Wie umgehen mit der AfD? Diese Frage beschäftigt die deutsche Politik wohl mehr denn je.
17.01.2024 - 05:29:58Habeck: AfD geht es um «Angriff auf das Wesen der Republik». Vizekanzler Habeck findet deutliche Worte.
Eine Woche nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam reißt die Debatte über den Umgang mit der AfD nicht ab. Vizekanzler Robert Habeck warnte eindringlich vor der rechten Partei.
«Es geht den Rechtsautoritären um einen Angriff auf das Wesen der Republik», sagte der Grünen-Politiker dem Magazin «Stern». «Sie wollen aus Deutschland einen Staat wie Russland machen.» Darauf bereiteten sie sich systematisch vor.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Alle Vernünftigen, die bisher noch leise waren, müssen jetzt auch laut werden.» Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte dem RND: «Wir sind jetzt alle gefragt - in unserem persönlichen Umfeld, am Arbeitsplatz, beim Sport, beim Einkaufen - gemeinsam klarzumachen, dass man mit der AfD Rechtsextreme wählt, die eine Gefahr für die Demokratie darstellen.»
Correctiv stellt Recherche vor
Das Medienhaus Correctiv hatte vorige Woche über das bis dahin nicht bekannte Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa vom 25. November berichtet. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über «Remigration» gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.
Heute will Correctiv seine Recherche im Berliner Ensemble vorstellen. Bei der szenischen Lesung sollen auch einige neue Details bekannt werden.
Werteunion bestätigt Teilnahme von Mitgliedern an Treffen
Eine Woche nach der Enthüllung des Treffens hat die erzkonservative Werteunion die Teilnahme zweier Mitglieder erstmals offiziell bestätigt. Die beiden Frauen «hielten sich dort als eingeladene Privatgäste und nicht als Vertreter der Werteunion auf», teilte der Verein am Dienstagabend mit. Befragungen der beiden Mitglieder und weiterer Personen hätten ergeben, dass bei dem Treffen unter anderem «von einer sogenannten Remigration» gesprochen worden sei.
Die Werteunion kritisierte Correctiv und erklärte unter Verweis auf eigene Recherchen, es sei «um die Rückführung von sich in Deutschland illegal aufhaltenden Migranten, Ausländern mit geduldetem Aufenthaltsstatus und Ausländern mit Bleiberecht, die durch schwere Straftaten aufgefallen sind» gegangen, nicht aber um «massenhafte Rückführung von Deutschen mit Migrationshintergrund».
Die Werteunion ist ein Verein, der nach eigener Darstellung «loyal zu CDU und CSU steht» und Mitglieder beider Parteien in seinen Reihen hat.
Demonstrationen gegen Rechtsextremismus
In den vergangenen Tagen gingen in verschiedenen deutschen Städten Zehntausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Am Dienstagabend demonstrierten in Köln Zehntausende gegen die AfD.
Dröge bezeichnete derlei Demonstrationen als ermutigend. «Diese Menschen zeigen: Eine laute Minderheit am rechten Rand kann sich nicht darauf verlassen, dass die demokratische Mehrheit schweigt.» Klingbeil betonte: «Wir lassen nicht zu, dass in unserem Land wieder unterteilt wird in «die» und «wir». Wir lassen nicht zu, dass die Rechtsradikalen entscheiden, wer deutsch ist und wer nicht.» Die AfD wolle Menschen aus dem Land schmeißen, die fester Teil des Landes seien.
Debatte über AfD-Verbot
Infolge der Correctiv-Recherche nahm auch die Debatte über ein mögliches AfD-Verbot wieder Fahrt auf. Habeck sagte dem «Stern» auf die Frage, ob er für oder gegen ein AfD-Verbot sei: «Das ist keine Frage der politischen Haltung, sondern des Rechts.» Über ein Verbot entscheide allein das Bundesverfassungsgericht. Die Hürden seien zu Recht sehr hoch, und der Schaden durch ein gescheitertes Verfahren wäre massiv. «Daher müsste alles absolut gerichtsfest sein. Das muss man sehr genau bedenken.» So oder so müssten die demokratischen Parteien die AfD politisch schlagen.
Neben einem möglichen Verbotsantrag wird mittlerweile auch über einen Antrag auf Entzug der Grundrechte für herausragende Verfassungsfeinde diskutiert. Bis zum späten Dienstagabend verzeichnete eine Unterschriftensammlung, die sich namentlich gegen den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke richtet, mehr als 1,1 Millionen Unterschriften. Der Thüringer AfD-Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Juso-Chef Philipp Türmer sprach sich dafür aus, dieses Mittel gegen Höcke einzusetzen. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz könne man zudem das aktive und passive Wahlrecht verwirken, sagte Türmer dem «Tagesspiegel». «Der Nazi Björn Höcke bewirbt sich seit Jahren initiativ darum, dass diese Paragrafen mal an ihm angewendet werden.»
Petition eingereicht
Rechtswissenschaftler Ulrich Battis sagte RTL/ntv: «Es ist plausibel, dass man gegen ihn (Höcke) ein solches Verfahren einleitet, weil er sich in besonderer Weise, wie wir sie vorher so in Deutschland in den letzten 40 Jahren nicht hatten, exponiert hat.» Battis betonte: «Im Moment haben wir eine Situation, wie wir sie bisher nicht hatten. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Verfahren Erfolg haben wird, eher größer einzuschätzen, als ich es je in der Vergangenheit beurteilt hätte.»
Wie die «Rheinische Post» berichtete, ist mittlerweile auch beim Petitionsausschuss des Bundestags eine Petition eingereicht worden, die fordert, Höcke Grundrechte zu entziehen. Sie müsse allerdings noch geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werde, sagte die Ausschuss-Vorsitzende Martina Stamm-Fibich (SPD) der Zeitung. Ab 50.000 Unterstützern muss sich der Petitionsausschuss mit einer öffentlichen Petition befassen und Gelegenheit zur Anhörung geben.
Die Linke brachte noch eine weitere Forderung auf. Sie plädiert dafür, zunächst die Jugendorganisation Junge Alternative ins Visier zu nehmen. «Ein erster Schritt wäre ein Verbot der Jugendorganisation der AfD», sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur. «Ein Verbot der JA wäre deutlich einfacher und schneller möglich, da sie nicht durch einen Parteienstatus geschützt ist. Ein Verbot wäre hier durch einen einfachen Ministerialerlass möglich.»