Nomura-Experte, EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Einschätzung der japanischen Investmentbank Nomura die Leitzinsen vor der US-Notenbank (Fed) senken.

19.03.2024 - 17:33:51

Nomura-Experte: EZB dürfte Zinsen vor US-Notenbank senken

Die europäischen Währungshüter dürften die Zinsen zudem rascher senken als die Fed, sagte der Europa-Ökonom von der japanischen Bank Nomura, Andrzej Szczepaniak, am Dienstag vor Journalisten in Frankfurt. Die Fed-Politik bestimme nicht den EZB-Kurs.

"In der Vergangenheit finden wir mehrere Gegenbeispiele asynchroner Maßnahmen von Fed und EZB", sagte der Ökonom. Auch Olli Rehn, Chef der finnischen Zentralbank, hatte zuletzt ähnliche Töne angestimmt: "Die EZB ist nicht der 13. Bundesdistrikt der Fed", betonte Rehn die Eigenständigkeit der europäischen Währungsbehörde.

Die makroökonomischen Zyklen der Vereinigten Staaten einerseits und der Eurozone andererseits scheinen sich laut Szczepaniak zu entkoppeln. Dies gelte sowohl für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch für die Inflationsrate. Während in den USA das BIP seit Jahresmitte 2023 wachse, zeigten die Daten für die Eurozone eine gegenläufige Entwicklung: Das Wirtschaftswachstum schrumpfe seit über einem Jahr, doch auch die Inflation sinke merklich. "Wenn sich die makroökonomischen Zyklen entkoppeln, sollten die Notenbanken auch ihre Geldpolitiken entkoppeln", sagte Szczepaniak.

Für den geldpolitisch relevanten Einlagensatz der EZB prognostiziert der frühere EZB-Mitarbeiter im laufenden Jahr Senkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte im Juni, Juli, September, Oktober und Dezember. Damit würde der EZB-Leitzins nach einem Höchststand von aktuell 4,0 Prozent bis Dezember auf 2,75 Prozent fallen. Im kommenden Jahr erwartet Szczepaniak keine weiteren Anpassungen.

Für die Fed erwartet der Ökonom zwei Zinssenkungen um je 0,25 Punkte im Juli und Dezember. Im kommenden Jahr sollten dann vier weitere Zinsschritte um jeweils 0,25 Punkte folgen. Wenn die Wirtschaftsleistung jedoch weiterhin die Erwartungen übertreffe, könne das die Notenbanken zu späteren und weniger Zinssenkungen verleiten. Die Inflationsrate sei für die EZB im Vergleich zum Wirtschaftswachstum aufgrund ihres Mandates die wichtigere Kennziffer. Eine milde Rezession nähme sie für eine abklingende Teuerungsrate daher in Kauf.

Zudem sei in den USA das Lohnwachstum zu stark, die Inflation steige daher wieder und entferne sich von der Zielmarke von zwei Prozent. Auch in der Eurozone könne sich die Inflationsdynamik wieder beschleunigen. Darüber hinaus seien die europäischen Arbeitsmärkte angespannt, auch wenn Anzeichen für einen vorläufigen Höhepunkt zu erkennen seien.

Gleichzeitig sind laut Szczepaniak auch die Arbeitslosenquoten der führenden Industrienationen gesunken, besonders stark aber in der Eurozone. "Diese angespannten Arbeitsmärkte erzeugen Lohndruck", erklärte der Ökonom. Wegen des Mangels an Arbeitskräften könnten höhere Löhne gefordert werden, was die Inflation anheize.

An diesem Mittwoch kommen in Frankfurt Notenbanker und Beobachter zu einer EZB-Konferenz zusammen. Marktteilnehmer erhoffen sich mehr Klarheit über den geldpolitischen Kurs.

@ dpa.de