Wagenknecht, Friedens-Partei

Sahra Wagenknecht ist «Kanzlerkandidatin» und wird beim Parteitag in Bonn gefeiert.

12.01.2025 - 16:41:44

Wagenknecht kämpft mit «Friedens-Partei» um Parlamentseinzug. Aber für das BSW geht es bei der Bundestagswahl um etwas anderes: die Fünf-Prozent-Hürde ist bedrohlich hoch.

  • Sahra Wagenknecht stimmt ihre Partei auf den Wahlkampf ein und wird bejubelt. - Foto: Hannes P. Albert/dpa

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  • Großer Medienandrang beim Bundesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht. - Foto: Hannes P Albert/dpa

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Sahra Wagenknecht stimmt ihre Partei auf den Wahlkampf ein und wird bejubelt. - Foto: Hannes P. Albert/dpaGroßer Medienandrang beim Bundesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht. - Foto: Hannes P Albert/dpa

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat alle denkbaren Themen im Programm zur Bundestagswahl - von der Steuer auf hohe Einkommen über den Umbau des Rentensystems bis hin zur Drosselung von Migration. Das alles wurde beim Parteitag in Bonn auch so beschlossen. Aber nichts mobilisiert die Anhänger der ehemaligen Linken-Politikerin Wagenknecht so, wie das Thema Krieg und Frieden, gerne gespickt mit Breitseiten gegen die Allianz mit den USA.

Das zeigte sich schon in den ersten Minuten in Bonn, als Schwarz-Weiß-Bilder aus den 1980er Jahren über die Leinwand hinter der Bühne flimmerten: die einstige Friedensbewegung im Kampf gegen US-Atomraketen und den Nato-Doppelbeschluss, ganz in der Nähe des Tagungsorts, im Bonner Hofgarten. Es zeigte sich im tosenden Applaus, als die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen rief: «Ami go home!» Und es spiegelte sich in der Rede der «Kanzlerkandidatin» Wagenknecht selbst.

Fundamentalkritik an den Russland-Sanktionen

In ihrem 53-minütigen Rundumschlag ging Wagenknecht die anderen Parteien hart an, Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und CDU-Chef Friedrich Merz, die AfD. Sie empörte sich über schlechte Bildung und Wohnungsnot, forderte eine andere Wirtschafts- und Energiepolitik. Den ersten großen Jubel der 600 Mitglieder im World Conference Center Bonn erntete Wagenknecht aber mit ihrer Fundamentalkritik an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland. 

Verhängt wurden Sanktionen nach der russischen Annexion der Krim, verschärft wurden sie nach der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022. Doch Wagenknecht sagte, die Sanktionen hätten «überhaupt nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun». Ihre Sicht der Dinge: «Die Sanktionen haben nichts mit Moral, sie haben nichts mit Menschenrechten, sie haben nichts mit Friedensliebe zu tun, sie sind schlicht ein Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft und ein Killerprogramm für deutsche und europäische Unternehmen.»

«Nicht in ein neues Wettrüsten hineintaumeln»

Das Thema Frieden hob sich Wagenknecht für das Finale ihrer Rede auf, nach der Kritik an der Corona-Politik, nach der Klage über eingeschränkte Meinungsfreiheit und dem Lob für die Abschaffung der Faktenchecks bei Facebook. Wer «wahnwitzige Gedankenspiele» für ein kriegstüchtiges Deutschland abwenden wolle, der brauche das BSW. «Wir dürfen jetzt nicht in ein neues Wettrüsten hineintaumeln», sagte Wagenknecht. 

Die übrigen Parteien lieferten sich einen Überbietungswettbewerb bei den Rüstungsausgaben, auch die AfD. «Vielleicht sollte die AfD sich statt Alternative für Deutschland "Aufrüsten für Donald" nennen», meinte die BSW-Chefin mt Blick auf den künftigen US-Präsidenten Trump. Kriege aber würden nicht durch Waffenlieferungen beendet, sondern durch Verhandlungen. 

«Mit Taurus-Merz, mit Umfaller-Olaf, mit den wilden Sofa-Kriegern von den Grünen und mit den neuen Rüstungsfanatikern von der AfD wäre der Frieden in Deutschland tatsächlich in großer Gefahr», rief sie. «Auch deshalb braucht es ein starkes BSW im nächsten Bundestag.» Der letzte Satz ging schon fast im lautstarken Beifall unter. 

Über die Linke wird nicht geredet

Immer wieder riss es die rund 600 BSW-Mitglieder an diesem Tag von den Sitzen, sie applaudieren begeistert im Stehen. Immer wieder bestätigten sie sich gegenseitig, das BSW sei die einzige Partei, die sich für die Menschen einsetze, für mehr soziale Sicherheit, für einen neuen wirtschaftlichen Kurs und eben für Frieden - ein Querschuss auch gegen Wagenknechts ehemalige Partei, die Linke, die all das ebenfalls will, aber praktisch totgeschwiegen wird.

Bei der Europawahl im Juni 2024 hatte das BSW aus dem Stand 6,2 Prozent der Stimmen erreicht, bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sogar zweistellige Ergebnisse. In Thüringen und Brandenburg regiert die Partei mit. Historisches sei geleistet worden, sagte BSW-Generalsekretär Christian Leye.

«Wind bläst uns ins Gesicht»

Doch räumte Leye ein: «Seit einiger Zeit bläst uns in der Öffentlichkeit auch der Wind ins Gesicht.» Bundesweit schwächelt die Partei ausgerechnet jetzt in den Umfragen: Zuletzt lag das BSW bei 4 bis 6 Prozent. Und obwohl der Bundesvorstand Wagenknecht zur «Kanzlerkandidatin» gekürt hat, geht es wohl eher darum, tatsächlich den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.

«Natürlich versucht man, uns jetzt runterzuschreiben, denn wir sind in der Tat eine echte Gefahr für den politischen Mainstream», sagt die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. «Weite Teile der Medien berichten nun mal nicht objektiv, sondern machen mehr oder weniger offen Wahlkampf für Union, SPD, FDP und Grüne.» 

Streit mit den Rebellen

Klar ist allerdings auch, dass längst intern im BSW nicht mehr alles rund läuft. Mohamed Ali macht bei Phoenix deutlich, dass ihre Partei finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. «Wir bekommen noch keine staatliche Parteienfinanzierung. Das macht es uns etwas schwerer.»

Und es gibt Streit, auch am Rande des Bonner Parteitags. Die Hamburger BSW-Mitglieder Dejan Lazic und Norbert Weber, die ohne Billigung der Bundesspitze einen eigenen Landesverband gegründet haben und nun aus der Partei ausgeschlossen werden sollen, wurden am Eingang abgewiesen. 

In der Partei fehle es an demokratischen Strukturen, Widerspruch gebe es kaum, Schlüsselpositionen besetze die Parteispitze mit eigenen Leuten, sagte Weber vor der Tür. «Ich weiß nicht, wie das jetzt weitergehen soll», fügte er hinzu. «Was wir auf keinen Fall brauchen, ist eine AfD 2.0. Und es geht alles in diese Richtung.» Er bezog dies auf die Positionen zur Migration. In der Debatte beim Parteitag spielten die allerdings kaum eine Rolle.

@ dpa.de