Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat die geplanten Milliardenschulden mit Verweis auf die Sicherheit Deutschlands, Europas und der Nato verteidigt.
18.03.2025 - 14:12:31Bundestag diskutiert Finanzpaket kontrovers
"Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet", sagte der mutmaßliche nächste Kanzler mit Blick auf Russland. Er kündigte Sparmaßnahmen und einen Rückbau der Bürokratie an. Harte Anwürfe kamen aus den Reihen der AfD, der FDP, des BSW und der Linken.
SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil warb mit Vorteilen der geplanten Investitionen für Bürgerinnen und Bürger. "Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten." Auch er pochte auf Reformen. Geld alleine könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen. "Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden." Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) warnte: "Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden."
AfD-Fraktionschef nennt Merz "komplett wirbellos"
Scharfe Kritik kam von mehreren Seiten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dessen Partei dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, warf der Union vor, sich gegen wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. "Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen", sagte Dürr Merz voraus. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf Merz vor, nicht nur kein Rückgrat zu haben, sondern inzwischen "komplett wirbellos" zu sein. "Hier soll planlos die Staatsverschuldung in den Himmel getrieben werden", bemängelte er.
Linke-Fraktionschefs Sören Pellmann sprach von einem "monströsen Manöver" und warf Merz Schamlosigkeit vor. Er redete mit Blick auf die geplante Aufrüstung von "Nebelkerzen aus Angst und Furcht" und unrealistischen Untergangsszenarien. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht lehnte die Pläne ebenfalls ab. "Kriegskredite mit Klimasiegel, darauf muss man erstmal kommen." Die Weigerung, mit der AfD zu reden, stärke diese nur.
FDP und AfD scheiterten mit dem Versuch, die Sitzung noch zu verhindern. CDU, CSU, SPD und Grüne lehnten Anträge ab, die geplante Änderung des Grundgesetzes in mehreren Punkten von der Tagesordnung zu nehmen.
Der Vorsitzende der CSU-Parlamentarier im Bundestag, Alexander Dobrindt, lobte den gefundenen Kompromiss. Sonst hätte es Zweifel an der Handlungsfähigkeit Deutschlands gegeben, so Dobrindt: "Es gäbe in Europa Angst vor weiteren Aggressionen Russlands und es gäbe in Russland die Erkenntnis, dass der Westen zu schwach ist, um sich zu wehren."
Haßelmann rechnet mit Merz ab
Die Grünen, die das Paket mit CDU, CSU und SPD ausgehandelt hatten, wollen zwar von wenigen Ausnahmen abgesehen zustimmen. Fraktionschefin Britta Haßelmann rechnete dennoch mit Merz ab. Alle, auch Merz, hätten bereits im vergangenen Jahr gewusst, dass Deutschland dringend Investitionen und zugleich mehr Geld für die Verteidigung brauche. Er und seine Partei aber hätten das öffentlich nie zugegeben und die Grünen sogar noch für entsprechende Forderungen diffamiert. "Aber ich bin dennoch in der Sache froh, dass wir das jetzt heute so entscheiden, denn es ist notwendig für unser Land", sagte Haßelmann.
Parteichefin Franziska Brantner charakterisierte die geplante Koalition als gekennzeichnet "durch Kleinmut und Mackertum aus Bayern". Von der Union verlangte sie: "Hören Sie endlich den Wettlauf mit den Populisten auf." Merz hörte den Grünen, die das Paket erst möglich gemacht hatten, aufmerksam zu. Weite Teile der Debatte verfolgte er starr mit dem Kinn in der Hand.
Was genau geplant ist
Bei Verteidigung und Infrastruktur gibt es in Deutschland einen riesigen Investitionsstau. Nun soll die Schuldenbremse - die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt - für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert werden. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden - das wäre nach Rechnung der Politiker in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.
Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur - also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen - bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen fest in Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen. Das Geld darf aber nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt - damit wollen die Grünen verhindern, dass das Geld genutzt wird, um auf Umwegen Wahlgeschenke zu finanzieren.
Diskussion um Klimaneutralität bis 2045
Streit gab es erneut darüber, ob mit der Formulierung, dass die Mittel aus dem Sondervermögen auch "für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" verwendet werden können, die ins Grundgesetz geschrieben werden soll, ein neues Staatsziel formuliert wird. Kritiker etwa aus der AfD sehen das so und warnen vor negativen Folgen für die Wirtschaft und neuen Klagemöglichkeiten für Umweltschutzorganisationen etwa gegen den Autobahn-Ausbau. Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.
Merz wies das zurück. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sei seit über 30 Jahren in Artikel 20a des Grundgesetzes ein Verfassungsauftrag. Das Bundesverfassungsgericht habe 2021 entschieden, dass darunter auch Klimaneutralität zu verstehen sei. "Es ist kein neues Staatsziel. Es gibt hier keine Veränderungen der Grundlagen in unserer Verfassung in dieser Frage." Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte, die Annahmen aus der AfD seien "vollkommen absurd". Es gebe bei den Investitionen keine Einschränkungen bei Straßen, Schienen oder Sonstigem.
Was das für die Koalitionsverhandlungen bedeutet
Vor allem die Festlegung, dass aus dem Sondertopf nur zusätzliche Vorhaben finanziert werden dürfen, könnte Union und SPD Schwierigkeiten bereiten. Denn für die bisher vereinbarten, schwarz-roten Projekte müssen sie nun Geld im normalen Haushalt auftreiben.
Kann das Paket noch scheitern?
Union, SPD und Grüne haben sich zwar auf Spitzenebene geeinigt, es ist aber nicht sicher, dass auch alle Abgeordneten wirklich im Sinne ihrer Fraktion abstimmen. Das gilt vor allem für Parlamentarier, die dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören werden, weil sie nicht mehr angetreten sind oder nicht nochmal gewählt wurden.
In allen drei Fraktionen haben ein oder mehrere Abgeordnete bereits erklärt, dass sie gegen das Paket stimmen oder sich enthalten wollen. Für eine Zweidrittelmehrheit haben die drei Fraktionen zusammen nur einen Puffer von 31 Stimmen.
Nicht nur im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, sondern auch im Bundesrat. Die dürfte aber stehen, nachdem sich in Bayern am Montag CSU und Freie Wähler auf eine Zustimmung geeinigt hatten. Die Länder profitieren von dem Paket auch deutlich: Nicht nur bekommen sie 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie dürfen dann künftig zusammen auch Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen - bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von Null.