Schwierige, Zeiten

Schwierige Zeiten für saubere Energien? Die Herausforderungen der deutschen Energiewende zwischen Fachkräftemangel und Digitalisierung

28.10.2024 - 11:48:29

Diese Zeilen wurden Mitte Oktober 2024 geschrieben. Eine gute Gelegenheit, um einen ersten Rückblick auf das scheidende Jahr zu tätigen. Was die Energiewende anbelangt, ein eher durchwachsenes Jahr. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf den Energiemonitor des „Zeit“-Magazins.

Diese Zeilen wurden Mitte Oktober 2024 geschrieben. Eine gute Gelegenheit, um einen ersten Rückblick auf das scheidende Jahr zu tätigen. Was die Energiewende anbelangt, ein eher durchwachsenes Jahr. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf den Energiemonitor des „Zeit“-Magazins.

Von den für 2024 geplanten 13 Gigawatt (GW) an zusätzlicher Solarkapazität wurden immerhin 11,5 GW installiert. Doch schon bei den Windrädern sieht die Lage düster aus. Geplant war ein Zubau von 6,2 GW, erreicht wurden lediglich 1,6 GW. Die Lücke bis Jahresende zu schließen, erscheint illusorisch. Diese Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Werten ist geradezu exemplarisch für Deutschlands Energiewende. Denn so wichtig sie zweifellos ist, so zahlreich und wirkmächtig sind die Herausforderungen.

Komplexe Personalsituation

Engineering Recruiters können sich derzeit nicht über eine mangelnde Auftragslage beschweren. Denn wenn eines die Energiewende kennzeichnet, dann einerseits der enorme Bedarf an Spezialist:innen, die sich mit den komplexen, hochinnovativen Technologien auskennen und andererseits deren Mangel auf dem Arbeitsmarkt – wodurch Engineering Recruiters in ihrer Eigenschaft als Headhunter:innen oft die einzige Möglichkeit sind, qualifizierte Fachkräfte zu finden.

Diese Herausforderung gilt über die volle personelle Breite: Ingenieur:innen, Handwerker:innen, Speziallogistiker:innen, um die teils gigantischen Bauteile zu transportieren. Überall ist der Bedarf riesig, stehen die Telefone bei den Engineering Recruiters und anderen Personalberater:innen nicht mehr still.

Hierbei handelt es sich um das vielleicht schwierigste „Nadelöhr“ der Energiewende. Die Technik ist ebenso vorhanden wie die Investitionswilligkeit. Bloß fehlt es vielerorts schlichtweg an den Personen, die alles planen, gestalten und umsetzen.

Nutzungskonflikte

Um Deutschland rund um die Uhr und bei jeder Witterung zuverlässig mit ausreichender, preisgünstiger nachhaltiger Energie zu versorgen, muss sowohl auf der Erzeugungs- als auch Verteilungsseite noch erheblich mehr ausgebaut werden.

Teilweise erreicht man jedoch insbesondere bei ersterem einen Punkt, an dem sich in dem flächenmäßig relativ kleinen Deutschland Konflikte auftun.

  • Bei der Windkraft ist es stets nötig, die Windhöffigkeit zu betrachten. Dadurch ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Landes überhaupt optimal für Windräder geeignet. Jedoch werden die „A-Lagen“ an Land lokal bereits knapp. Regional kommen zudem noch mehr oder weniger starke Widerstände durch Anwohner:innen, Naturschützer:innen und ähnliche Gruppen hinzu, was den Ausbau weiter verkompliziert.
  • Photovoltaik funktioniert zwar an erheblich mehr Aufstellungsorten, hat aber einen enormen Flächenbedarf. Dadurch steht sie stets in Konkurrenz zu anderen Nutzungsformen. Wohl sind Mischnutzungen möglich, allen voran auf Dächern sowie in Form der sogenannten Agri-Photovoltaik. Doch schon bei letzterer besteht stets die Gefahr für Verschmutzung und Beschädigung durch die notwendige Boden- und Pflanzenbearbeitung.

Ebenfalls muss hierbei noch Biomasse genannt werden. Jeder Quadratmeter, der dafür genutzt wird, steht naturgemäß nicht für eine regionale Lebensmittelproduktion zur Verfügung. Und bei „grünem“ Wasserstoff, der viele Schwierigkeiten lösen könnte, kommen Herausforderungen in Sachen Wirkungsgrad sowie Infrastruktur hinzu. Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff gehen etwa 30 Prozent verloren. Bei der Rückverstromung fallen weitere Verluste an.

Nötige und gleichsam stockende Digitalisierung

Die allermeisten regenerativen Stromerzeugungsmethoden zeichnen sich durch eine im Vergleich große Volatilität aus. Im Gegensatz zu konventionellen Kraftwerken…

  • schwankt die Erzeugung andauernd stark. Das gilt sogar bei der Offshore-Windkraft mit ihren vergleichsweise harmonischen Windbedingungen;
  • existieren viel mehr dezentralisierte regenerative Erzeuger:innen unterschiedlichster Leistungsklassen.

In einem Stromnetz gilt dagegen die zwingende physikalische Maßgabe, dass die aktuell „entnommene“ Strommenge jederzeit 1:1 der gerade eingespeisten Menge entsprechen muss. Ansonsten drohen Über- und Unterspannungen mit gefährlichen Auswirkungen.

Das bedeutet, eine regenerative Stromversorgung muss jederzeit ungleich stärker reguliert werden als es bei konventioneller Erzeugung der Fall ist. Das erfordert an zahlreichen Stellen eine umfassende Digitalisierung auf allen Ebenen. Erhebung gigantischer Datenmengen, deren rascheste Analyse, Vorhandensein entsprechender IT und über allem abermals das nötige Fachpersonal.

Tatsächlich ist die Energiewende nicht weniger als „das größte nationale IT-Projekt aller Zeiten. Da jedoch die Digitalisierung in Deutschland insgesamt verschiedene Schwierigkeiten hat, wirken sich diese ebenso auf die Energiewende aus.

Überbordende Bürokratie

Für ein einziges landbasiertes Windrad sind etwa 15 Sondertransporte per LKW nötig. Jeder einzelne davon benötigt eine behördliche Genehmigung. Da hierfür die Länder zuständig sind, kann es mitunter erforderlich sein, Genehmigungen in gleich mehreren Bundesländern einzuholen.

Das wäre vielleicht kein solches Problem, wenn die Behörden umfassend digitalisiert wären und so Anträge vielleicht vollautomatisiert innerhalb weniger Minuten bearbeitet werden könnten. Bloß sind deutsche Behörden nicht umfassend digitalisiert. Außerdem haben sie ebenso mit Personalmangel zu kämpfen wie die freie Wirtschaft. Die Folge: Häufig dauert es unerträglich lange, bis allein die Transportgenehmigungen bearbeitet wurden – von den zahlreichen zuvor nötigen Schritten ganz zu schweigen.

Hierbei handelt es sich nur um ein einziges Beispiel. Aber es zeigt sehr deutlich, wie sehr die bundesdeutsche Bürokratie die Energiewende erschwert. Im Einzelnen:

  • An jedem nur denkbaren Projekt sind oftmals mehrere Behörden beteiligt, wobei es häufig an der Zusammenarbeit mangelt.
  • Pro Projekt sind zahlreiche Anforderungen zu erfüllen, nachzuweisen, müssen Genehmigungen und Ähnliches eingeholt werden. Das bedeutet einen enormen Arbeitsaufwand bei allen Beteiligten.
  • Die Bearbeitung all dieser Angelegenheiten erfolgt vielfach sehr träge und wird nicht selten von Zuständigkeits- oder Kompetenzstreitigkeiten weiter gehemmt.

Für nicht weniger Kritiker:innen ist die überbordende Bürokratie sogar der mit Abstand größte Hemmschuh der Energiewende. Ob es tatsächlich so ist, wird sich wohl niemals mit abschließender Sicherheit verifizieren lassen. Fest steht jedoch, dass es vor allem ohne das viele bürokratische „Klein-Klein“ erheblich schneller und reibungsloser ginge – egal ob auf einzelne Windräder oder Solarparks bezogen oder die Energiewende in der Gesamtbetrachtung.

Zusammengefasst

Deutschland will klimaneutral werden, Deutschland muss klimaneutral werden. Die Energiewende hin zu einer regenerativen Stromerzeugung ist dazu das mit Abstand wichtigste Werkzeug – nicht zuletzt, weil ohne Energiewende zahlreiche nachgeschaltete Maßnahmen mindestens an Wirksamkeit einbüßen. So wäre etwa ein elektrifizierter Verkehr deutlich weniger nachhaltig, wenn der benötigte Strom nicht ebenso aus regenerativen Quellen stammt.

Die Haupt-Herausforderung besteht dabei darin, dass sich hier verschiedene Schwierigkeiten verketten, die sich voneinander unterscheiden und sich nicht einfach durch entschlossene politische Maßnahmen lösen lassen – zumindest nicht von heute auf morgen. Damit die Energiewende reibungsloser durchgeführt werden kann, muss sich ebenso an anderen Stellen in Deutschland manches wandeln. 

Die Energiewende in Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung: Fachkräftemangel und der Bedarf an Digitalisierung. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften führt zu Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten und erhöht die Kosten. Digitale Lösungen, wie Automatisierung und Smart Grids, könnten dieses Problem mildern. Dennoch kann nicht auf die Expertise von Fachkräften verzichtet werden.

@ ad-hoc-news.de