Vor der Europawahl erschüttert eine Spionage-Affäre die AfD.
23.04.2024 - 14:03:53China-Spionage: Mitarbeiter von AfD-Mann festgenommen. Ein Mitarbeiter des EU-Abgeordneten Krah soll für China gearbeitet haben. Ermittelt wird auf höchster Ebene bei der Bundesanwaltschaft.
Ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ist wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen worden. In einer Mitteilung des Generalbundesanwalts wird dem Festgenommenen Jian G. vorgeworfen, Informationen aus dem Europaparlament weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht zu haben. Hintergrund sind demnach Erkenntnisse des Bundesverfassungsschutzes.
Die Entwicklung setzt die AfD stark unter Druck, die seit Wochen mit Berichten über mögliche Verbindungen ihrer Spitzenkandidaten für die Europawahl, Krah und Petr Bystron, zu prorussischen Netzwerken, konfrontiert ist. Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla beorderten Krah zum Krisengespräch nach Berlin.
Krah: Habe es aus der Presse erfahren
Das EU-Parlament suspendierte den Assistenten Krahs. Er selbst schrieb bei X (vormals Twitter): «Von der Festnahme meines Mitarbeiters Jian Guo habe ich heute Vormittag aus der Presse erfahren. Weitere Informationen liegen mir nicht vor. Die Spionagetätigkeit für einen fremden Staat ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.» Der «Bild»-Zeitung sagte er am Flughafen in Straßburg, sein Mitarbeiter habe seiner Kenntnis nach nur «Kontakte zu offiziellen chinesischen Stellen in der Botschaft» gepflegt.
Die Festnahme erfolgte laut Bundesanwaltschaft schon am Montag durch das Landeskriminalamt Sachsen in Dresden. Wohnungen des Beschuldigten wurden demnach durchsucht. Ihm wird Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt. Guo soll seit vergangenem Januar wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Im Laufe des Tages sollte er dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden.
Weidel und Chrupalla wortkarg
Weidel und Chrupalla nahmen vor einer Sitzung der AfD-Bundestagsfraktion nur mit knappen Worten Stellung. Krah sei auf dem Weg nach Berlin. Man werde sich am Abend oder spätestens am Mittwochmorgen mit ihm zusammensetzen. «Wir sehen es als absolut beunruhigend an, wenn natürlich ein Mitarbeiter hier festgenommen wurde (...)», sagte Chrupalla. Auf Fragen von Journalisten, ob Krah noch der richtige Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl sei, gingen Chrupalla und Weidel nicht ein und kündigten eine Stellungnahme nach dem Gespräch für «spätestens Mittwochmorgen» an. Ein Sprecher Weidels sagte später auf Anfrage, das Treffen werde erst am Mittwochvormittag stattfinden.
Die Wahl ist in sieben Wochen. Hinter Krah steht der Bundestagsabgeordnete Bystron auf Platz zwei der Kandidatenliste. Beide standen zuletzt immer wieder im Fokus: Sie sehen sich seit Wochen Vorwürfen und Berichten ausgesetzt, in prorussische Propagandakanäle verwickelt zu sein und in diesem Zusammenhang möglicherweise Geld angenommen zu haben. Beide weisen das zurück.
«Natürlich war ich in China»
Nun China - über die Verbindungen Krahs ins Reich der Mitte hatten «Süddeutsche Zeitung» und «t-online» bereits lange vor der Festnahme seines Mitarbeiters ausführlich berichtet. Krahs Beziehungen dorthin reichten weit zurück. Schon Anfang der 2000er habe er das Land bereist und später nach Jurastudium und Promotion Auslandsstationen in Hongkong und Shanghai verbracht. Er sei dem Land auch danach verbunden geblieben. Die «Süddeutsche» schrieb, Krah stehe wegen zweifelhafter Verbindungen nach China im Visier des Verfassungsschutzes.
Krah hatte zuletzt in einem ausführlichen Interview mit dem Journalisten Tilo Jung gesagt: «Natürlich war ich in China, ich bin überall, ich hab viele Freunde.» Bei dem Gespräch ging es um eine Reise in die Volksrepublik im Jahr 2019. Krah versicherte, den Flug dafür selbst bezahlt zu haben. Die Gastgeber hätten lediglich die Kosten für drei Businesshotels und eine Bahnfahrkarte übernommen. Er habe das korrekt im Transparenzregister des EU-Parlaments angegeben. «Wir reden hier also über eine Bahnfahrkarte und zwei oder drei Hotels und ein Essen. Lass es 500 Euro sein», sagte Krah. Mit dem Geheimdienst habe er sich nicht getroffen.
Wer ist der Mitarbeiter?
Wie «Tagesschau.de» berichtet, hat der Festgenommene chinesische Wurzeln, ist aber seit einigen Jahren deutscher Staatsangehöriger. Guo sei 2002 als Student nach Dresden gekommen, wo auch Krah herkommt. Im Laufe der Jahre soll er diesen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung kennengelernt haben. Mit dem Einzug ins Europaparlament 2019 holte ihn Krah nach Informationen von «Zeit online» als Assistenten in sein Brüsseler Team. Wenig später habe er Krah auf einer Reise nach China begleitet. Spätestens seit dieser Zeit soll er für die Behörden in Peking gearbeitet haben, heißt es in dem Bericht. Den deutschen Sicherheitsbehörden sei der Mann demnach nicht unbekannt. Er habe sich vor mehr als zehn Jahren selbst als Informant angeboten. Die Zusammenarbeit sei aber nicht zustande gekommen, weil der Verdacht aufkam, Guo könnte im chinesischen Interesse handeln.
Krah sieht keinen Grund für persönliche Konsequenzen
Nach der Festnahme eines Mitarbeiters unter Spionageverdacht sieht der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, keinen Grund für persönliche Konsequenzen. «Mir wird ja kein Fehlverhalten vorgeworfen. Das heißt, wir müssen aufklären, was tatsächlich wahr ist. Ich selbst werde jetzt nicht für das vermeintliche Fehlverhalten meines Mitarbeiters selbst in Sack und Asche gehen», sagte Krah auf eine Frage des Nachrichtenmagazins «Politico» am Dienstagabend in Berlin.
Der Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten war am Montagabend wegen des Verdachts der Spionage für China in Dresden festgenommen worden. Ihm wird nach Angaben der Bundesanwaltschaft Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt. Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla wollen am Mittwoch ein Krisengespräch mit Krah in Berlin führen, bei dem es um das weitere Vorgehen und mögliche Konsequenzen gehen soll.
Empörte Reaktionen
Spitzenpolitiker anderer Parteien reagierten mit scharfen Worten auf die Berichte. Justizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte: «Sollte sich der Vorwurf bestätigen, trifft er das Herz unserer Demokratie.» Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Spionagevorwürfe «äußerst schwerwiegend». Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, es sei traurigerweise nicht überraschend, «dass wir in den letzten Monaten vermehrt sehen, was vorher schon viele wussten, dass Antidemokraten weltweit versuchen, Demokratien auch von innen auszuhöhlen durch unterschiedliche Mittel».
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer reagierte empört. «Wer spioniert, wer sich bestechen lässt, schadet Deutschland, verrät die Menschen und unser Land», erklärte der CDU-Politiker im sächsischen Schmilka. «Ich halte das für widerwärtig und charakterlos.» Scharfe Kritik kam auch von anderen Politikern, die teils Krahs Rückzug forderten.
Bereits am Vortag waren drei mutmaßliche Spione für China in Düsseldorf und Bad Homburg festgenommen worden. Die beiden Männer und eine Frau sollen demnach in Deutschland Informationen über Militärtechnik beschafft haben, um sie an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. China wies die Berichte über eigene Spione in Deutschland zurück. «Die Absicht hinter diesem Hype ist ganz offensichtlich, nämlich China zu verleumden, zu unterdrücken und die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu untergraben», sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums.