Erlebnisse, Großeltern

München - Über drei Jahre dauert der Krieg mit der Ukraine inzwischen.

13.03.2025 - 10:10:00

Wie traumatische Erlebnisse von Eltern oder Großeltern das eigene Leben belasten / Betroffene können transgenerationale Traumata mit Therapieangeboten und konstruktiver Auseinandersetzung bewältigen. Mittlerweile ist es klinisch gesichert, dass traumatische Erlebnisse und Phasen an die Kinder- und Enkelgeneration weitergegeben werden können. Neben Krieg können auch aufgrund von Hunger, Verfolgung, Vertreibung oder Missbrauch erlittene Traumata der Eltern- oder Großelterngeneration schwere psychische Folgen für Kinder und Enkel haben. Auch andere aktuelle Konflikte wie im Nahen Osten, Afrika oder auch im Balkan produzieren und tradieren quasi traumatische Ereignisse. In Deutschland erleiden auch heute noch die Kinder und (Ur)-Enkel der Kriegsgeneration deutlich schneller Stress. Dadurch haben sie ein erhöhtes Risiko, psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Therapeutische Aufarbeitung oder begleitete familiäre Gespräche sowie Rollenspiele helfen, diese Entwicklung zu durchbrechen sowie zu verändern und so zu guter Letzt für mehr Lebensqualität zu sorgen.

Forschungsansätze zur Weitergabe von Traumata

So genannte "vererbte Traumata" werden in einer komplexen Wechselwirkung von Faktoren weitergegeben. Dazu gehören neben biologischen auch psychologische sowie soziale Faktoren. In der Erforschung werden Epigenetik, psychoanalytische, bindungstheoretische und sozialisationstheoretische Ansätze sowie Modelle zur Familienkommunikation genutzt.

In der epigenetischen Forschung wird untersucht, wie Umwelteinflüsse - beispielsweise längere Hungerphasen, Medikamente, Drogen oder auch psychische Einflüsse - die Gene verändern können, so dass diese quasi "an- oder abgeschaltet" werden. Es werden also bestimmte genetische Informationen abgelesen oder auch nicht. Diese Veränderungen können an die Nachkommen weitergegeben werden. Eine erhöhte Sensibilität auf Bedrohungen und geringere Stressresilienz können die Folge sein.

Ein Beispiel: Tina erlebt in ihren Träumen oder auch im Alltag immer wieder Bilder von Gewalt, Verletzten und zerstörten Gebäuden. Obwohl sie versucht, diese zu verdrängen, kehren sie immer wieder. Ihr Gefühl sagt, dass dies nicht ihre Erfahrungen sind. Sie sucht sich einen Psychotherapeuten, um damit umzugehen. Im Gespräch mit ihren Eltern findet sie heraus, dass ihr Vater sehr jung in den Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde. Er war im Sanitätsdienst und erlebte Furchtbares. Diese in der Familie zuvor nicht erwähnten Erlebnisse und seelische Verletzungen wurden an die Tochter weitergegeben, die mithilfe einer Therapie nun einen Weg aus den "geerbten" belastenden Eindrücken finden kann. *

Erkenntnisse zu Stress im Zusammenhang mit Traumata

Ein Trauma hat auch Auswirkungen auf die Botenstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn und die Aktivität in verschiedenen Gehirnregionen. Der vom Trauma ausgelöste starke Stress führt zunächst zu erhöhten Werten des Stresshormons Cortisol. Bei länger anhaltendem Stress sind die Cortisolwerte dagegen erniedrigt. Diese bringen ein erhöhtes Risiko für eine Posttraumatische Belastungsstörung mit.

Kinder von Eltern mit einer Posttraumatischen Belastungsstörungen weisen ähnliche epigenetische Veränderungen auf. Diese sind in Genen, die mit Angst und der Reaktion auf Stress zusammenhängen, insbesondere dem FKBP5-Gen, abzulesen. Weitere Untersuchungen legen nahe, dass Veränderungen in diesen Genen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für psychische Erkrankungen, etwa einer Posttraumatischen Belastungsstörung zusammenhängen.

Positive Umkehr ist möglich

Wenn Eltern sich liebevoll sowie einfühlsam verhalten und auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen, tragen sie zu günstigen epigenetischen Veränderungen bei. Die Traumalast verringert sich durch neue genetisch übertragene positive Erfahrungswerte. Studien zeigen, dass die Auseinandersetzung mit den traumatischen Erlebnissen der Eltern für manche Nachkommen auch positiv sein kann: Sie kann dazu führen, dass sie diese Erlebnisse mit der Zeit als wertvolle Erfahrung in der Familiengeschichte und als wichtigen, sinnstiftenden Bestandteil ihres eigenen Lebens sehen.

Es ist also falsch, nicht über traumatische Ereignisse zu sprechen. Das Verdrängen von Traumata oder die Schutzmechanismen von Betroffenen für sich selbst oder ihre eigenen Kinder oder Enkel sind kontraproduktiv. "Ach Kind, das ist schon so lange her, das waren halt schlechte Zeiten" hilft nicht für die Aufarbeitung. Manche Menschen, wie Opfer von sexuellem oder geistlichem Missbrauch, schämen sich für die Geschehnisse und haben Schuldgefühle. Oft werden körperliche oder sexuelle Gewalt in der Familie oder nach wie vor in der Gesellschaft auch tabuisiert. Es besteht immer noch die Angst, dass die Opfer stigmatisiert werden, wenn sie von ihren Erlebnissen berichten.

Diagnostik und Therapieformen

In der Diagnostik werden die Therapeuten mit den Betroffenen die eigene Familiengeschichte ansehen. Selbst wenn dort keine definitiven Ereignisse zu berichten sind, kann allein schon das Miterleben eines Kriegs, einer Flucht oder einer Hungersnot sich auf die kommenden Generationen vererben. Da es in der Internationalen und Statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD) bisher keine Diagnose "transgenerationale Traumatisierung" gibt, wird die Therapeutin oder der Therapeut eine Diagnose stellen, die zu den berichteten Symptomen passt: eine Angststörung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung.

Je nach Fall und Persönlichkeit bieten sich Familientherapie (auch Familienaufstellungen) an. Hilfreich ist die Arbeit am Familienstammbaum, mit der man Linien des Leids nachverfolgen kann. Gern wird auf das Angebot von Psychodrama zurückgegriffen. Auch gilt die kognitive Verhaltenstherapie als erprobt. Die lösende Therapie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing, zu Deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) ist ebenfalls hilfreich. Die Psychotherapeutin Katharina Drexler hat Handlungen entwickelt, mit der Betroffene ihre erkannten und aufgearbeiteten Belastungen in einen Tresor verschließen können, oder ein Paket an die imaginäre Auslöserperson zurückgeben können. Dies ermöglicht ein Sich-Abtrennen von den übertragenen Ereignissen der vorigen Generation(en). Wie immer bieten sich auch Selbsthilfegruppen an, wenn es für die Klientin oder den Klienten wohltuend ist, in Gruppen über Probleme zu sprechen.

Ziel aller Therapien ist die Aufarbeitung der auslösenden Symptome und Belastungen, damit die Klient:innen wieder ein eigenständiges, nach vorne gewandtes Leben führen können. Auch soll die Beziehungsfähigkeit gestärkt werden. Damit wird insgesamt die Lebensqualität deutlich gesteigert.

* Quelle: Fallbeispiel angelehnt an Radio-Sendung von Deutschlandfunk Kultur, "Transgenerationale Traumatisierung. Aus Wunden werden Narben".

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