Seit fast 25 Jahren ist Hessen in CDU-Hand - nach heftigen Verlusten bei der Wahl vor fünf Jahren fängt sich die Partei wieder.
08.10.2023 - 20:38:38CDU in Hessen vorn: Schwarz-Grün könnte weiter regieren. Die Grünen als Koalitionspartner büßen ein. Die SPD erleidet eine Schlappe.
Für die hessische FDP wird der Landtagswahlabend zur Zitterpartei. Nachdem Hochrechnungen von ARD und ZDF die Partei im Sonntagabend zwischenzeitlich nur noch bei 4,9 Prozent gesehen hatten, lag sie am späteren Abend bei den Hochrechnungen von ARD (21.37 Uhr) und ZDF (21.32 Uhr) wieder bei 5,0 Prozent. Nur bei Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde würde die FDP wieder in den Landtag einziehen können.
Klarer Sieger ist demnach die CDU. Sie kommt auf 34,4 bis 34,5 Prozent. Zweitstärkste Kraft wird die AfD mit jeweils 18,4 Prozent. Die bisher mitregierenden Grünen erreichen jeweils 14,8 Prozent. Noch vor den Grünen liegt die SPD mit 15,1 bis 15,2 Prozent. Die bisher im Landtag vertretende Linke verfehlt mit je 3,1 bis 3,2 Prozent klar den Wiedereinzug ins Parlament. Die Freien Wähler kommen auf 3,5 Prozent.
CDU sieht «klaren Regierungsauftrag» - Weiter mit Schwarz-Grün?
Ministerpräsident Rhein sieht einen «klaren Regierungsauftrag» der Bürgerinnen und Bürger für die Union. «Wir werden eine Regierung bilden aus der Mitte dieser Gesellschaft, aus der Mitte des Landes», sagte er weiter. Rhein bot sowohl SPD als auch Grünen und FDP Gespräche über eine Zusammenarbeit an.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigt sich ebenfalls sehr zufrieden mit dem Abschneiden von CDU und CSU bei den Landtagswahlen in Hessen. Das Abschneiden der CDU in Hessen bezeichnete Linnemann als «sensationelles Ergebnis». Boris Rhein sei ein toller Spitzenkandidat, der genau die richtigen Themen adressiert habe. CDU-Chef Friedrich Merz habe ihn unterstützt. Der Wahlkampf in Hessen habe eine Vorbildfunktion auch für den Bundestagswahlkampf.
Grünen-Spitzenkandidat Al-Wazir sagte, die Wahl zeige, dass es in Hessen keine Wechselstimmung gebe. «Und ich finde, das ist auch ein deutlicher Hinweis darauf, was die Bürgerinnen und Bürger auch von uns in den nächsten Wochen erwarten», sagte er mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung der Koalition von CDU und Grünen.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour bezeichnet die Wahlergebnisse seiner Partei bei den Landtagswahlen als stabil. Die Grünen hofften, bei beiden Wahlen zweitstärkste Kraft zu werden, sagte Nouripour in der ARD. Die Grünen stünden für Verantwortung. Seine Partei hat den Prognosen zufolge verloren.
Trotz der Verluste der Grünen spricht auch die Bundesvorsitzende Ricarda Lang indes von stabilen Ergebnissen. «Es sind stabile Ergebnisse, auch wenn es nicht das ist, was wir uns vielleicht gewünscht hätten», sagte Lang im ZDF nach den ersten Prognosen. Das sei eine gute Basis für die Zukunft. Mit Sorgen beobachte man, dass alle drei Ampel-Parteien, also SPD, Grüne und FDP, nicht dazugewinnen konnten.
SPD-Spitzenfrau mit viel Gegenwind
SPD-Spitzenkandidatin Faeser zeigte sich schwer enttäuscht. «Wir hatten viel Gegenwind, wir haben es in den Umfragen gesehen. Deswegen ist es auch nicht ganz so überraschend, aber trotzdem sehr enttäuschend.» Die SPD sei mit ihren Themen leider nicht durchgedrungen. Auf die Frage, ob sie Vorsitzende der hessischen SPD bleibe, sagte sie im ZDF: «Das werden wir sehen in den nächsten Tagen und Wochen.»
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wertet das Ergebnis der Landtagswahlen als bitter für seine Partei und für die Ampel-Koalition gewertet. «Wir sind heute Abend ausdrücklich nicht die Wahlsieger», sagte Kühnert im ZDF. Die drei Parteien der Ampel-Koalition hätten in beiden Bundesländern verloren.
Der SPD-Generalsekretär stärkte zugleich der hessischen SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Rücken. Ihre Autorität als Bundesministerin sei nicht beschädigt, sagte er. «Da kann ich auch für die gesamte Parteispitze sprechen.» Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich ebenso zuversichtlich, ihr Ministeramt trotz des schlechten Abschneidens der SPD bei der hessischen Landtagswahl fortführen zu können.
SPD-Chef Lars Klingbeil sprach - auch mit Blick auf Bayern - von «zwei Niederlagen für die SPD». Im Vordergrund stünden landespolitische Entscheidungen, die Ergebnisse seien aber auch «ein Signal an die drei Ampel-Parteien, dass es ein anderes Tempo braucht, wenn es darum geht, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu lösen».
Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), verlangte hingegen eine Kabinettsumbildung in Berlin. Faeser kehre geschlagen nach Berlin zurück, erklärte er in Berlin. «Sie wird nun noch weniger die notwendige Autorität besitzen, um die anhaltende Migrationskrise auf Berliner und Brüsseler Ebene zu lösen.»
Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen traf «ein blasser Ministerpräsident» auf eine «völlig indisponierte Herausforderin» Faeser. Beim Ansehen auf der +5/-5-Skala landete Faeser demnach weit im Negativbereich mit minus 1,3 - dem schlechtesten SPD-Kandidaten-Image überhaupt bei einer Landtagswahl.
FDP zeigt auf die Ampel im Bund
Die hessische FDP-Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger führte das schwache Abschneiden ihrer Partei auch auf die Ampel-Koalition im Bund zurück. «Alle drei Koalitionsparteien haben Einbußen hier in Hessen hinnehmen müssen», sagte die Bundesbildungsministerin.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai reagiert indes kurz angebunden auf das schlechte Abschneiden seiner Partei. «Aus Sicht der FDP sind die derzeit vorliegenden Zahlen aus Bayern enttäuschend. In Hessen bleibt es spannend», sagte er in Berlin.
Die FDP-Gremien würden morgen die Ergebnisse beider Landtagswahlen auswerten, sagte Djir-Sarai. «Wir werden aber auch innerhalb der Koalition diese Ergebnisse analysieren und besprechen.»
Hessens AfD-Spitzenkandidat kündigt starke Opposition an
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zeigte sich hocherfreut über das Abschneiden ihrer Partei. «Unsere Politik gibt uns recht», sagte Weidel. Sie wertete die Stärke ihrer Partei auch als Zeichen für die Unzufriedenheit der Menschen mit der «Verbotspolitik» der Bundesregierung. Mit Blick auf den Bund sprach sie von einer realistischen Chance auf eine Regierungsbeteiligung 2025.
Der Spitzenkandidat der hessischen AfD, Robert Lambrou, kündigt eine starke Oppositionsarbeit seiner Partei im Landtag an. Sehr viele Bürger in Hessen hätten zum ersten Mal AfD gewählt, sagte er. «Es ist ein enormer Vertrauensvorschuss, dem wir uns als würdig erweisen werden.» Er freue sich auf die nächsten fünf Jahre im Landtag «mit einer ganz starken Stimme bürgerlich, konservativ, freiheitlich».
Die Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler äußerte sich schwer enttäuscht. «Es ist so bitter, dass wir unsere Arbeit nicht weiter fortsetzen können», sagte sie mit Blick auf ihr Heimatland Hessen, wo die Linke nicht mehr im Landtag vertreten sein wird. Immens geschadet hätten auch die Spekulationen über eine Parteineugründung durch die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.
Wagenknecht: Faeser nach Hessen-Wahl als Ministerin entlassen
Nach der Hessen-Wahl fordert die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht die Entlassung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Hintergrund ist das schwache Abschneiden der hessischen SPD mit Faeser als Spitzenkandidatin. «Wer in Wiesbaden scheitert, ist in Berlin fehl am Platz», sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. «Auf die Rote Karte der Wähler sollte die Entlassung durch den Kanzler folgen.»
Das Innenministerium sei eines der wichtigsten Ministerien und «die Flüchtlingskrise mindestens so dramatisch wie 2015», meinte Wagenknecht. «Hier braucht es an der Spitze keine Wahlverliererin, sondern maximale Handlungsfähigkeit.» Sie warf Faeser vor, dass sie «die Schleuserindustrie machen lässt». Die Bundesregierung solle sich an Ländern wie Dänemark orientieren und den Zuzug minimieren, sagte Wagenknecht.