Eine Frau und ein Mann sollen ein Tandem bilden: Erstmals will die NRW-SPD mit Doppelschub aus ihrer Talsohle kommen - aber auch schon vor dem Sieg wurde heftig ausgeteilt.
26.08.2023 - 13:47:49NRW-SPD will mit erster Doppelspitze aus der Defensive
Der Bundestagsabgeordnete Achim Post (64) und die Duisburger Landtagsabgeordnete Sarah Philipp (40) bilden die erste Doppelspitze in der Geschichte der nordrhein-westfälischen SPD.
Bei einem Landesparteitag in Münster wurde der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag mit rund 92 Prozent der 449 gültigen Stimmen als neuer Chef des mitgliederstärksten SPD-Landesverbands gewählt. Seine Co-Vorsitzende Philipp, die im Landtag auch Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD ist, erhielt rund 88 Prozent. Gegenkandidaturen gab es nicht.
Satzungsänderung ging voraus
Die Wahl des Tandems hatte der Parteitag zuvor mit einer Satzungsänderung ermöglicht, die auf Bundesebene bereits 2019 beschlossen worden war. Zum neuen Generalsekretär wählten die Delegierten den 37-jährigen ehemaligen Landeschef der Jusos, Frederick Cordes, mit rund 87 Prozent der Stimmen - ebenfalls ohne Gegenkandidaten. Der Oberhausener Landtagsabgeordnete und studierte Geograf ist bereits seit 2017 Mitglied des SPD-Landesvorstands.
Die Neuwahl war nach dem Rückzug von Thomas Kutschaty im vergangenen März notwendig geworden. Im Mai hatte der ehemalige NRW-Justizminister infolge innerparteilicher Unstimmigkeiten auch den Vorsitz in der oppositionellen Landtagsfraktion niedergelegt.
SPD an Tiefpunkt
Die NRW-SPD erhofft sich von ihrer neuen Spitze einen Doppelschub heraus aus der Talsohle. Die traditionsreiche Partei, die das bevölkerungsreichste Bundesland einst über Jahrzehnte regiert hatte, war bei der NRW-Wahl im Mai 2022 auf einen historischen Tiefstand von 26,7 Prozent abgesackt. In Umfragen der vergangenen Monate lag sie sogar noch darunter - bei 20 bis 22 Prozent.
Seit 2017 wird NRW von CDU-geführten Koalitionen regiert. Seit Mai 2022 führt Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das erste schwarz-grüne Bündnis in der Landesgeschichte.
Post attackiert EVP-Chef Weber
Achim Post hat zuvor den konservativen EVP-Chef Manfred Weber (CSU) scharf angegriffen. In seiner Kandidatenrede warf Post in Münster Weber vor, er organisiere «seit Jahr und Tag Bündnisse zwischen Christdemokraten und Rechtsradikalen, Rechtsextremisten und Faschisten». Dies habe er in Schweden, Finnland und Italien getan und es in Spanien erfolglos versucht.
«Das ist keine Kleinigkeit», sagte Post. «Das ist der größte Tabu-Bruch in den letzten 20, 30 Jahren.» Von CDU-Chef Friedrich Merz höre er dazu seit Monaten «nichts als dröhnendes Schweigen». Man könne nicht so tun, als gäbe es in Deutschland eine Brandmauer gegen die AfD, während in Europa ein rechtsradikales Bündnis nach dem anderen auf die Beine gestellt werde.
Auch EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) hatte kürzlich eine fehlende Distanz der Konservativen in Europa gegen Rechts und speziell den Kurs von Weber kritisiert. Weber hatte hingegen in einem Interview versichert, seine Partei halte sich an feste Prinzipien im Umgang mit anderen Kräften. Alle, die sich nicht an die Prinzipien hielten, wie die AfD, seien Gegner «und werden von uns bekämpft».
Weber war wegen seiner Kontakte zu Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in die Kritik geraten. Mitglieder seiner eigenen Fraktion im EU-Parlament und andere führende Europapolitiker hatten kritisiert, dass der CSU-Vize einem Bündnis mit den ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) zuletzt keine grundsätzliche Absage erteilte.