminister) mit dem Präsidenten der niederländischen Landesbank. Beim abschließenden Austausch über die schwierigen Zukunftsperspektiven der chemischen Industrie in beiden Nachbarländern legten sogar Jurgen Hoekstra (Vizepräsident und Geschäftsführer BASF Benelux) und Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis (IGBCE) konstruktiv ihre Lösungsvorschläge nebeneinander.
Ein Novum, das von allen Teilnehmern als Belebung des Dialoges aufgenommen wurde: Schüler aus Dortmund und Noordwijk, die am Austauschprogramm der Brost-Stiftung teilgenommen hatten, diskutierten vor Ort oder über Videoschalte mit den Fachleuten aus Politik und Wirtschaft.
Wie ein roter Faden zog sich durch alle Diskussionen der Wunsch, die zahlreichen Lösungsansätze nachhaltig in Politik und Gesellschaft zu tragen. Manon van Beek, CEO der niederländischen Tennet Holding, regte beispielsweise an, in einer abschließenden Erklärung die Quintessenz des Zukunftsforums 2024 festzuhalten.
Professor Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung und Präsident der Brost-Akademie, nahm die Anregung auf, kündigte dabei die Fortsetzung des Zukunftsforums in 2025 an: "Gesprächsformate im kleinen Grenzverkehr werden viel wichtiger. Im großen Grenzverkehr sind sie nämlich schwieriger. Es muss jetzt unser Ziel sein, die vielen guten Gedanken zur nachhaltigen Zukunft in die politischen Gremien und den gesellschaftlichen Dialog zu tragen." Dazu ist ein gemeinsames Manifest mit Handlungsempfehlungen für die Politik geplant.
Die Schirmherrschaft für das nächste Zukunftsforum NRW-Niederlande am 30./31. Oktober 2025 werden erneut der frühere niederländische Ministerpräsident Dr. Jan Peter Balkenende und Armin Laschet (NRW-Ministerpräsident a.D.) übernehmen. Die Ausrichtung des Forums liegt bei Brost-Akademie und Brost-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Niederländischen Handelskammer.
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