Libyen, Unwetter

Nach den Überschwemmungen in Libyen laufen die Rettungseinsätze.

16.09.2023 - 10:53:14

Opferzahlen in Libyen noch unklar. Doch es mangelt an Koordinierung, Helfer sprechen von chaotischen Zuständen. Nun wird auch verschmutztes Brunnenwasser zur Gefahr.

Angesichts der weiter katastrophalen Lage in den Überschwemmungsgebieten in Libyen ist die Gesamtzahl der Todesopfer auch nach Tagen noch ungewiss. Die Regierung im besonders betroffenen Osten des faktisch zweigeteilten Bürgerkriegslandes gibt die Zahl der offiziell registrierten Todesfälle in der Region derzeit mit 3166 an.

In den vergangenen Tagen hatte es widersprüchliche Angaben zur Zahl der Todesopfer gegeben, die zwischen rund 5000 und 11.000 schwankten. Angesichts dieses Wirrwarrs erhob der Gesundheitsminister der Regierung im Osten, Othman Abdel Jalil, den Anspruch, dass fortan nur Zahlen seines Hauses Gültigkeit hätten.

«Das Gesundheitsministerium ist für die Daten verantwortlich, und alle Zahlen müssen von diesem Ministerium übernommen werden», sagte Abdul Jalil auf einer Pressekonferenz am Freitag. Die Zahl von 3166 Toten mit Stand vom Freitagnachmittag werde aber wahrscheinlich noch steigen.

Zuvor hatte der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Libyen, Baschir Omar, der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass es angesichts der weiterhin unübersichtlichen Lage noch zu früh sei, um verlässliche Angaben zur Gesamtzahl der Toten zu machen. «Die Katastrophe spielt sich immer noch ab. Die Rettungseinsätze laufen. Deshalb können wir die endgültige Zahl der Todesopfer oder Verletzten nicht vorhersagen.»

Das Internationale Rote Kreuz schickte derweil 5000 Leichensäcke nach Benghazi. Der Bürgermeister der von den Überschwemmungen teils zerstörten Hafenstadt Darna, Abdel-Moneim al-Gheithy, hatte dem arabischen Sender Al-Arabija gesagt, dass es ausgehend von den zerstörten Bezirken der Stadt «18.000 bis 20.000 Tote» geben könne.

Libyen ist faktisch zweigeteilt. An der Spitze der Regierung im Osten, wo der Sturm «Daniel» besonders großen Schaden angerichtet hat, sitzt Ministerpräsident Osama Hammad. Dieser wird aber international nicht als Regierungschef anerkannt. Zudem haben im Osten der General Chalifa Haftar und seine selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) großen Einfluss. In Tripolis im Westen sitzt Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba. Auch ausländische Staaten wie die Türkei, Russland und Ägypten mischen in dem Konflikt mit.

Sorge vor möglichem Cholera-Ausbruch

Nach den Überschwemmungen geht in dem Bürgerkriegsland die Sorge vor einem möglichen Ausbruch der Magen-Darm-Krankheit Cholera um. Internationale Helfer sprechen von einer «katastrophalen humanitären Lage» und chaotischen Zuständen in der teils zerstörten Stadt Darna im Osten des nordafrikanischen Landes.

«Es ist dringend eine Koordination der Hilfe nötig», berichtete die Organisation Ärzte ohne Grenzen am Freitagabend. Ihr erstes Nothilfeteam ist seit Donnerstag vor Ort. Die Überlebenden benötigten jetzt vorrangig Unterkünfte, Nahrung und medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und Mangel an sauberem Wasser, erklärte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf.

Das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes warnte laut der Zeitung «Arab News», in Darna gebe es Grundwasser, das mit Leichen, Tierkadavern, Müll und chemischen Substanzen verschmutzt sei. «Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern», wurde Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi zitiert.

Lage ist unübersichtlich

In Darna seien bereits Dutzende Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt, sagte der Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung der Nachrichtenseite «Al-Wasat» am Freitag. Die 55 Kinder stammten aus Familien, die durch die zerstörerischen Wassermassen vertrieben wurden, hieß es. In der Küstenstadt habe sich Trinkwasser mit Abwasser gemischt. «Nach einer solchen Katastrophe machen wir uns wirklich Sorgen über Krankheiten, die sich über kontaminiertes Trinkwasser ausbreiten», sagte die Koordinatorin für medizinische Einsätze bei Ärzte ohne Grenzen, Manoelle Carton. Das Ausmaß des Problems sei noch schwer abzuschätzen.

@ dpa.de