Schwere Regenfälle in Libyen reißen Tausende Menschen in den Tod, ganze Regionen sind von der Außenwelt abgeschnitten.
13.09.2023 - 12:36:48Suche nach Überlebenden in Libyen - Zehntausende obdachlos. Ein Experte warnt vor weiteren dramatischen Folgen des Klimawandels.
Nach den katastrophalen Überschwemmungen in Libyen haben Zehntausende Menschen ihr Zuhause verloren. Alleine in der besonders schwer betroffenen Hafenstadt Darna seien mehr als 30.000 Menschen obdachlos geworden, teilte die Internationalen Organisation für Migration (IOM) auf X, ehemals Twitter, mit. Mehrere Tausend weitere seien in anderen Teilen des Landes betroffen.
Rettungskräfte suchten am Mittwoch weiter nach Toten. Rund 10.000 Menschen gelten als vermisst, nach Angaben der Verwaltung im Osten des Landes kamen mehr als 5000 Menschen ums Leben.
Der Sturm «Daniel», der zuvor auch in Griechenland wütete, hatte am Sonntag das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern erfasst. Nahe der Hafenstadt Darna brachen zwei Dämme, ganze Viertel wurden ins Land gespült. Bilder aus dem Bürgerkriegsland zeigen das Ausmaß der Schäden. Immer mehr Länder bieten ihre Unterstützung an, ebenso die Vereinten Nationen.
Humanitäre Hilfe
Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres in New York sagte, man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, «um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen». Ein UN-Team sei vor Ort. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Neben Darna waren auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen.
Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete - eine Fläche etwa so groß wie Sachsen-Anhalt. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt.
Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) teilte mit, es werde gemeinsam mit anderen Organisationen geprüft, «wie wir unsere Programmarbeit am besten für die von den Überschwemmungen betroffenen Menschen aufstocken können».
Die schweren Unwetter in der Mittelmeerregion lassen sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich dem Klimawandel zuordnen. In der letzten Woche seien Niederschläge gemessen worden, die es so in Europa noch nie gegeben habe, sagte der Kieler Meteorologe Mojib Latif im Bayerischen Rundfunk. «Ich glaube, wir waren viel, viel zu sorglos, was den Klimawandel angeht.» Dies ändere sich gerade. «Klimawandel bedeutet nicht einfach nur höhere Temperaturen, sondern bedeutet vor allem extremeres Wetter, mehr Schadenspotenzial und vor allen Dingen auch eine gigantische Herausforderung.» Man könne sich ein Stück weit anpassen, aber es gebe auch Grenzen: «Bei solchen Wassermassen, was wollen sie (in Libyen) da noch tun?»
Zwei verfeindete Regierungen kämpfen um die Macht
Laut Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist die Katastrophe in dem Land auch mit der politischen Situation verknüpft. «Der Grund für das Ausmaß der Katastrophe ist der Bruch dieser zwei Dämme oberhalb von Darna», sagte Lacher dem ZDF. Jahrelang sei dort nicht ausreichend in die Infrastruktur investiert worden. «Gaddafi hat damals die Stadt dafür bestraft, dass in ihr Aufständische die Waffen ergriffen hatten», sagte Lacher. Zwar sei in den letzten Jahren immer etwas Geld geflossen, «aber das ging unter anderem in die Taschen von Milizenführern und Kriegsprofiteuren».
Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen - eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen - um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bislang. Zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.
Unterdessen hat das nordafrikanische Land seine Öl-Exporte wieder aufgenommen. Die staatliche Ölgesellschaft (NOC) berichtete am Mittwoch ein Produktionsvolumen von rund 1,2 Millionen Barrel pro Tag. Die Exporte waren in dem ölreichen Land am Sonntag unterbrochen worden, nachdem der Sturm «Daniel» das Land getroffen hatte.