Forscher-Trick, Lebensmittelfarbe

Mit Ultraschall und Röntgenstrahlen können Fachleute unter die Haut schauen.

05.09.2024 - 20:00:35

Forscher-Trick: Lebensmittelfarbe macht Haut durchsichtig. Nun haben Forschende ein neues Verfahren entwickelt, das einen anderen Blick gewährt - wie ein Fenster in den Körper.

  • Tartrazin ist ein häufig verwendeter und frei erhältlicher Lebensmittelfarbstoff. - Foto: Matthew Christiansen/U.S. National Science Foundation/dpa

    Matthew Christiansen/U.S. National Science Foundation/dpa

  • Mit schlichter Lebensmittelfarbe lässt sich Haut transparent machen - wohl auch bei Menschen. - Foto: Gail Rupert/NSF/Stanford University/dpa

    Gail Rupert/NSF/Stanford University/dpa

Tartrazin ist ein häufig verwendeter und frei erhältlicher Lebensmittelfarbstoff. - Foto: Matthew Christiansen/U.S. National Science Foundation/dpaMit schlichter Lebensmittelfarbe lässt sich Haut transparent machen - wohl auch bei Menschen. - Foto: Gail Rupert/NSF/Stanford University/dpa

Meist wird Lebensmittelfarbe verwendet, um Dinge einzufärben - Forschende nutzten sie nun, um Haut durchsichtig zu machen. Sie gaben eine gelb-orange Farbe auf die Haut von Mäusen und konnten so die Blutgefäße in der Kopfhaut oder die Bewegung von Organen unter der Bauchhaut sehen. Das Verfahren könne voraussichtlich auch bei Menschen angewandt werden und sei für viele medizinische Bereiche vorstellbar, schreibt das Team der US-amerikanischen Universität Stanford im Fachblatt «Science».

Der verwendete synthetische Farbstoff namens Tartrazin absorbiert langwelliges ultraviolettes Licht (UV-A) und blaues Licht. Rotes und orangefarbenes Licht kann durch das Gewebe dringen. Der Transparenzeffekt gelinge bei Haut, Muskeln und Bindegewebe, schreiben die Forschenden. Der Farbstoff könne nach den Versuchen mit Wasser abgewaschen werden, was die Haut wieder undurchsichtig macht. Auch schade der Stoff den Tieren nicht.

Bloß nicht einfach so an Menschen probieren

Tartrazin (E 102) ist in den USA und in der Europäischen Union zugelassen. Verwendet wird der Farbstoff zum Beispiel in Backwaren, Süßigkeiten, Senf, Käse und in Arzneimitteln. Auch in den Farbpulvern bei Holi-Festen kommt er zum Einsatz.

An Menschen hat das Team den Farbstoff noch nicht getestet. Mit-Autor Guosong Hong, Assistenzprofessor für Materialwissenschaften und Ingenieurwesen in Stanford, erklärt, dass die Anwendung auch komplexer sei als bei Mäusen. «Die menschliche Haut ist wesentlich dicker.» Die äußerste Schicht der Oberhaut stelle eine erhebliche Barriere dar, sodass die Moleküle nicht wirksam in die Lederhaut vordringen könnten. 

Der Farbstoff müsste beim Menschen also eigentlich injiziert werden - das müsse aber in Bezug auf die Sicherheit erst einmal umfassend geprüft und bewertet werden. Der Forscher meint, auf keinen Fall sollte jemand den frei erhältlichen Farbstoff einfach so beim Menschen anwenden. «Wir raten dringend davon ab, dies an der menschlichen Haut zu versuchen, da die giftige Wirkung von Farbstoffmolekülen beim Menschen, insbesondere bei äußerer Anwendung, noch nicht vollständig untersucht wurde.»

Klecks Farbe für den Blick in den Körper?

Irgendwann aber, meint Hong, könne der Farbstoff möglicherweise schon Anwendung in der Medizin finden. «Diese Technologie könnte zukünftig Venen für die Blutentnahme sichtbarer machen, die Entfernung von Tätowierungen mit Hilfe von Lasern vereinfachen oder bei der Früherkennung und Behandlung von Krebserkrankungen helfen.» Auch könne man möglicherweise Krebszellen und Krebsvorstufen unter der Haut lokalisieren, um diese mit Lasern zu entfernen. 

Um die Transparenz zu erforschen, beschäftigte sich das Stanford-Team vor allem mit der Streuung und Brechung von Licht beim Übergang von einem Material in ein anderes. Vor allem die Streuung sei der Grund dafür, dass wir normalerweise nicht durch den Körper sehen können: Zellen, Proteine und andere Materialien wiesen alle einen unterschiedlichen Brechungsindex auf. Das bedeutet: Wenn Licht von einem Material in ein anderes übergeht, wird es unterschiedlich stark gebrochen, also gestreut.

Physikalischer Effekt

Die Forschenden versuchten, einen Weg zu finden, die unterschiedlichen Brechungsindizes anzugleichen, damit das Licht nicht so stark gestreut wird. Die Idee: Farbstoffe, die am effektivsten Licht absorbieren, könnten die Brechungsindizes auch besonders effektiv angleichen. Die Forschenden identifizierten Tartrazin, auch bekannt als FD & C Yellow 5, als besonders wirksam.

Als sie Tartrazin in Wasser auflösten und zu Gewebe gaben, welches den Farbstoff aufnahm, wurde die Lichtstreuung verringert, was zur Transparenz führte. Zunächst testeten sie das an einer dünnen Scheibe Hühnerbrust. Mit zunehmender Konzentration des Farbstoffs wurden die Muskelzellen durchsichtiger. Ein Bild, welches sie unter die Glasschale mit dem Hühnchen gelegt hatten, wurde sichtbar.

Blick auf Darm und Herz

Dann rieben die Forschenden Mäuse mit der Lösung ein. Die Kopfhaut wurde so transparent, dass die Blutgefäße darin sichtbar wurden. Auch trugen sie die Lösung auf den Bauch der Mäuse auf, wo innerhalb von Minuten die Bewegungen des Darms sowie von Herzschlag und Atmung sichtbar wurden. Die Forschenden vermuten, dass eine Injektion des Farbstoffs zu noch tieferen Einblicken in die Organismen führen könnte.

 

@ dpa.de