Männergesundheit – Medizin und Soziologie im Brennpunkt
15.04.2024 - 13:15:00Sind Männer Gesundheitsmuffel? Dass Frauen in der Regel länger leben als Männer, ist bekannt. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass das stärkere Geschlecht sein Wohlergehen vernachlässigt. Das bei allem Interesse die Männer in der Lebenserwartung hinterherhinken, ist ein Problem, das die Wissenschaftler seit langem beschäftigt. Ein Grund dafür ist in den gesellschaftlichen Erwartungen zu finden.
Das Bild vom starken Mann, der schweigend leidet, während Frauen sich viel eher einen Arzttermin holen, hält sich hartnäckig. Das Ergebnis ist, dass allzu viele Patienten an die klischeehaften Darstellungen glauben und sich selbst als unmännlich empfinden, wenn sie ohne einen offensichtlich gravierenden Grund medizinische Hilfe suchen.
Das gilt vor allem bei psychischen Leiden. Depressionen sind mittlerweile eine Krankheit, die im Laufe ihres Lebens Millionen von Bewohnern der Bundesrepublik betrifft. Obwohl Frauen unter anderem aufgrund der Doppelbelastung durch Familie und Beruf noch stärker dazu neigen, seelische Störungen zu entwickeln, sind sie schneller gewillt, Experten hinzuzuziehen. Männer haben da sehr viel Aufholbedarf, wenn es darum geht, Schwächen einzugestehen. Deshalb treffen seelische Krankheiten die Männer meist härter.
Oft sind es die Folge- oder Begleiterscheinungen, die ein Umdenken bewirken können. Potenzschwäche ist eine davon. Bei jüngeren Männern stecken zumeist seelische Störungen hinter erektiler Dysfunktion. Viagra kaufen ist ein Lösungsansatz, aber nur gezielte Therapie kann in der Regel die Ursachen behandeln.
Schamgefühle, aber auch ein anderer Umgang mit physischen Schmerzen erschwert es zum Teil den Männern, ihre eigene Gesundheit so wichtig zu nehmen, wie es ihr gebührt. Alkohol, Nikotin und andere Suchtmittel werden von Männern deutlich häufiger als Krücken benutzt wie von Frauen.
Von der Gesellschaft akzeptierte Verhaltensweisen sind aber nur ein Grund. Ein anderer ist im „Strickmuster“ von Männern zu finden – im Gehirn.
Bereits bei der Geburt sind geschlechtsbedingte Unterschiede in den verschiedenen Bereichen des Gehirns zu finden. Mit verantwortlich sind nicht die Gene, die keine Unterschiede machen, sondern die Hormone. Das männliche Geschlechtshormon Testosteron ist ausschlaggebend für mehr als nur den kleinen Unterschied.
Der Einfluss von Testosteron macht sich bereits im Mutterleib bemerkbar. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften mehr oder weniger stark ausgeprägt sind, wird von dem Hormon beeinflusst. Das gilt für Denkmuster genauso wie für Emotionen und Schmerzempfinden.
Der innere Einfluss durch die Hormone wird durch äußere Einflüsse ergänzt. Das Hirn bleibt ein Leben lang veränderlich. Je häufiger eine Handlung wiederholt oder ein Gefühl erlebt wird, desto tiefere Spuren hinterlässt es. Neuronen werden gebildet, können aber auch wieder verkümmern, wenn die damit verbundenen Erlebnisse zu selten waren.
Für die Männergesundheit bedeutet das, dass bewusste positive Veränderungen im Alltag zu einer guten Gewohnheit werden können. Prävention wie regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Männerarzt gehören dazu. Aber bereits kleine Anpassungen im Alltag können dauerhaft Positives bewirken.
Bei der Ernährung fängt es an. Obwohl Männer weiterhin im Schnitt mehr Fleisch und weniger Obst und Gemüse essen als Frauen, geht der Trend zu gesünderer Ernährung. Wenn diese dazu noch schmeckt und ein gutes Gefühl auslöst, wird das im Gehirn registriert. Zwar sind Menschen vor allem Gewohnheitstiere, und neue Angewohnheiten lassen sich nicht in ein paar Tagen dauerhaft im neuronalen Netz speichern, aber der Grundstein ist gelegt. Je häufiger oder länger positive Emotionen erlebt werden, desto größer ist die Belohnung in Form von glücklich machenden Endorphinen.
Die ausgeschütteten Hormone tragen zu Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bei und können sogar Schmerzempfinden verringern. Weil Menschen dieses Stimmungshoch genießen, fällt es mit etwas Gewöhnung immer leichter, die Handlungen vorzunehmen, die mit dem Gefühl verbunden sind.
Sportliche Aktivität gehört ebenfalls dazu. Bewegung hilft sowohl der körperlichen wie der psychischen Gesundheit auf die Sprünge. Außer Muskeln und Skelett werden Herz- und Kreislauf gestärkt sowie sämtliche Organe besser mit Sauerstoff versorgt. Die Ausschüttung von Endorphinen wird nach einer gewissen Zeit ebenfalls angeregt.
Um ein gutes Gefühl zu bekommen, muss eine Handlung nicht einmal allzu oft passieren, solange sie emotional positiv besetzt ist. Wer sich in Gedanken auf die Schulter klopft, wenn er zur Vorsorge zum Arzt geht, wird es leichter finden, sich den nächsten Termin zu holen.
Männergesundheit bedeutet aber auch einen neuen Schwerpunkt auf geschlechterspezifische Behandlung. So einfach es anatomisch ist, zwischen reinen Männerleiden und reinen Frauenkrankheiten zu unterscheiden, so diffus wird es vielfach bei der Diagnostik von als typisch geltenden Beschwerden.
Obwohl zum Beispiel Brustkrebs das bekannteste Karzinom bei Frauen ist, können auch Männer daran erkranken. Osteoporose gilt vor allem nach den Wechseljahren als eine typische Frauenkrankheit. Das Ergebnis ist, dass viele männliche Patienten erst dann diagnostiziert werden, wenn sie mehrere Knochenbrüche hinter sich haben.
Je intensiver sich die Forschung mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern beschäftigt, desto klarer werden Ursachen. Das gilt für den rein medizinischen Bereich genauso wie für die soziologischen Aspekte. Fest steht inzwischen, dass gesellschaftliche Vorurteile mindestens so gesundheitsschädlich sein können wie physische Leiden.
Ob Männer auf die gleiche durchschnittliche Lebenserwartung kommen können wie Frauen, ist ungewiss. Aber wenn sie ihre Gesundheit genauso ernst nehmen lernen, wird sich das herausfinden lassen.