Nach dem von US-Präsident Joe Biden bekannt gemachten Plan für ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Krieges will sich Israels wichtigster Verbündeter die Rückendeckung des Weltsicherheitsrates sichern.
04.06.2024 - 06:35:01USA und G7 drängen auf Gaza-Abkommen - Nacht im Überblick
Die USA brachten am Montag eigenen Angaben zufolge eine entsprechende Resolution ein. Der Rat müsse mit einer Annahme der Beschlussvorlage darauf bestehen, dass die islamistische Hamas das Abkommen inklusive der Freilassung der Geiseln akzeptiere. Die G7-Gruppe stellte sich demonstrativ hinter das von Biden vorgestellte Angebot für ein Abkommen, dem Israel bereits zugestimmt haben soll. Man unterstütze den Plan "voll und ganz", da er zu einem dauerhaften Ende der Krise führe, hieß es in einer am Abend veröffentlichten Mitteilung der italienischen G7-Präsidentschaft.
Netanjahu: Keine Waffenruhe ohne Erfüllung unserer Bedingungen
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weckte jedoch Zweifel, ob es zu einer Einigung mit der Hamas kommen wird. "Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig", sagte Netanjahu am Montag nach Angaben seines Büros zu Bidens Vorstoß. Ein ranghoher israelischer Beamter sagte dem Sender NBC News, Biden habe Israels Vorschlag "nicht akkurat" wiedergegeben. Biden selbst sieht ihn jedoch als "bestmögliche Gelegenheit für eine Einigung" in den festgefahrenen Verhandlungen. Der US-Präsident habe im Telefonat mit dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani die Bereitschaft Israels bekräftigt, sich auf die Bedingungen einzulassen, die der Hamas jetzt angeboten worden seien, teilte das Weiße Haus mit.
Israel: Vier Geiseln in Hamas-Gefangenschaft getötet
Netanjahu hatte allerdings am Samstag deutlich gemacht, dass sich Israels Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller Geiseln. Vier von der Hamas entführte Geiseln sind nach israelischen Informationen in der Gefangenschaft getötet worden. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari teilte am Montag mit, die vier Männer seien vor mehreren Monaten in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen. Die genauen Umstände waren zunächst unklar. Es wird befürchtet, dass ein Großteil der 124 Geiseln, die noch in Gaza festgehalten werden, tot ist.
Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Am Freitag hatte Biden dann überraschend Details eines Entwurfs für einen Deal in drei Phasen präsentiert. Netanjahus rechtsreligiöse Koalitionspartner drohen seither mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Netanjahu habe am Montag im Parlament hinter verschlossenen Türen gesagt, der Wortlaut des Vorschlags ermögliche es Israel, die Kämpfe wiederaufzunehmen, falls Gespräche über eine dauerhafte Waffenruhe in einer späteren Phase nicht vorankommen, zitierte das "Wall Street Journal" einen Beamten.
USA: Israels Angebot Ergebnis intensiver Diplomatie
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, betonte am Montag, dass es sich bei dem auf dem Tisch liegenden Vorschlag um einen der israelischen Seite handele und er "das Ergebnis intensiver Diplomatie" sei. Biden habe "ihn treffend beschrieben und jetzt liegt es an der Hamas, ihn anzunehmen". Israelische Beamte befürchteten, dass Netanjahus jüngste Äußerungen die "konstruktive Zweideutigkeit" in dem Vorschlag sabotieren könnten, schrieb das Nachrichtenportal "Axios". Die Formulierung des Vorschlags ermögliche es beiden Seiten, in die erste Phase des Abkommens einzutreten, die die Freilassung einer Gruppe von Geiseln und eine 42-tägige Waffenruhe vorsieht. Die Frage, ob es dann tatsächlich zum Ende des Krieges kommen wird, werde auf später verschoben.
G7-Staaten: Hamas muss Abkommen zustimmen
Die G7-Staats- und Regierungschefs riefen die islamistische Hamas dazu auf, das Abkommen mit Israel zu akzeptieren. Länder mit Einfluss auf die Hamas sollen dazu beizutragen, dass sie dem Abkommen zustimmen, wie es in der gemeinsamen Mitteilung weiter hieß. Gleichzeitig bekräftigte die G7-Gruppe ihre Unterstützung für einen glaubwürdigen Weg zum Frieden, der letztlich zu einer Zweistaatenlösung führen soll. Zur G7 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. US-Präsident Biden forderte Katar in seinem Gespräch mit dem Emir des Landes auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Annahme des Abkommens durch die Hamas sicherzustellen, wie das Weiße Haus mitteilte. Die Hamas sei jetzt das einzige Hindernis für einen vollständigen Waffenstillstand und die Befreiung der Menschen im Gazastreifen.
Kämpfe in Gaza gehen weiter
Unterdessen gehen die Kämpfe in dem abgeriegelten Küstenstreifen unvermindert weiter. Die israelische Armee stieß bei ihrem Vormarsch in Rafah im Süden Gazas auf weitere Tunnelschächte der Hamas und Waffenlager, wie das Militär am Montag bekanntgab. Bei den gezielten Einsätzen sei "terroristische Infrastruktur" zerstört worden. Zudem sei eine Waffenproduktionsstätte der Hamas aus der Luft angegriffen worden, hieß es weiter. Laut einer Analyse des Satellitenbeobachtungsprogramms der Vereinten Nationen UNOSAT ist inzwischen mehr als die Hälfte aller Gebäude im Gazastreifen durch den seit rund acht Monaten andauernden Krieg beschädigt oder ganz zerstört, wie UNOSAT auf X mitteilte.
Angesichts der hohen Opferzahlen und der desaströsen Versorgungslage der Menschen im umkämpften Gazastreifen ist mittlerweile eine Mehrheit von 61 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gegen das militärische Vorgehen Israels in dem abgeriegelten Küstenstreifen. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage für den "Stern" hervor. Nur noch 33 Prozent befürworten die Militärschläge des jüdischen Staates demnach. Die Daten wurden bei 1003 Befragten am 30. und 31. Mai telefonisch erhoben. Damit ist die Umfrage den Angaben zufolge repräsentativ. Im November noch waren bei einer Forsa-Umfrage für den "Stern" 62 Prozent der Befragten für das militärische Vorgehen und 31 Prozent dagegen. Damit hat sich das Meinungsbild in den vergangenen Monaten nahezu umgekehrt.