Die Theaterregisseurin Jette Steckel kann sich nicht vorstellen, dass die Bühne ein wirksames Mittel in der aktuellen Wertediskussion ist – etwa um den Klimawandel oder den aufkommenden Extremismus zu bekämpfen.
29.01.2020 - 14:37:41Theaterregisseurin Jette Steckel glaubt kaum an die Wirkung des Theaters
Jette Steckel äußerte sich gegenüber der „Zeit“ (Ausgabe für Hamburg) zu den von ihr vermuteten Möglichkeiten des Theaters. Die Regisseurin sagte, dass sie an eine große Wirkung der Bühne nicht mehr glaube. Das habe sie resignieren lassen, sie sei aber nicht desillusioniert. Möglicherweise sei sie selbst zu alt und glaube daher nicht mehr daran, etwas verändern zu können. Dieser Gedanke ist vergleichsweise pessimistisch, denn Jette Steckel ist noch jung. Sie wurde erst 1982 in Berlin geboren. Ab 2003 hatte sie Regie an der Theaterakademie Hamburg studiert, danach wurde sie Gasthörerin an der Moskauer GITIS (Russische Theaterakademie). Es folgten Engagements in Deutschland und schon 2006 der „Eysoldt-Preis“, der an junge Regisseure verliehen wird. Die Zeitschrift „theater heute“ wählte sie 2007 zur Nachwuchsregisseurin des Jahres, 2008 würde sie für den Theaterpreis „Nestroy“ nominiert, den Österreich für den besten Nachwuchs vergibt. 2011 erhielt sie den Rolf-Mares-Preis für eine herausragende Inszenierung. Sie war fortan in Basel und Hamburg tätig, 2015 erhielt sie den Theaterpreis „Der Faust“, 2017 nochmals den Rolf-Mares-Preis. Gegenwärtig ist sie die Hausregisseurin am Hamburger Thalia Theater, außerdem inszeniert sie in Wien, Berlin und Köln.
Der „Zeit“ sagte Jette Steckel, dass sie natürlich nach wie vor an das Theater glaube. Sie könne nicht anders leben und betrachte das Theater vor allem als Lebenshilfe für diejenigen Menschen, die sich mit Unveränderbarem nicht abfinden wollen, selbst wenn sie ihm ohnmächtig gegenüberstehen. Dennoch sei ihr Blick in die Zukunft eher pessimistisch. Möglicherweise schaffe sich die Menschheit eines Tages selbst ab. Der eigentlich unerträgliche Gedanke sei nur mit einer kleinen Gesinnungsgenossenschaft im Umfeld zu ertragen, die sie als Regisseurin immerhin beeinflussen könne. Die globalen Entwicklungen seien jedoch momentan so massiv, dass ihre Arbeit am Theater dem wohl nichts entgegensetzen könne. Steckel ist inzwischen seit 15 Jahren am Thalia Theater, zuletzt inszenierte sie Shakespeares „Hamlet“. Dieser sei wie ein Schwamm, so die Regisseurin, sowohl das Stück als auch die Figur des Hamlet seien in der Lage, jede Epoche und jeden Zeitgeist aufzusaugen, ohne dass der eigentliche Inhalt Schaden nehmen könne. Daher ist es laut Steckel möglich, den Klassiker auf verschiedenste Weise zu interpretieren. Die Übersetzung der gegenwärtigen Hamburger Inszenierung stammt übrigens von Steckels Vater, einem Regisseur und Übersetzer. Jette Steckel kennt die Figur daher seit 25 Jahren und ist seither von ihr fasziniert. Sie betrachtet sie als Leitfigur. Die Shakespeare-Affinität ihres Vaters trägt sie nun in ihre eigenen Inszenierungen.