In die Heizungsgesetz-Debatte schaltet sich Klimaforscher Mojib Latif mit einer Warnung ein: An eine zwei bis drei Grad wärmere Welt könne man sich nicht anpassen - und skizziert entsprechende Szenarien.
15.06.2023 - 05:05:00Latif fürchtet: Werden «Klimaziele krachend verfehlen»
Der Klimaforscher Mojib Latif geht mit der Klimapolitik der Ampel-Koalition scharf ins Gericht. «Ich fürchte, Deutschland wird seine Klimaschutzziele krachend verfehlen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind wir viel zu langsam, die Wärmewende wird sich nun nur schleppend vollziehen und beim Verkehr passiert so gut wie gar nichts», sagte der Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel der Deutschen Presse-Agentur.
Latif reagierte auf geplante Änderungen von SPD, Grünen und FDP am umstrittenen Heizungsgesetz. Danach soll noch auf Jahre hinaus der Einbau klimaschädlicher Gasheizungen möglich sein.
«Es gibt Grenzen der Anpassungsfähigkeit»
Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sagte der dpa, mit ihrem Kompromiss erweise die Koalition dem Land, was die dringend nötige Wärmewende angeht, einen schlechten Dienst. «Das ursprünglich geplante Verbot neuer fossiler Heizungssysteme ist weitgehend entschärft, es werden jetzt für lange Zeit noch weiter Gasheizungen installiert werden - und gleichzeitig gibt es keine Anzeichen für eine vorgezogene höhere CO2-Bepreisung.»
Die Bundesregierung müsse hier jetzt schnell den Mut zu einem großen Wurf aufbringen, sonst werde Deutschland die Klimaziele «im Problembereich Wärme» nicht erreichen, sagte er.
Sein Kollege Latif warnte zugleich vor der Annahme, Deutschlands Gesellschaft und Wirtschaft könnten sich auch an eine zwei bis drei Grad wärmere Welt anpassen. «Das ist ein riesengroßer Irrtum. Es gibt Grenzen der Anpassungsfähigkeit», sagte Latif.
«Wie will man sich an Temperaturen von deutlich über 40 Grad anpassen, wie auf häufigere sintflutartige Niederschläge? Wie soll eine Landwirtschaft ohne Regen auskommen?» Lieferketten würden dann immer häufiger durch Extremwetter unterbrochen, sagte er. Und es gebe auch Grenzen der Finanzierbarkeit. «Schon heute kosten uns die Folgen des Klimawandels jährlich viele Milliarden Euro.»
Klimakrise kostet Milliarden
Im März hatte eine Studie im Auftrag der Bundesregierung ergeben, dass auf Deutschland durch die Erderwärmung bis 2050 Kosten von bis zu 900 Milliarden Euro zukommen können. Beispiel ist die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit Schäden von mehr als 40 Milliarden Euro.
Schon jetzt hat sich die Erde um etwa 1,1 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aufgeheizt, in Deutschland sind es sogar 1,6 Grad. Laut Klimaschutzgesetz muss Deutschland den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 gegenüber 1990 um 65 Prozent senken. Bis 2045 muss dann verbindlich Klimaneutralität erreicht werden. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41 Prozent.