Schlange stehen vor Supermarkt

Verbraucherzentralen warnen vor einer Überschuldung von Privathaushalten aufgrund von Corona-Einbußen

24.08.2020 - 09:43:00

Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht die Notwendigkeit staatlicher Hilfsmittel für Privathaushalte, denen durch coronabedingte Mindereinnahmen die Insolvenz droht.

In den letzten Monaten haben wir die Auflage einer Vielzahl von staatlichen Rettungsschirmen für diverse Branchen und Unternehmensformen gesehen. Das Ziel der Maßnahmen war es, eine massenhafte Insolvenz von Betrieben zu vermeiden. Allerdings sind die Auswirkungen des Lock-Downs auf Privathaushalte mindestens ebenso gravierend, betont Klaus Müller, Präsident des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Viele Konsumenten mussten in der Krise durch Arbeitsplatzverlust oder Kurzarbeit erhebliche Einbußen bei den Haushaltseinkommen hinnehmen. Jetzt droht für viele dieser Haushalte die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit, warnt Müller. Der Staat steht auch hier in der Verantwortung.
Als Gegenmaßnahme zur Verhinderung einer massiven Welle von Privatinsolvenzen schlägt der Verbraucherschützer einen Hilfsfonds für Konsumenten vor, die ihre Kreditrückzahlungen nicht mehr bedienen können. Wer mit den Rückzahlungen in Verzug geraten ist, gerät schnell in eine finanzielle Falle. Die Kreditbranche verlangt in diesen Fällen erhebliche Strafgebühren, welche die finanzielle Notlage verschärfen. Der Corona-Lock-Down hat vor allem für Geringverdiener und prekär Beschäftigte zu finanziell kaum mehr abschätzbaren Risiken geführt. Trotzdem gibt es von staatlicher Seite derzeit keine Bemühungen, die Grauzone, in der sich viele Inkassounternehmen bewegen, unter Kontrolle zu bringen. Die Konsequenz ist eine Abzocke der Kreditnehmer, beklagt der Verbraucherschützer. Die Verbraucherzentralen rufen daher die Regierung zu einer baldmöglichen Reglementierung der Kreditbranche auf. Das vom Bundesjustizministerium eingebrachte Inkasso-Gesetz reicht bei weitem nicht aus, um den aktuellen massiven Missbrauch zu verhindern. Es ist derzeit in der Branche üblich, die Tilgungssumme durch Gebührenaufschläge nach oben zu treiben. Die Unternehmen erheben für die Verzugsinformation Gebühren, die nicht gerechtfertigt sind. Da stehen schnell dreistellige Summen im Raum. Der Entwurf von Justizministerin Christine Lamprecht (SPD) beschränkt zwar durch Obergrenzen die Belastungen, aber es können weiterhin Gebühren in der Höhe von 40 bis 70 Euro anfallen. Dies ist definitiv zu hoch, so Verbraucherschützer Müller in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Verbraucherzentralen schlagen daher einen Höchstsatz von 16 Euro vor. Müller beklagt ebenfalls den Umgangston der Kreditunternehmen mit ihren säumigen Kunden. Hier wird mit Klagedrohungen und weiteren Gebührenforderungen ein unangemessener Druck erzeugt, so dass wir fast von Drohbriefen sprechen können.
Einen Handlungsbedarf für die Regierungskoalition sieht Müller auch auf dem Gebiet der Vorkasse-Geschäften. Wir erleben derzeit zum Beispiel bei der coronabedingten Stornierung von Urlaubsreisen und Flügen erhebliche Probleme bei der Rückerstattung der bereits geleisteten Zahlungen. Das Prinzip der Vorauszahlung muss als Instrumentarium auf den Prüfstand. Die Verbraucherzentralen plädieren hier im Idealfall für ein Verbot von Vorkasse-Regelungen. Es ist derzeit ein Trend zu einer Ausweitung dieser Art der Zahlung zu beobachten, der uns Sorgen macht. Dies gilt für Reisen, Flüge, Möbel oder andere Produkte. Die Konsumenten bleiben ungeschützt, wenn die Geschäfte aufgrund einer Insolvenz der Anbieter nicht zustande kommen. Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage, in der deutlich mehr Unternehmen von der Pleite bedroht sind, müssen auch die Konsumenten die rechtlichen Mittel erhalten, um ihre Rückforderungen durchzusetzen. Wir fordern eine klare Rückkehr zum Prinzip der Zahlungspflicht bei Lieferung.
In der ersten Phase des Lock-Down gab es die Regelung eines Kreditmoratoriums, welches die Verbraucher vor den unmittelbaren Folgen von Arbeitsplatzverlust und Kurzarbeit bewahrte. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen spricht sich vehement für eine Neuauflage dieser Regelung im Herbst aus. Was in den kommenden Monaten wirtschaftlich passiert, ist noch weitgehend offen und die Gefahr einer Insolvenzwelle noch nicht gebannt. Deshalb sehen wir die zeitweise Aussetzung der Tilgung von Krediten als notwendig an. Gerade bei Immobilienkrediten droht uns sonst eine massive Welle von Privatinsolvenzen mit der Folge von Zwangsversteigerungen. Die Bundesregierung hat nicht nur eine Verantwortung für die Wirtschaft und für Unternehmen, sondern auch für die Verbraucher, die ebenfalls unter den finanziellen Folgen der Pandemie leiden, betont der Präsident der Verbraucherzentralen gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ noch einmal.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, NeoMatrix

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