In der Debatte über die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien hält der Migrationsexperte Daniel Thym die pauschale Gewährung des Bleiberechts für Menschen aus diesen Ländern nicht mehr für rechtlich geboten.
09.06.2024 - 15:26:19Experte: Nicht mehr alle Afghanen und Syrer benötigen Schutztitel
"Kaum jemand bezweifelt hierzulande, dass praktisch alle Syrer und Afghanen einen Schutzstatus erhalten - mit der Folge, dass sie völlig legal in Deutschland leben und umfassend gleichbehandelt werden", sagte Thym der "Welt am Sonntag". "Diese Großzügigkeit war früher richtig, überzeugt heute jedoch nicht mehr. Ob ein Asylantrag erfolgreich ist, richtet sich nach der Situation im Herkunftsland. Diese veränderte sich in Syrien, Afghanistan und im Übrigen auch in der Ukraine", sagte der Jurist.
Nach der tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft das derzeit. Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 gilt in Deutschland ein Abschiebestopp für Afghanen.
Thym sagte, afghanische Asylbewerber profitierten "von einem Abschiebungsverbot, weil die deutschen Gerichte der Meinung sind, dass die Lebensbedingungen in Afghanistan so schlecht sind, dass selbst alleinstehende und gesunde junge Männer in der Hauptstadt Kabul eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung erlitten". Ein solches Abschiebungsverbot münde in einen normalen Aufenthaltstitel. Afghanen erhielten diesen, weil deutsche Gerichte europäische Urteile großzügig handhabten. "Die deutsche Großzügigkeit entfernt sich meilenweit von der ursprünglichen Idee des Asylrechts."
Thym sagte, im vergangenen Jahr sei nur rund ein Prozent aller Anträge von Syrern abgelehnt worden. "Das überrascht, weil der Bürgerkrieg in Syrien inzwischen abgeflaut ist." Daher schlussfolgere die EU-Asylagentur in ihrem jüngsten Bericht, dass im Zentrum von Syrien und an der Mittelmeerküste das Gewaltniveau nicht mehr hoch genug sei, dass automatisch alle subsidiären Schutz bekommen. "So pauschal droht auch nicht allen Syrern eine Folter oder Entführung. Die deutsche Asylpraxis ignoriert dies", sagte Thym.