Deutschland, Europa

Die EU-Asylreform kommt nicht voran - wegen der deutschen Position zu einem Kernelement.

28.09.2023 - 06:07:05

Berlin zeigt sich für EU-Asylreform optimistisch. Doch in die Hängepartie scheint Bewegung zu kommen. Bundesinnenministerin Faeser erwartet einen Durchbruch.

Die Bundesregierung zeigt sich optimistisch, dass die stockenden Verhandlungen über die EU-Asylreform doch noch vorankommen. Bisher hat sie ein Kernelement der Reform, die sogenannte Krisenverordnung, wegen Kritik aus den Reihen der Grünen abgelehnt. Heute verhandeln die EU-Innenminister in Brüssel weiter über die Verordnung - und Bundesinnenministerin Nancy Faeser erwartet eine politische Einigung, wie sie der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend sagte.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich für das Reformwerk insgesamt zuversichtlich. «Wir werden das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem verabschieden, das einen Solidaritätsmechanismus zur Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen vorsieht. Ein Wendepunkt», sagte er der «Wirtschaftswoche».

Worum es geht

Mit der geplanten Asylreform soll unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden. Die Krisenverordnung ist ein Teil davon. Sie sieht etwa vor, dass bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden kann, in dem Menschen streng abgeschottet festgehalten werden können. Insbesondere die Grünen hatten die Verordnung abgelehnt, weil sie befürchteten, dass in Krisensituationen die Schutzstandards für Migranten in einer Weise abgesenkt werden könnten, die sie für inakzeptabel halten.

Wie Bewegung in die Sache kam

Scholz hatte nach Angaben aus Regierungskreisen am Mittwoch im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe. Aus dem Auswärtigen Amt von Annalena Baerbock (Grüne) hieß es nur: «Jetzt wird in Brüssel endlich richtig verhandelt.» FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr lobte Scholz' «klare Haltung» und sagte dem Mediendienst «Table.Media»: «Wir haben hier eine einmalige Chance, die Migration insgesamt besser zu ordnen, eine Chance, die wir nicht verstreichen lassen dürfen.»

Wie die Lage ist

Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zudem sind mehr als eine Million Menschen wegen des Krieges aus der Ukraine nach Deutschland geflohen, die keinen Asylantrag stellen müssen. Im zweiten Halbjahr sind es erfahrungsgemäß oft noch mehr Asylanträge als im ersten, so dass der CSU-Vorsitzende Markus Söder in der «Augsburger Allgemeinen» prophezeit: «Wir steuern auf 400.000 Asylanträge in Deutschland zu.» Dies wäre die dritthöchste in der Bundesrepublik gemessene Zahl - nach 2015 und dem Spitzenjahr 2016 (745.545).

Wie es weitergehen könnte

Dass der aktuelle Entwurf für die Krisenverordnung vor der Einigung noch einmal signifikant verändert werden könnte, galt in Brüssel am Abend als sehr unwahrscheinlich. Sobald dieser Streit beigelegt ist, können wohl auch für die Reform wichtige Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden. «Es kann gelingen, bis Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen», sagte der Fraktionschef der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP im Europaparlament, CSU-Vize Manfred Weber, der Mediengruppe Bayern.

Das ist vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024 brisant. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden. Weber mahnte: «Wer sich jetzt noch verweigert und den breiten europäischen Konsens nicht mitträgt, der trägt Mitschuld, dass Lösungen verschleppt werden und Radikale weiter erstarken.»

Welche Baustellen es noch gibt

Faeser sprach sich auch für eine Erneuerung des Migrationsabkommens der EU mit der Türkei aus. «Wir brauchen ein Update der Vereinbarung», sagte sie Nachrichtenportal t-online. «Wir müssen jetzt darauf drängen, dass das Vereinbarte wieder eingehalten wird, und an den Stellen neu verhandeln, wo es notwendig ist.»

Innerdeutschen Streit gibt es zudem noch um die Ausweitung der stationären Grenzkontrollen. Bisher existieren diese bei der EU zu beantragenden Kontrollen so nur an der Grenze zu Österreich. Die Union fordert sie auch für die Grenze zu Polen, wo die Migrantenzahlen stark gestiegen sind, und Tschechien. Faeser lehnt dies als personalintensiv und ineffektiv ab und will dort stattdessen nur zeitweise und flexible Kontrollen, die nicht in Brüssel beantragt werden müssten. Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, sagte der dpa: «Es braucht jetzt auch ein Machtwort des Kanzlers zu den Grenzkontrollen.» Faeser verhindere aktiv die Möglichkeit, an den Grenzen eine Einreise verweigern zu können.

@ dpa.de

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