Im Gaza-Krieg sind die Fronten auch nach der Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer "sofortigen Waffenruhe" per Resolution weiter verhärtet.
26.03.2024 - 06:00:04Sofortige Waffenruhe in Gaza nicht in Sicht - Die Nacht im Überblick
Während UN-Generalsekretär António Guterres mit Nachdruck eine Umsetzung der Resolution verlangte, bekräftigte die islamistische Hamas ihre Forderung eines dauerhaften Waffenstillstands - und gab Israel am Montagabend die Schuld, dass es bisher keine Einigung über ein Abkommen für eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln gibt. Zwischen Israel und dem wichtigen Verbündeten USA wiederum kam es zu größeren Verstimmungen: Aus Ärger, dass die Amerikaner der Resolution zum Erfolg verhalfen, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu eine Delegationsreise nach Washington in letzter Minute ab. Die US-Regierung reagierte irritiert und bemühte sich gleichzeitig darum, die Israelis zu besänftigen und die Bedeutung der Sicherheitsrats-Resolution herunterzuspielen.
USA: Resolution ist nicht bindend
"Es handelt sich um eine nicht bindende Resolution, die keinerlei Auswirkungen auf Israel und dessen Fähigkeit hat, weiterhin gegen die Hamas vorzugehen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Dabei sind Resolutionen des Weltsicherheitsrats sehr wohl völkerrechtlich bindend. Generalsekretär Guterres forderte denn auch, die Resolution müsse umgesetzt werden. "Ein Scheitern wäre nicht zu verzeihen", mahnte er am Montag auf der Plattform X, vormals Twitter.
Diverse Nachfragen, ob die Beziehung zwischen Israel und den USA - und konkret zwischen Netanjahu und US-Präsident Joe Biden - an einem Tiefpunkt angelangt sei, wiegelte Kirby am Montag ab. Das sei nicht der Fall. "Israel ist nach wie vor ein enger Verbündeter und ein Freund", betonte der Kommunikationsdirektor, schob jedoch nach: "Das bedeutet nicht, dass wir in allem übereinstimmen, und meine Güte, das tun wir nicht."
Baerbock lobt Palästinenser-Beitrag
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock lobte unterdessen nach einem Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) und Abbas persönlich für deren Beitrag zur UN-Resolution. Mit der klaren Verurteilung der Gewaltverbrechen der Hamas an Zivilisten am 7. Oktober in Israel habe die von Abbas geführte PA "einen wichtigen Beitrag" zur Entscheidung in New York geleistet, sagte Baerbock in Ramallah. Dem Aufruf an die Hamas, die Waffen niederzulegen, könne sie sich nur anschließen.
Hamas schaltet in Verhandlungen auf stur
Die Hamas ließ am Montagabend jedoch wissen, den Vermittlern sei mitgeteilt worden, dass man an der ursprünglichen Position festhalte. Diese sehe neben einem "umfassenden Waffenstillstand" auch den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der Vertriebenen und einen "echten" Gefangenenaustausch vor. Grund sei, dass Israel "auf keine der grundlegenden Forderungen unseres Volkes und unseres Widerstands eingegangen ist". Israels Ministerpräsident Netanjahu "und seine extremistische Regierung tragen die volle Verantwortung dafür, dass sie alle Verhandlungsbemühungen vereitelt und eine Einigung bisher verhindert haben", hieß es.
Israel hat die Forderung nach einem vollständigen Rückzug der Truppen und einem dauerhaften Waffenstillstand stets zurückgewiesen. Die Hamas wiederum macht jede weitere Geiselfreilassung von einer israelischen Verpflichtung zur Beendigung des Krieges abhängig. Netanjahu hat diese Forderung wiederholt als illusorisch bezeichnet und darauf bestanden, dass der Krieg mit dem Ziel einer Zerschlagung der Hamas wieder aufgenommen wird, sobald ein Abkommen zur Geiselbefreiung umgesetzt ist. Am Montag hatte es in mehreren Medienberichten geheißen, dass sich Israel bei den Verhandlungen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA bereiterklärt habe, auf die Hamas zuzugehen und im Austausch für 40 israelische Geiseln einige hundert palästinensische Häftlinge mehr freizulassen als bisher zugestanden worden war.
Baerbock warnt vor Rafah-Offensive
Vor ihrem erneuten Besuch in Israel an diesem Dienstag warnte Bundesaußenministerin Baerbock Israel angesichts der humanitären Lage eindringlich vor der geplanten Bodenoffensive in Rafah. "Eine Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben", sagte sie mit Blick auf das Schicksal der vielen Zivilisten in der Stadt, in der viele Kriegsflüchtlinge Schutz gesucht haben. "Menschen können sich nicht in Luft auflösen."
Auch die US-Regierung warnte Israel einmal mehr vor einer großangelegten Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden des abgeriegelten Gazastreifens. Das US-Außenministerium teilte am Montagabend nach einem Treffen von Ressortchef Antony Blinken mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant mit, Blinken habe sich bei den Beratungen erneut gegen eine größere Bodenoffensive in Rafah ausgesprochen, die das Wohlergehen der mehr als 1,4 Millionen Palästinenser dort weiter gefährden würde.
USA: Rafah-Offensive scheint noch weit enfernt
Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, und der nationale Sicherheitsberater Zachi Hanegbi hätten eigentlich am Montag in die USA fliegen sollen, um dort Alternativen zu der geplanten Bodenoffensive aufgezeigt zu bekommen. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Kirby, sagte, es gebe keine Anzeichen dafür, "dass die Israelis sich unmittelbar darauf vorbereiten, eine Bodenoperation in Rafah durchzuführen" oder dass dies in den kommenden Tagen passieren könnte. "Es scheint, dass sie noch weit davon entfernt sind, in Rafah einzumarschieren." Netanjahu zufolge hat Israels Armee Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen.
Israel weist Bericht von UN-Expertin als Schande zurück
Die diplomatische Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen in Genf hat unterdessen den Bericht einer UN-Menschenrechtsexpertin zum Gaza-Krieg als Schande für den Menschenrechtsrat bezeichnet. "Der Bericht ist daher eine obszöne Umkehrung der Realität, bei der eine sogenannte Expertin ungeheuerliche Anschuldigungen erheben kann, je extremer, desto besser", schrieb die Vertretung am Montag auf der Plattform X (vormals Twitter). Die UN-Menschenrechtsexpertin Francesca Albanese hatte zuvor laut Medienberichten in einer noch vorläufigen Version Israel vorgeworfen, Völkermord im Gazastreifen zu begehen und die Gründung des jüdischen Staates als "siedlungskolonialistisches Projekt" bezeichnet. Die italienische Juristin ist Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats über die Lage der Menschenrechte in den besetzten Palästinensergebieten, spricht aber nicht für die UN.