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Ministerpräsident Ramelow bedauert Mittelfingergeste im Landtag

02.08.2020 - 14:28:23

Bodo Ramelow, der Thüringer Ministerpräsident, bereut es, einem Abgeordneten der AfD im Thüringer Landtag den ausgestreckten Mittelfinger entgegengehalten zu haben.

Ramelow erklärte gegenüber der Zeitung "Die Welt", natürlich habe ihm "das nicht passieren dürfen". Es sei besser gewesen, so der Ministerpräsident, wenn er auf seine innere Stimme "gehört und den Plenarsaal verlassen hätte". Bei seiner Reaktion habe es sich um einen "Ausdruck von politischer Hilflosigkeit" gehandelt. "Das gehört sich nicht für einen Ministerpräsidenten", gestand Ramelow nun ein.

In der Debatte im Thüringer Parlament war die rechtsextreme Terrorzelle NSU das Thema gewesen. Der Abgeordnete Stefan Möller von der Fraktion der AfD habe damals versucht, ihn bezüglich der Frage der Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz "quasi zum Kronzeugen zu machen", weil auch er, Ramelow selbst, einmal vom Verfassungsschutz beobachtet worden sei. Möller habe mit dem Finger auf ihn gedeutet, und er habe ihm daraufhin "reflexartig mit dem Mittelfinger" geantwortet, denn der Vergleich sei "unverschämt" gewesen, erläuterte Ramelow seine damalige Reaktion. Die Kritik an seinem damaligen Verhalten akzeptiere er, sagte er weiter, er bitte aber auch darum, "nicht nur über Ästhetik zu sprechen", wenn über politischen Anstand geredet werde.

Der Ministerpräsident rief in Erinnerung, dass auch er selbst in den 90er-Jahren vom NSU ausgekundschaftet wurde. Die Terrorgruppe habe ihn "intensiv beobachtet", als er an einem Prozess gegen einen Rechtsextremisten beteiligt gewesen sei. Sie hätten ihn bis zu seinem Haus verfolgt. In einem Büro sei Feuer gelegt worden, die Bremsen des Autos eines seiner Mitarbeiter seien manipuliert worden, und es habe auch einen versuchten Einbruch in eine Wohnung gegeben. "All das hat mir große Angst gemacht damals", erinnerte sich der Linken-Politiker an die damaligen Vorgänge. Damals sei er "zeitweise panisch" gewesen. Selbstverständlich kämen "diese traumatischen Erinnerungen" mitunter zurück, wenn heutzutage vom Nationalsozialistischen Untergrund die Rede sei. "Das lief als innerer Film bei mir ab, als Möller seine Rede... hielt", erklärte Ramelow und betonte gleichzeitig, er sei mittlerweile nicht mehr dazu bereit, sich von Rechtsextremen Angst machen zu lassen. "Auch nicht von denen, die im Thüringer Parlament sitzen", betonte er. In dieser Hinsicht habe seine Reaktion auf Möller auch geradezu "etwas Befreiendes" für ihn gehabt, auch wenn das Handzeichen selbst nicht angemessen gewesen sei.

Die Phase nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens am 5. Februar 2020, die mit Unterstützung der AfD-Abgeordneten erfolgte, habe Ramelow als eine "Ohnmachtserfahrung" erlebt. Dass sich ein Angehöriger "der politischen Mitte" auch mit den Stimmen "einer Fraktion, die von einem Faschisten geführt" werde, wählen lassen würde, habe er sich bis dahin nicht vorstellen können. Mit dem Beginn der Corona-Krise sei diese Zeit für ihn aber "wie hinter einer Nebelwand verschwunden". Er habe seitdem keine Zeit mehr dazu gehabt, sich damit noch intensiv weiter zu beschäftigen. Er habe unmittelbar "ins Krisenmanagement wechseln" müssen, erklärte der Thüringer Ministerpräsident der "Welt".

 

Redaktion ad-hoc-news.de, RSM

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