Gewalt, Rangeleien und renitente Gäste setzen den Beschäftigten der Berliner Schwimmbäder zu.
12.07.2023 - 14:20:41Berlin sucht nach Lösungen für Freibäder. Der Krankenstand ist hoch. Öffnungszeiten werden reduziert, das Columbiabad bleibt dicht.
Die derzeitige Schließung des bekannten Berliner Columbiabads nach einer Auseinandersetzung hat erneut eine Diskussion über die Sicherheit in Freibädern ausgelöst. Zusätzlichen Zündstoff lieferte ein Brief der Belegschaft von Mitte Juni, der an die Öffentlichkeit gelangte. Darin werde «auf das untragbare Ausmaß der Umstände» aufmerksam gemacht, heißt es in einem Bericht des «Tagesspiegels». Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich für Polizeipräsenz aus.
Der Rechtsstaat müsse gerade in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte sie am Mittwoch in Berlin. «Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen.»
Mobile Wache vor dem Prinzenbad
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) holte unterdessen Polizei, Bäderbetriebe und Sozialvereine am Dienstagabend an einen Tisch, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die Senatorin machte dabei deutlich, dass sie von den Bäder-Betrieben erwartet, dass diese die Situation in den Griff bekommen. «Die Berliner Bäder-Betriebe müssen für die Sicherheit in ihren Anlagen Sorge tragen und den Menschen, die Erholung suchen, offenstehen», betonte Spranger. In ihrem Haus sei eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die bestehende Maßnahmen auswerten und weitere Aspekte beleuchten solle. Dabei gehe es auch um Themen wie eine Beschränkung von Badegästen.
Die Berliner Polizei war am Mittwoch zum Ferienstart mit einer mobilen Wache vor dem Prinzenbad in Friedrichshain-Kreuzberg präsent. Die Polizei hatte bereits angekündigt, während des Sommers vor ausgewählten Bädern auf diese Art immer wieder sichtbar und ansprechbar zu sein. Mit Blick auf die derzeitige Schließung des nur wenige Kilometer entfernten Columbiabads war der Einsatzort der mobilen Wache der Direktion 5 am Mittwoch kurzerhand vor das Prinzenbad verlegt worden, wie die dpa erfuhr.
Von den Bäder-Betrieben hieß es, das Columbiabad bleibe vermutlich die gesamte Woche zu, es werde von Tag zu Tag neu entschieden. Das Freibad war wegen des hohen Krankenstands der Mitarbeiter geschlossen worden. Das Unternehmen bemühte sich, das Bad so schnell wie möglich wieder zu öffnen, hieß es.
«Eklatante Unterbesetzung des Personals»
Der Chef der Bäderbetriebe, Johannes Kleinsorg, hatte sich bereits besorgt gezeigt: «Die Menge der Vorfälle und das Verhalten einiger Badegäste stellen für unsere sehr engagierten Mitarbeitenden in den Bädern in der Summe eine extreme Belastung dar. Das ist auf Dauer so nicht tragbar.» Zu den Vorwürfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Columbiabads lag am Mittwoch zunächst keine Stellungnahme vor.
Nach dem Bericht des «Tagesspiegels» hatten diese sich bereits Mitte Juni in einem Brief an die Führung des Unternehmens gewandt. Die Hausordnung werde täglich «vorsätzlich missachtet», heißt es darin laut Zeitung. Mitarbeitern, Frauen, Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen werde immer häufiger Gewalt angedroht. «Verbale Attacken, das Spucken oder Pöbeln» seien üblich. Personal werde «bewusst psychisch terrorisiert».
Das Sicherheitspersonal sei überfordert und nicht in der Lage, Hausverbote durchzusetzen oder Straftaten anzuzeigen. Die Bediensteten schreiben demnach von einer «eklatanten Unterbesetzung des Personals». Sie fordern unter anderem in der Hauptzeit Zugang und Tageskarten nur für Familien mit Kindern, ständig Polizei vor Ort, nur Online-Tickets und namentlichen Einlass.
Einen begrenzten Zugang hält auch die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) für ein Mittel, um der Situation zu begegnen. Mehr Polizisten in den Schwimmbädern erteilte GdP-Sprecher Benjamin Jendro eine Absage: «Es ist immer leicht, Polizeipräsenz zu fordern. Das ist bei Straftaten auch vollkommen in Ordnung. Aber Polizisten sind keine Bademeister.» Es müssten professionelle Sicherheitsdienste angestellt werden. Die Bäder-Betriebe geben nach eigenen Angaben bislang rund 1,5 Millionen Euro für private Sicherheitsfirmen aus.
Das Columbiabad in Berlin-Neukölln war am frühen Sonntagabend zum wiederholten Mal frühzeitig geschlossen und geräumt worden. Grund sei eine Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Beschäftigten des Bades und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gewesen, hieß es dazu vom Bäderbetreiber.
Neukölln gilt in Teilen als sozialer Brennpunktkiez
Der Berliner Sozialarbeiter Kazim Erdogan plädierte dafür, auf die Eltern von auffälligen Jugendlichen zuzugehen. «Ich bin mir sicher, wenn ich zu den Familien dieser jungen Menschen gehen würde und das darstelle, was sich abgespielt hat, dann werden 90 Prozent der Familien sagen, wir haben davon nichts gewusst», sagte Erdogan, Vorstand des sozialen Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. «Ja, die Behörden könnten härter durchgreifen, aber alleine mit härteren Strafen und Strafmaßnahmen ist keine Schule zu machen», betonte Erdogan.
Das Columbiabad ist überregional bekannt, weil es dort öfter Randale und Probleme mit Jugendlichen gibt. Der Bezirk Neukölln gilt in Teilen nach wie vor als sozialer Brennpunktkiez, viele Menschen mit ausländischen Wurzeln leben dort. 2006 sorgte ein Brandbrief von Lehrkräften an der Rütli-Schule bundesweit für Schlagzeilen - für die Schule wurde danach viel getan.