Der Einsatz von Drohnen an der Front gewinnt für Kiew immer mehr an Bedeutung.
05.07.2024 - 05:00:40Kiew treibt Produktion von Drohnen voran. Während in der Ukraine weiter schwere Kämpfe toben, wird über einen unautorisierten Vermittlungsversuch spekuliert.
Die Ukraine passt sich der neuen Form der Kriegsführung an und setzt nunmehr verstärkt auf Drohnen. Entsprechend legte sich die Stawka, die oberste Militärführung der Ukraine, bei ihrer jüngsten Sitzung auf die künftige Produktion und den Einsatz von Drohnen fest. Bei der Entscheidung seien diverse Faktoren berücksichtigt worden, angefangen von der Beliebtheit bestimmter Drohnen bei der Truppe bis hin zum Einsatz von sogenannten Langstreckendrohnen, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
Bei den Beratungen mit Vize-Oberbefehlshaber Wadim Sucharewskyj, dem stellvertretenden Regierungschef Mychajlo Fedorow und Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk seien «sehr wichtige» Entscheidungen getroffen worden. Details nannte Selenskyj nicht. «Die Zeit wird zeigen, wie sich diese Entscheidungen an der Front auswirken.»
Das ukrainische Militär hat schon vor einiger Zeit neben Panzertruppe, Infanterie oder Artillerie eine eigene Truppengattung für den Einsatz von Drohnen ins Leben gerufen. Ein großer Teil dieser unbemannten Flieger wird bereits in der Ukraine hergestellt. Langstreckendrohnen sind bisher für Kiew die einzige Möglichkeit, Ziele tief im russischen Staatsgebiet anzugreifen.
Nach einem Bericht des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR traf eine sogenannte Kamikaze-Dohne eine Schießpulverfabrik in der Nähe von Tambow, knapp 420 Kilometer südöstlich von Moskau und über 400 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Über die Auswirkungen des Angriffs gebe es noch keine genauen Angaben, zitierte die «Ukrainska Prawda» aus der Mitteilung. Von russischer Seite gab es dazu keine Mitteilung.
Weiter schwere Kämpfe bei Pokrowsk
Die Umgebung der Stadt Pokrowsk in der ostukrainischen Region Donezk war einmal mehr Schauplatz schwerer Kämpfe. Nach Darstellung des Generalstabs in Kiew versuchten russische Einheiten weiterhin, die dortigen ukrainischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen. Die russischen Angriffe seien unter Verlusten für das russische Militär abgeschlagen. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Am Abend wurde die südukrainische Hafenstadt Odessa von einer russischen Rakete getroffen. Die ballistische Rakete schlug nach offiziellen Angaben im Hafenbereich ein. Bei der Explosion sei mindestens ein Mensch ums Leben gekommen, sieben weitere seien verletzt worden, berichtete Bürgermeister Hennadij Truchanow.
Nato-Chef hofft auf Beitritt der Ukraine binnen zehn Jahren
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief kurz vor dem Nato-Gipfel in Washington kommende Woche zu noch mehr Militärhilfe für die Ukraine auf. «Je stärker unsere Unterstützung ist, desto schneller kann dieser Krieg enden. (...) Je mehr wir uns langfristig verpflichten, desto schneller kann der Krieg enden», sagte der Norweger in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Auf eine Frage zu einer möglichen Bündniserweiterung um die Ukraine in den nächsten zehn Jahren entgegnete Stoltenberg: «Ich hoffe sehr, dass die Ukraine ein Verbündeter sein wird.» Dafür habe er auch während seiner bisherigen Amtszeit bei der Nato gearbeitet.
Medwedew zeigt sich zufrieden mit Zustrom an Freiwilligen
Trotz ihrer schweren Verluste in der Ukraine haben die russischen Streitkräfte nach eigenen Angaben keinen Personalmangel. Allein in diesem Jahr sei die russische Armee durch 190.000 Freiwillige und Zeitsoldaten verstärkt worden, teilte der Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, mit. Damit sei die vom Kreml gestellte Aufgabe der Verpflichtung von Vertragsbediensteten und Freiwilligen erfüllt, sagte Russlands Ex-Präsident bei einem Treffen im Verteidigungsministerium.
«Die durchschnittliche tägliche Rekrutierungsrate bleibt stabil und beläuft sich auf etwa 1.000 Personen», wurde Medwedew weiter von der Staatsagentur Tass zitiert. Die Zeitsoldaten, meist Reservisten, ergänzen die normalen Einberufungen.
Die russischen Streitkräfte erleiden an den Fronten der Ukraine hohe Verluste. Nach Schätzungen der ukrainischen Militärführung sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor über zwei Jahren bereits knapp 550.000 russische Soldaten getötet oder verwundet worden.
Spekulationen über Orban-Besuch in Moskau
Zwei Tage nach Viktor Orbans Besuch in Kiew flammen Gerüchte auf, dass der ungarische Ministerpräsident am Freitag Moskau besuchen will. «Die Gerüchte über Ihren Besuch in Moskau können nicht wahr sein, Ministerpräsident Viktor Orban, oder doch?», schrieb der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Abend auf der Plattform X. Zuvor hatten mehrere Medien über den möglichen Besuch berichtet.
Orban sei am Freitag und Samstag in Schuscha in Bergkarabach, bei einem Treffen der Turkvölker-Staaten, sagte ein Sprecher des ungarischen Ministerpräsidenten, wie die staatliche ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete. Kremlsprecher Dmitri Peskow wollte sich zu dem Thema nicht äußern.
Michel: Diskussionen über Ukraine nicht ohne Ukraine
EU-Ratspräsident Charles Michel benannte die Gerüchte um den Besuch zwar nicht konkret, mahnte aber an, dass die rotierende EU-Ratspräsidentschaft - die Ungarn gerade innehat - kein Mandat habe, im Namen der EU gegenüber Russland zu verhandeln. «Der Europäische Rat ist sich darüber im Klaren: Russland ist der Aggressor, die Ukraine das Opfer. Diskussionen über die Ukraine können ohne die Ukraine nicht stattfinden.»
Orban hatte erst am Dienstag Kiew besucht und den ukrainischen Präsidenten aufgefordert, einer Feuerpause an den Fronten der Ukraine zuzustimmen. Dies war von Selenskyj abgelehnt worden, inzwischen hat auch Kremlchef Wladimir Putin ein dezidiertes «Njet» geäußert. Putin lehnte zudem ein Vermittlungsangebot des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo?an ab.