In Polen bereiten die proeuropäischen Wahlsieger ihre Machtübernahme vor.
10.11.2023 - 14:44:33Polens Opposition schmiedet Bündnis für Regierungsübernahme. Den von der EU kritisierten Umbau des Justizsystems wollen sie korrigieren und die Justiz wieder unabhängiger machen.
Knapp vier Wochen nach der Parlamentswahl in Polen hat das siegreiche Oppositionsbündnis am Freitag die Bildung einer Koalition vereinbart. Bis die drei Parteien tatsächlich die Regierungsmacht übernehmen können, dürfte es aber noch Wochen dauern. Bei der Wahl am 15. Oktober hatte die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk gemeinsam mit dem konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica eine deutliche Mehrheit im Sejm errungen, dem Unterhaus des Parlaments.
Bei der Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung im Parlamentsgebäude in Warschau sagte Tusk am Freitag, dies sei «eine gute Nachricht voller Verantwortung für unser Heimatland». Das Bündnis sei bereit, sofort die Regierung zu übernehmen, sobald er einen offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung erhalte. «Wir haben uns auf vier Jahre guter, harter und solidarischer Arbeit geeinigt», sagte er vor Journalisten.
Wie die Nachrichtenagentur PAP berichtete, vereinbarten die Koalitionspartner eine Korrektur der von der EU kritisierten Justizreformen. «Wir werden die durch Handlungen unserer Vorgänger gestörte Rechtsordnung wiederherstellen», heißt es demnach im Text der Koalitionsvereinbarung. Und weiter: «Die Gerichte werden frei von politischem Druck sein, die Staatsanwaltschaft wird unabhängig und unpolitisch agieren können.» Auch das zuletzt von der nationalkonservativen PiS-Regierung beeinflusste Verfassungsgericht solle wieder unabhängig und die Justiz insgesamt bürgernäher werden, versprachen die bisherigen Oppositionsparteien.
Umstrittene Entscheidung des Präsidenten
Robert Biedron, Vizechef der Linken, kündigte an, eine der ersten Maßnahmen nach der Regierungsübernahme werde ein neues Abtreibungsgesetz sein. Derzeit hat Polen ein extrem strenges Abtreibungsgesetz, das Abtreibungen nur in wenigen Ausnahmefällen wie Gefahr für das Leben der Frau erlaubt.
Wenige Tage zuvor hatte allerdings Präsident Andrzej Duda mit einer umstrittenen Entscheidung den Machtwechsel weiter hinausgezögert. Das Staatsoberhaupt erteilte am Montag dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS den Auftrag zur Regierungsbildung. Er habe sich nach der guten parlamentarischen Tradition gerichtet, wonach ein Vertreter der stärksten Fraktion den Regierungsbildungsauftrag bekomme, begründete das Staatsoberhaupt diesen von der siegreichen Opposition kritisierten Schritt.
Die bisherige Regierungspartei PiS wurde bei der Wahl zwar mit 194 Sitzen stärkste Kraft im Parlament, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit und hat auch keinen Koalitionspartner. Das oppositionelle Dreier-Bündnis errang hingegen 248 der insgesamt 460 Sitze im Sejm. Damit ist Morawieckis Versuch einer Regierungsbildung höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Zuvor hatte Duda bereits den Termin für die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments auf den 13. November gelegt - fast einen Monat nach der Wahl.