Polizeimeldungen, BKA-Fahndungsfotos von Jan Marsalek

Wirecard-Skandal: ehemaliger Vorstand Marsalek wird Veruntreuung von 505 Millionen Euro vorgeworfen

22.01.2021 - 10:25:45

Der mittlerweile untergetauchte ehemalige Wirecard-Spitzenmanager Jan Marsalek und seine Vertrauten sollen gemeinsam über eine halbe Milliarde Euro veruntreut haben.

Wie die Süddeutsche Zeitung, der NDR, der WDR und das in Österreich erscheinende Nachrichtenmagazin Profil berichten, heißt es in einem europäischen Haftbefehl, den das Münchner Amtsgericht gegen Marsalek ausgestellt hat, der ehemalige Wirecard-Vorstand und seine mutmaßlichen Komplizen im Unternehmen hätten zwischen 2018 und 2020 insgesamt 505 Millionen Euro aus dem Konzern "ausgeleitet", also praktisch beiseitegesschafft. Dies sei mithilfe von Krediten für Unternehmen in Asien erfolgt, die diese für Geschäfte erhalten hätten, die es aber gar nicht gegeben habe. Bei einer Gelegenheit, so ein Vorwurf, habe Marsalek 35 Millionen Euro "für eigene Zwecke" umgeleitet. Auf Nachfrage wollten die Anwälte Marsaleks keine Stellungnahme abgeben.

Die Justizbehörden werfen dem ehemaligen Vorstandsmitglied des 1999 gegründeten und mittlerweile insolventen Aschheimer Finanzdienstleisters Wirecard vor, zwischen 2015 und 2020 insgesamt mindestens 15 Straftaten begangen zu haben. Konkret handelt es sich hierbei um vier Fälle von Bilanzfälschung und Manipulation des Aktienkurses des Unternehmens, mindestens fünf Fälle von besonders schwerwiegender Veruntreuung des Vermögens von Wirecard sowie mindestens sechs Fälle von gewerbsmäßigem Bandenbetrug.

Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, hatte Jan Marsalek sich innerhalb der Wirecard AG gewissermaßen sein eigenes, kleines Imperium mit weniger als zehn sehr engen Vertrauten aufgebaut. Die verschworene Gemeinschaft betrieb im großen Stil frei erfundene Geschäfte mit in Asien ansässigen Partnerfirmen, sogenannten Drittpartnern. Hierdurch wurden die Bilanzen von Wirecard künstlich aufgebläht. Neben der Veruntreuung von Konzernvermögen lauten die weiteren Hauptvorwürfe gegen den Österreicher auf Bilanzfälschung in Milliardenhöhe und ebenfalls millardenschweren Betrug von Geldgebern, im Wesentlichen der Hausbanken von Wirecard.

Wie unverfroren Marsalek bei seinen Geschäften vorgegangen sein soll, zeigt beispielhaft ein Vorgang aus dem März 2020. Gegen Ende des Monats soll Wirecard einem Unternehmen in Singapur einen zusätzlichen Kredit über jetzt insgesamt 100 Millionen Euro eingeräumt haben. So weit die Ermittler bis jetzt feststellen konnten, leitete die Firma anschließend einen Teil dieses Geldes an ein Unternehmen in Litauen weiter. Dieses Unternehmen überwies seinerseits 35 Millionen Euro hiervon an eine Holdinggesellschaft, die den Betrag wiederum direkt an Marsalek gezahlt haben soll. Der soll mit dem Geld einen Privatkredit, den ihm der damalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, gewährt hatte, größtenteils zurückgezahlt haben. Die fraglichen 35 Millionen Euro werden auch im Haftbefehl gegen Marsalek aufgeführt, und zwar unter dem Punkt "Für eigene Zwecke des Beschuldigten".

Sollten die Ermittlungen der Behörden zutreffend sein, dann hat sich Marsalek, kurz bevor die Scheingeschäfte bei Wirecard aufflogen und der Konzern in der Folge Insolvenz anmelden musste, noch 35 Millionen Euro aus dem Unternehmensvermögen zugeschanzt. Der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende Braun, der 2020 wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug und Fälschung der Geschäftsbilanzen von Wirecard festgenommen worden war, will von alldem nichts bemerkt haben.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A-1010413

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