ROUNDUP, China

Der chinesische PrĂ€sident Xi Jinping hat zu Beginn seines Treffens mit Bundeskanzler Olaf Scholz fĂŒr eine enge Zusammenarbeit beider LĂ€ndern trotz bestehender Differenzen geworben.

16.04.2024 - 07:15:08

China setzt trotz Differenzen auf Kooperation mit Deutschland

"Gemeinsam können wir der Erde mehr StabilitĂ€t und Sicherheit einhauchen", sagte Xi laut offizieller Übersetzung. "Solange man an den Prinzipien des gegenseitigen Respekts, (der) Suche nach Gemeinsamkeiten trotz Differenzen und des gegenseitigen Lernens festhĂ€lt, können die bilateralen Beziehungen sich weiterhin stabil entwickeln."

Scholz nennt russischen Angriffskrieg als Thema Nummer eins

WĂ€hrend die Eingangsworte Xis blumig blieben, wurde Scholz konkret und sprach als Erstes den Ukraine-Krieg in aller Deutlichkeit an. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die AufrĂŒstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa", sagte er zu Xi, der als wichtigster VerbĂŒndeter des russischen PrĂ€sidenten Wladimir Putin gilt. Der Westen wirft China vor, Russland mit GĂŒtern zu versorgen, die sowohl zivil als auch militĂ€risch genutzt werden können und so die russische Kriegswirtschaft zu unterstĂŒtzen.

Die Auswirkungen des Krieges beeintrÀchtigten europÀische Kerninteressen unmittelbar, sagte Scholz. "Mittelbar beschÀdigen sie die gesamte internationale Ordnung, denn sie verletzen einen Grundsatz der Charta der Vereinten Nationen: den Grundsatz der Unverletzlichkeit von Staatsgrenzen."

Der Kanzler erinnerte daran, dass er bei seinem letzten Besuch zusammen mit Xi deutlich gemacht habe, dass mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal gedroht werden dĂŒrfe. "Gerne möchte ich mit Ihnen heute darĂŒber diskutieren, wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können." Scholz hatte bereits vor seiner Reise dafĂŒr geworben, dass China wie auch andere Russland freundlich gesinnten Staaten an der fĂŒr Juni geplanten Friedenskonferenz in der Schweiz teilnimmt.

Xi spricht von "neuer Epoche der Turbulenzen und der UmbrĂŒche"

Xi sagte ganz allgemein, dass eine "neue Epoche der Turbulenzen und der UmbrĂŒche" begonnen habe, in der die Risiken fĂŒr die gesamte Menschheit zunĂ€hmen. "Um diese Fragen zu lösen, ist es unabdingbar, dass zwischen den GroßmĂ€chten die Kooperation die Oberhand gewinnt." In diesem Sinne sei eine stabile Zusammenarbeit der großen Volkswirtschaften Deutschland und China wichtig. Sie werde "nicht nur auf dem gesamten eurasischen Kontinent, aber auch auf die ganze Welt großen Einfluss ausĂŒben".

Scholz sprach neben dem Ukraine-Krieg auch den Klimaschutz konkret an und warb fĂŒr eine engere Zusammenarbeit. "Unsere beiden Staaten tragen Verantwortung fĂŒr den Schutz globaler öffentlicher GĂŒter", sagte er. China stĂ¶ĂŸt weltweit mit Abstand am meisten klimaschĂ€dliche Treibhausgase aus.

Scholz machte sich auch fĂŒr ein regelbasiertes Handelssystem stark, wie es von der Welthandelsorganisation WTO verkörpert werde. "Sowohl China als auch Deutschland sind Handelsnationen, die von der WTO stark profitieren. Wir setzen uns dafĂŒr ein, das Regelwerk fĂŒr den globalen Handel zu stĂ€rken und gemeinsam mit den anderen WTO-Mitgliedern weiterzuentwickeln."

Versteckte Mahnung mit Blick auf Taiwan

Scholz hatte bereits vor seinem Abflug nach Peking klare Worte an die chinesische FĂŒhrung gerichtet. Er werde darauf hinweisen, dass Russland einen Eroberungskrieg gegen die Ukraine fĂŒhre, "und genau darauf bestehen, dass niemand mithelfen darf, dass das gelingt", sagte er am Montag in Shanghai.

Eine versteckte Mahnung hatte Scholz auch mit Blick auf Taiwan parat. Es mĂŒsse gewĂ€hrleistet sein, "dass man sich vor seinem Nachbarn nicht fĂŒrchten muss", betonte er in einer Diskussion mit Studenten an der Tongji-UniversitĂ€t. Es gibt BefĂŒrchtungen, dass die mĂ€chtige kommunistische Volksrepublik China die demokratische Inselrepublik Taiwan angreift, die Peking als sein eigenes Territorium ansieht. Die chinesische FĂŒhrung hat mehrfach mit einer Invasion gedroht. Außerdem streitet sie sich mit NachbarlĂ€ndern wie Vietnam, Malaysia oder den Philippinen um große Seegebiete im SĂŒdchinesischen Meer.

Praxistest fĂŒr China-Strategie

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Sommer erstmals eine umfassende China-Strategie beschlossen. Darin wird das von der kommunistischen FĂŒhrung mit harter Hand regierte Land als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale definiert. Kern der Strategie ist es, die wirtschaftliche AbhĂ€ngigkeit von China zu verringern, um ein böses Erwachen wie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bei der Kappung der Gaslieferungen zu vermeiden. Der dreitĂ€gige Besuch ist auch ein Praxistest fĂŒr diese Strategie.

Es ist die zweite China-Reise des Kanzlers seit seiner Vereidigung im Dezember 2021. Sein Antrittsbesuch im November 2022 war wegen der noch anhaltenden Corona-Pandemie nur ein Tagestrip. Diesmal nahm er sich drei Tage Zeit - so viel wie noch nie zuvor fĂŒr ein einziges Land bei einer Reise - und besuchte vor Peking auch die beiden Wirtschaftsmetropolen Chongqing und Shanghai. Das Land mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern ist der grĂ¶ĂŸte Handelspartner Deutschlands.

Ein Dutzend Manager und drei Minister dabei

Scholz wird in Peking von einem Dutzend Top-Managern und von drei Ministern begleitet: Volker Wissing (Verkehr, FDP), Cem Özdemir (Agrar, GrĂŒne) und Steffi Lemke (Umwelt, GrĂŒne). Scholz wollte am Nachmittag auch MinisterprĂ€sident Li Qiang treffen. Anschließend sollten mehrere Abkommen unterzeichnet werden.

@ dpa.de