Angesichts hoher Auslastung zeigen sich die deutschen Schiffsbauer vorsichtig optimistisch.
23.05.2024 - 15:50:00Schiffsbauer fordern von Berlin und EU schiffbaupolitische Trendwende
Um gegen die Konkurrenz aus China eine Trendwende in Deutschland und Europa zu schaffen, sei man jedoch auf strategische Entscheidungen in Berlin und Brüssel angewiesen, sagte der Präsident des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, Harald Fassmer, am Donnerstag in Hamburg. "Wir brauchen eine schiffbaupolitische Trendwende. Maritime Souveränität kann man nicht in China bestellen."
Die Lieferkettenprobleme und der Inflationsdruck der vergangenen Jahre hätten auch 2023 deutliche Spuren in der deutschen Schiffbauindustrie hinterlassen. "Licht am Ende des Tunnels sehen wir jetzt vor allem, weil sich die Abläufe wieder stabilisiert haben und die Lieferketten wieder zuverlässiger waren. Außerdem reflektieren neue Aufträge natürlich das heutige Kostenniveau und stärken die Profitabilität unsrer Unternehmen." Schiffbau sei ein langfristiges Geschäft. Viele Verträge für die im vergangenen Jahr abgelieferten Schiffe hätten noch aus der Vor-Corona-Zeit gestammt.
Zwar sei der Auftragsbestand der deutschen Werften im vergangenen Jahr erneut leicht auf 9,7 Milliarden Euro gesunken. Zugleich sei die Zahl der Ablieferungen zum Vorjahr um sechs Prozent auf 2,6 Milliarden Euro gestiegen; die der Auftragseingänge habe sich 2023 im Vorjahresvergleich auf ebenfalls 2,6 Milliarden Euro sogar verdoppelt. Die Zahlen beziehen sich auf die rund 60 deutschen Werften mit jeweils mehr als 50 Beschäftigten.
Insgesamt waren dort im vergangenen Jahr 16 735 Menschen beschäftigt- 150 mehr als im Jahr zuvor, aber 4000 weniger als noch 2020, wieVSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken sagte. Mit 39 Prozent aller Werftbeschäftigten arbeiten demnach die meisten in niedersächsischen Betrieben, 29 Prozent auf Werften in Schleswig-Holstein, 10 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, 8 Prozent in Bremen und 5 Prozent in Hamburg. 9 Prozent verteilen sich auf Schiffbaubetriebe in anderen Bundesländern.
"Die Nachfrage auf dem Weltmarkt ist jetzt das dritte Jahr in Folge auf recht hohem Niveau gewesen", sagte Lüken. Was zu einer hohen Auslastung auch in der deutschen Zulieferindustrie geführt habe, die sehr stark die Weltmärkte bediene. "Knapp die Hälfte des Umsatzes der deutschen Zulieferindustrie geht über die europäischen Grenzen hinaus."
Generell müsse man sagen, "dass der große Boom der letzten drei Jahre noch weitgehend an Europa vorbeigegangen ist", meinte Lüken. Der europäische Marktanteil bei den Neubauaufträgen liege gerade noch bei 3,8 Prozent. Vor Corona habe man noch nahezu gleichauf mit der Konkurrenz in Asien gelegen. "Das hat sich mit der Pandemie schlagartig verändert."
Besonders deutlich werde das bei den Schiffstypen. Neue Handelsschiffe würden zum allergrößten Teil in China und Südkorea gebaut. Europa liefere fast nur noch Passagierschiffe. "In Zahlen ausgedrückt sind das 85 Prozent unseres Auftragsbuchs", sagte Lüken.
Aus dem globalen Wettbewerb sei nahezu ein chinesisches Monopol geworden. Nur Südkoreas Schiffsbau habe dem noch etwas entgegenzusetzen, aber mit deutlichem Abstand. "Wenn Konkurrenten an den Start gehen mit Preisen, die nicht einmal die Materialkosten decken, und zwar die dortigen Materialkosten - was wollen sie da machen?", fragte er.
Die Corona-Pandemie habe die Anfälligkeit der europäischen Strategie, sich allein auf High-End-Märkte zu beschränken, aufgezeigt, sagte Fassmer. Auch hätten der russische Angriffskrieg und die russisch-chinesische "Partnerschaft ohne Grenzen" die Gefahren von strategischen Abhängigkeiten ins Bewusstsein gebracht.
Eine krisenfeste und nachhaltige maritime Versorgung Europas müsse gewährleistet werden. Dazu brauche es effektive Rahmenbedingungen, die rasch in der EU festlegt und national implementiert werden müssten. Auch sei der Marineschiffbau durch die Krisen viel wichtiger geworden, sagte Lüken. "Das ist auch ein Bereich, den wir weiter ausbauen müssen."