Abgeschnittene Orte, Lebensmittel per Hubschrauber: Slowenien kämpft mit den Folgen heftiger Unwetter.
06.08.2023 - 04:17:53Gebrochener Staudamm in Slowenien: Gefahr auch bei Nachbarn. Zwei Drittel des Landes sind betroffen. In Österreich werden Hangrutsche befürchtet.
Im seit zwei Tagen von schweren Überschwemmungen heimgesuchten Slowenien ist es gestern Abend zu neuen Notfällen gekommen. Im Osten des Landes brach ein Damm zum Schutz vor Hochwasser am Fluss Mur. Rund 500 Menschen mussten eilig aus dem Dorf Dolnja Bistrica in Sicherheit gebracht werden, berichtete das staatliche Fernsehen RTV Slovenija. Auch in Österreich und Kroatien werden weitere Überschwemmungen befürchtet.
Weitere neun Ortschaften seien wegen des Dammbruchs an der Mur gefährdet, sagte der Kommandant des Katastrophenschutzes, Srecko Sestan. Man versuche nun, per Hubschrauber das mehrere Meter breite Loch am Damm mit Betonblöcken abzudichten. Nach Angaben von Hydrologen steigt der Pegel der Mur an ihrem österreichischen Oberlauf bei Graz.
Erdrutsch befürchtet
Unterdessen dauerten in anderen Landesteilen Sloweniens die Rettungs- und Aufräumarbeiten an. Wegen eines befürchteten Erdrutschs in Crna na Koroskem nahe der österreichischen Grenze würden Bewohner in mehreren Orten am Fluss Meza vorsichtshalber in Sicherheit gebracht, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA am Samstagabend.
Mehrere Dörfer waren seit Freitag von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bewohner wurden teils per Hubschrauber mit Trinkwasser und Lebensmitteln versorgt, teils versuchten Soldaten, zu Fuß in diese Orte zu gelangen. In der Gemeinde Ljubno ob Savinji an der österreichischen Grenze rissen Erdrutsche vier Häuser weg. An anderen Orten stürzten Brücken ein, Straßen und Bahnschienen standen unter Wasser.
Der Katastrophenschutz meldete am Samstag innerhalb von 36 Stunden landesweit mehr als 3700 Einsätze. Menschen wurden gerettet, die sich auf Bäumen oder Hausdächern in Sicherheit gebracht hatten. Die Regierung schätze den Gesamtschaden auf voraussichtlich mehr als 500 Millionen Euro.
Krisenhilfe aus der EU
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte Slowenien Hilfe zu. Die Schäden in dem Adria-Land seien «herzzerreißend», twitterte sie.
Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, beriet mit der Regierung in Ljubljana. Er nannte die drei wichtigsten EU-Fonds, bei denen Slowenien Hilfen beantragen könne: den europäischen Mechanismus zum Katastrophenschutz, den Europäischen Solidaritätsfonds sowie die europäische Krisenreserve für die Landwirtschaft.
Nach Angaben von Ministerpräsident Robert Golob sind zwei Drittel des Landes vom Hochwasser betroffen. Es seien die größten Schäden einer Naturkatastrophe seit mehr als drei Jahrzehnten im Adria-Land. Mindestens vier Menschen starben. Die Polizei prüfte, ob es einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen und dem Unwetter gab.
Sorge in Österreich und Kroatien
In Österreich folgen auf den Starkregen drohende Hangrutsche und ein hoher Grundwasserspiegel: Im Süden gibt es noch keine Entspannung. Zwar hat der Regen in den betroffenen Gebieten im Süden des Landes seit Samstag deutlich nachgelassen. Es drohten nun aber mehrere völlig aufgeweichte Hänge abzurutschen, wie die Feuerwehr berichtete. Sie müsse zudem immer wieder ausrücken, um vollgelaufene Keller auszupumpen, sagte der Sprecher der Feuerwehr im Bundesland Kärnten, Hans-Jörg Rossbacher, im Radio ORF.
Wegen der drohenden Rutschungen wurden in Kärnten aus Vorsicht mindestens 40 Häuser und Wohnungen geräumt. Die Menschen kamen bei anderen oder in Notunterkünften unter. Auch das benachbarte Bundesland Steiermark, wie Kärnten an der Grenze zu Slowenien, war betroffen. Dort sanken die Pegel der meisten Flüsse und Bäche, mit Ausnahme der Mur, die durch Graz Richtung Slowenien fließt.
Das südliche Nachbarland Kroatien blieb entgegen ersten Befürchtungen von größeren Überschwemmungen bewohnter Gebiete bis gestern Abend zunächst verschont. Eine klare Entwarnung gab es allerdings nicht. Wegen der erwarteten Flutwelle auf den Flüssen aus dem nördlichen Nachbarland Slowenien hatten Kroatiens Behörden mit Deichen aus Sandsäcken und stellenweiser Ableitung von Flusswasser vorgesorgt.