Trump-Schelte, Kiew

Für seinen Rundumschlag gegen die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten erhält US-Präsident Donald Trump Zustimmung aus Moskau.

20.02.2025 - 05:24:48

Nach Trump-Schelte: Kiew bemüht sich um Schadensbegrenzung. Kiew bemüht sich derweil um rhetorische Abrüstung in dem Streit.

Die ukrainische Regierung ist trotz der heftigen Anwürfe von US-Präsident Donald Trump bemüht, die Beziehungen nach Washington möglichst intakt zu halten. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hielt sich am Abend in seiner Videoansprache an den Ratschlag von US-Vizepräsident J.D. Vance, Trump nicht zu widersprechen und legte im Streit nicht noch einmal nach. Kiew sei weiter an guten Beziehungen zu Washington interessiert, machte er deutlich. Dafür teilte Trump weiter gegen den ukrainischen Präsidenten aus und monierte den angeblichen Bruch einer Vereinbarung zu Rohstoffen.

«Wir hatten eine Vereinbarung über seltene Erden und andere Dinge, aber sie haben diese Vereinbarung gebrochen. (...) Sie haben sie vor zwei Tagen gebrochen», sagte Trump bei einer Veranstaltung in Miami. Zuvor hatte er sich zuvor darüber beschwert, dass Europa bei der Unterstützung der - auf westliche Hilfe angewiesenen - Ukraine besser wegkomme als die USA. Trump knüpft die Hilfe der USA an den Zugang zu seltenen Erden aus der Ukraine, deren Ausbeutung wirtschaftlich lukrativ und strategisch bedeutsam ist.

Über die Reise seines Finanzministers in die Ukraine vergangene Woche sagte Trump, Scott Bessent sei dort «ziemlich unhöflich» behandelt worden: «Er reiste viele Stunden mit dem Zug, was eine gefährliche Reise ist.» Letztlich habe sich Bessent dort ein «Nein» abgeholt und sei mit leeren Händen zurückgekommen. Selenskyj habe keine Zeit für den Finanzminister gehabt, sagte Trump. 

Vor einigen Wochen hatte der US-Präsident in einem Interview erzählt: «Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Äquivalent von 500 Milliarden Dollar an seltenen Erden haben möchte.» Selenskyj bezeichnete diese Forderung als «unseriös» und betonte: «Wir sind bereit für ein ernsthaftes Dokument, aber wir brauchen Sicherheitsgarantien.» An einem Vertrag, der unter anderem einen Zugriff der USA auf ukrainische Rohstoffe vorsieht, werde weiter gearbeitet.

Selenskyj strebt konstruktive Beziehungen zu USA an

Am Donnerstag sei ein Treffen mit dem US-Sondergesandten Keith Kellogg geplant, sagte Selenskyj. «Für uns ist sehr wichtig, dass dieses Treffen und die Arbeit mit Amerika insgesamt konstruktiv ist», stellte er klar. Nur so könne ein stabiler Frieden für die Ukraine gewährleistet werden. 

Es handle sich um einen Krieg, «den wir in der Ukraine seit der ersten Sekunde beenden wollen», betonte Selenskyj in seiner Videoansprache. Die Äußerung kann als Widerspruch zur Anschuldigung Trumps gewertet werden, der zuletzt der ukrainischen Führung die Verantwortung für den Krieg zuschob. Allerdings nannte Selenskyj den Namen des US-Präsidenten nicht.

Zuletzt waren massive Spannungen im Verhältnis zwischen Kiew und Washington offen zutage getreten. Die ukrainische Führung zeigte sich verärgert darüber, dass sie von den Verhandlungen zwischen Washington und Moskau über die Zukunft der Ukraine ausgeschlossen wurde. Trump wiederum reagierte mit schweren Anschuldigungen auf die Kritik, nannte Selenskyj einen Diktator und bezeichnete Neuwahlen in der Ukraine als überfällig. Selenskyj warf Trump daraufhin sinngemäß vor, ein Opfer russischer Desinformation zu sein.

Neuwahl in Kriegszeiten auch in Deutschland nicht rechtens

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, warf den Vorwurf der USA und Russlands zurück, Präsident Selenskyj sei nicht demokratisch legitimiert. Dass wegen des russischen Angriffs auf sein Land das Kriegsrecht gelte und es deshalb keine Neuwahl geben könne, sei keine ukrainische Besonderheit, sagte Makeiev in den ARD-«Tagesthemen». «Das ist die gängige Praktik in vielen Ländern der Welt, und auch in Deutschland.»

Tatsächlich ist in Artikel 115h des Grundgesetzes festgelegt, dass Wahlperioden des Bundestags, die eigentlich in Kriegszeiten ablaufen würden, erst sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalls enden. «Für die Dauer des Verteidigungsfalles ist die Auflösung des Bundestages ausgeschlossen», heißt es wörtlich. Ähnliches gilt für die Amtszeit des Bundespräsidenten.

Scholz widerspricht Trump

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wies Trumps Behauptung zurück, Selenskyj sei ein Diktator. «Es ist schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen», sagte der SPD-Politiker dem «Spiegel». Außenministerin Annalena Baerbock nannte Trumps Aussage absurd.

Umfragen belegen, dass auch drei Jahre nach Beginn der russischen Invasion immer noch mehr als die Hälfte der Ukrainer hinter Selenskyj steht. Allerdings steigt der Anteil derjenigen beständig, die sich ein Ende des Krieges über Verhandlungen und Kompromisse wünschen. Unabhängig davon besteht die Sorge, dass Moskau Wahlen im - teils russisch besetzten - Nachbarland manipulieren und eine kremltreue Marionetten-Regierung an die Macht bringen könnte.

Trump: Russen haben «die Karten in der Hand»

Auf Kritik der Ukraine, nicht eingeladen worden zu sein zum jüngsten Treffen zwischen Unterhändlern der USA und Russlands in Saudi-Arabien, entgegnete Trump mit Blick auf Selenskyj: «Er hätte kommen können, wenn er gewollt hätte.» Gleichzeitig verhandelten die USA mit Russland «erfolgreich» über ein Ende des Krieges.

Angesichts der Lage auf dem Schlachtfeld habe Russland den Ukrainern gegenüber einen Vorteil, sagte Trump. «Sie haben ein bisschen die Karten in der Hand, weil sie viel Gebiet eingenommen haben.» Kremlchef Wladimir Putin hatte zuletzt vor dem Hintergrund möglicher Gespräche über ein Ende des Ukraine-Kriegs angebliche neue militärische Erfolge verkündet und gesagt, die russische Armee sei an der gesamten Front auf dem Vormarsch.

In Moskau stieß der Konflikt zwischen den einstigen Partnern auf große Freude und wurde genutzt, um weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Ex-Präsident Dmitri Medwedew gab Trump in einem auf Englisch gehalten Blogeintrag auf der Plattform X «zu 200 Prozent recht» mit der Einstufung Selenskyjs als Diktator. Putin sagte bei einem Auftritt in St. Petersburg, die europäischen Partner hätten sich im US-Wahlkampf eindeutig gegen Trump positioniert und ihn sogar beleidigt. Russland habe sich hingegen nie zu einer Einmischung in den Wahlkampf hinreißen lassen, behauptete er.

Europäer stützen Selenskyj nach Trump-Attacke

Nach der Kehrtwende der USA in ihrer Ukraine-Politik haben zahlreiche westliche Verbündete dem angegriffenen Land weitere Unterstützung zugesagt. «Wir stehen an der Seite der Ukraine und werden alle unsere Verantwortlichkeiten wahrnehmen, um Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten», sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach einer informellen Videoschalte, bei der neben Frankreich 19 europäische Länder und Kanada vertreten waren. Zuvor hatte er mit Selenskyj telefoniert.

@ dpa.de