Experte, Führung

Der Politik-Experte Christian Mölling rät den Europäern nach dem Eklat beim US-Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sich umgehend sicherheitspolitisch auf eigene Beine zu stellen.

01.03.2025 - 12:40:11

Experte: politische Führung in Europa organisieren

Man müsse sich sehr schnell darauf einstellen, dass die USA als politischer und militärischer Führer der Nato wegfielen, sagte der Direktor des Programms "Europas Zukunft" der Bertelsmann Stiftung am Freitagabend im ZDF.

"Das erste, was man braucht, ist die Organisation politischer Führung in Europa. Denn da waren die USA bislang immer der Taktgeber", sagte Mölling. Man könne jetzt nicht erwarten, dass es den einen starken Staat in Europa gebe. "Den gibt es zurzeit sowieso nicht. Es können aber auch nicht alle 27 EU-Staaten oder alle 30 oder 36 europäischen Staaten abstimmen." Das werde die schwierigste Einigung werden, so Mölling. "Wer kann für wen sprechen? Und wer kann auch Entscheidungen letztendlich dann über Leben und Tod treffen?"

Europa muss sich politisch einig werden

Befragt dazu, was an diesem Sonntag beim Ukraine-Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in London herauskommen müsse, sagte Mölling: "Wir brauchen ein Signal." Das einfachste sei, ein großes Geldpaket zu schnüren. Man brauche aber vor allem eine politische Einigkeit und die Bereitschaft, politisch arbeitsteilig vorzugehen. Das Problem sei, dass man dafür im Grunde genommen keine Zeit mehr habe.

"All die Debatten haben wir abstrakt in den letzten Jahren immer wieder geführt. Jetzt ist es tatsächlich so, dass man davon ausgehen sollte zumindest, dass es im Grunde genommen ab heute schon so ist, dass wir auf die USA nicht mehr wirklich zählen können", sagte Mölling.

US-Präsident Donald Trump hatte Selenskyj am Freitagabend beim Besuch im Weißen Haus in Washington damit gedroht, die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland im Stich zu lassen, sollte es nicht zu einer Einigung mit Moskau kommen. In einer beispiellosen Situation überzog er den Ukrainer im Oval Office vor laufenden Kameras mit Vorwürfen und bezichtigte ihn, einen dritten Weltkrieg zu riskieren. "Sie müssen dankbarer sein", sagte Trump.

@ dpa.de