Kultur, Stühle im Flur einer Schule

Buchautorin Boie übt Kritik am deutschen Schulsystem.

11.03.2020 - 17:10:04

Die Jugendbuchautorin Kirsten Boie äußert scharfe Kritik am Schulsystem in Deutschland.

Sie empfinde es als unerträglich, sagte die Literaturwissenschaftlerin und Jugendbuchautorin Kirsten Boie im Gespräch mit der Wochenzeitung „Zeit“, dass in Deutschland derzeit 20 Prozent aller Fünfzehnjährigen über eine für das Textverständnis zu geringe Lesefähigkeit verfüge. Die Folgen dieser Mängel seien für die Gesellschaft geradezu katastrophal.

Das deutsche Bildungssystem, so beklagt Boie, produziere viele Bildungsverlierer. Darum jedoch kümmerten sich politisch Verantwortliche viel zu wenig, obwohl es doch so offensichtlich, ja geradezu banal sei, dass jedes Kind in seiner Schulzeit das Lesen erlernen sollte, unabhängig davon, aus welchem Elternhaus es stamme. Damit das Erreichen der Lesefähigkeit in der Schule wieder zu einer Selbstverständlichkeit werde, müssten Lehrer jegliche benötigte Hilfe erhalten, fordert Boie.

Die Schriftstellerin gab auch ihre eigenen Erfahrungen aus der Zeit wieder, als sie als Lehrerin an einer Pilot-Gesamtschule in Hamburg tätig war. Anfangs, so berichtete die Autorin vieler Jugend- und Kinderbücher, sei sie mit ihren Schülern kaum zurechtgekommen. Bis zu ihrer Lehrtätigkeit an der Gesamtschule habe sie allerdings auch über keine Kenntnisse darüber verfügt, wie unterschiedlich die Bedingungen seien, unter denen Kinder groß werden und welch' gewaltige Ungleichheiten innerhalb unserer Gesellschaft existierten.

Kirsten Boie, die die Ehrenbürgerschaft Hamburgs besitzt, blickt mit Neid auf die heute aufwachsenden Kinder, die nach Beobachtung der Autorin in viel stärkerem Ausmaß zu Selbstbewusstsein erzogen und zudem ernst genommen würden. Die heutige Kindergeneration wachse in dem Selbstverständnis auf, über gewisse Rechte zu verfügen und in der Gesellschaft mitbestimmen zu dürfen. Es könne sein, räumte Boie ein, dass von Kindern wahrgenommene Spielräume in einigen Familien überhand genommen hätten, aber ihrer eigenen Generation habe die Erfahrung von Mitbestimmungsrechten weitestgehend gefehlt. Wir, meinte die Autorin, hatten still bei Tisch zu sitzen. Unsere Meinung wurde damals fast nie erfragt, stellte Boie gegenüber der „Zeit“ fest.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A. Camus

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