Nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten in Berlin stehen Hochschulleitung und Wissenschaftssenatorin in der Kritik.
09.02.2024 - 01:26:23Klein fordert Einschreiten der Hochschulen. Der Antisemitismusbeauftragte fordert ein konsequentes Vorgehen.
Nach dem jüngsten Angriff auf einen jüdischen Studenten in Berlin hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, erneut Konsequenzen gefordert. «Das Land Berlin hat in seinem Hochschulgesetz die Universitäten eindeutig dazu verpflichtet, gegen Antisemitismus vorzugehen», sagte Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
«Nun muss es darum gehen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Land schon lange bestehen, konsequent und konkret umzusetzen sowie entschlossen gegen Israelfeindlichkeit und Judenhass auf dem Campus einzuschreiten.» Wissenschaftssenatorin und Hochschulleitung müssten handeln.
Antisemitischer Vorfall
Am Wochenende war der 30 Jahre alte, jüdische FU-Student Lahav Shapira mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23 Jahre alter propalästinensischer, deutscher Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, die Tat werde derzeit sowohl als antisemitisch eingestuft als auch im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt, hieß es.
Nach der Gewalttat war die Leitung der Uni kritisiert worden, weil sie antisemitische Vorfälle und Ängste jüdischer Studenten nicht ernst genommen habe. Die Forderung nach einer Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters wurde laut. Uni-Präsident Günter Ziegler sagte dazu, man wolle mit der Politik darüber beraten, ob Exmatrikulationen «in besonders extremen Fällen in Berlin ermöglicht werden sollten».
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) kündigten unterdessen eine gemeinsame Linie zum Schutz jüdischer Studierender an. Wenn die aktuellen rechtlichen Möglichkeiten nicht ausreichten, müssten den Hochschulen zusätzliche durchgreifende Instrumente an die Hand gegeben werden, um diesen Schutz sicherzustellen, erklärten sie nach einem gemeinsamen Gespräch. Das beinhalte auch eine mögliche Reform des geltenden Hochschulgesetzes.
Kritik an Wissenschaftssenatorin
Der Zentralrat der Juden hat Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) den Rücktritt nahegelegt. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte dem «Tagesspiegel»: «Ich bin der Überzeugung, dass Frau Czyborra für ihr Amt nicht mehr geeignet ist.» Schuster kritisierte, die Senatorin habe den Vorgang zunächst als Konflikt herunterspielt und sehe keinen Anlass für eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes.
Czyborra hatte nach dem Überfall auf Lahav Shapira ein Hausverbot an der FU Berlin für den Täter gefordert, was nach geltender Rechtslage möglich ist. Härtere Regeln oder eine Exmatrikulation hatte sie zunächst zurückgewiesen und Nüchternheit in der Debatte angemahnt.
Stiller Protest - Mahnwache mit Ricarda Lang
Wenige Tage nach dem Angriff ein stiller Protest an der Freien Universität Berlin auf Ängste jüdischer Studierender hingewiesen. Zu der Aktion der Gruppe Fridays for Israel kamen nach Polizeiangaben etwa 100 Menschen - darunter die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, der frühere Grünen-Politiker Volker Beck und die CDU-Politikerin Ottilie Klein. Zwischenfälle oder Gegendemonstranten gab es nicht.
Grünen-Chefin Lang sagte am Rande der Mahnwache, diese sei «ein Signal gegen das Wegschauen». Es gelte, gegen jede Art von Antisemitismus konsequent und dauerhaft zu handeln. Beck, heute Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, forderte die Politik auf nachzusteuern. So müsse es gesetzlich möglich werden, Gewalttäter gegebenenfalls zu exmatrikulieren.
Die Gruppe Fridays for Israel weise seit Wochen auf die Sorgen jüdischer Studierender hin, sagte Sprecherin Clara von Nathusius der Deutschen Presse-Agentur. Die Leitung der Freien Universität habe «viel verschlafen». Erst seit dem Angriff auf Shapira «hat sich tatsächlich etwas verändert in der Tonalität der Universitäts-Leitung».
FU-Präsident Günter Ziegler sagte bei radioeins vom rbb, es sei nicht einfach, den derzeitigen Konflikt an der Universität in den Griff zu bekommen. Hass, Hetze und Gewalt seien nicht akzeptabel, gehörten nicht zur Universität und «natürlich auch nicht auf den Campus», sagte Ziegler in dem Interview. «Wir müssen mit allen Maßnahmen, die wir haben, primär auch die Sicherheit auf dem Campus im Blick haben.»