Proteste, Große

Hunderttausende Menschen protestierten am vergangenen Wochenende gegen rechts.

27.01.2024 - 12:17:17

Wieder Proteste: Große Anti-AfD-Demo hat begonnen. Jetzt sind wieder Demos im ganzen Land geplant - mit prominenten Gästen. Der Bundespräsident zeigt sich beeindruckt.

Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie gehen am Wochenende in zahlreichen Orten weiter. In Düsseldorf hat eine große Demonstration gegen Rechtsextremismus bereits begonnen.

An frt Anti-AfD-Demo beteiligen sich nach ersten Schätzungen der Veranstalter mindestens 30.000 Menschen. Die Polizei wollte diese Zahl zunächst nicht bestätigen, sprach aber von sehr starkem Andrang. Der erste Teil mit Auftaktkundgebung und Marsch über den Rhein hat das Motto «Gegen die AfD - Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!». Danach ist eine Abschlusskundgebung auf den Rheinwiesen, dem größten innerstädtischen Versammlungsplatz, geplant. Hier heißt das Motto: «Nie wieder ist jetzt! Für Demokratie und Rechtsstaat!» Eine Polizeisprecherin sagte, die Demo habe «starken Zulauf». Die Veranstalter sprachen von vielen tausend Teilnehmenden schon vor Beginn.

Auf der Rednerliste der Abschlusskundgebung am Nachmittag stehen unter anderem die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) und der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). Organisatoren sind das parteiübergreifende Bündnis «Düsseldorfer Appell», der DGB und «Düsseldorf stellt sich quer». Auch Düsseldorfer Profisportclubs wie Fußball-Zweitligist Fortuna Düsseldorf riefen zur Teilnahme auf.

Auch Demos an anderen Orten

Insgesamt sind in Nordrhein-Westfalen rund 30 Kundgebungen gegen Rechtsextremismus geplant. Die Aktionen sind eine Reaktion auf Recherchen des Medienkollektivs Correctiv, das aufgedeckt hatte, dass sich im November 2023 radikal rechte Kreise mit AfD-Funktionären und einem führenden Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Potsdam getroffen hatten.

Größere Veranstaltungen sind unter anderem auch in Aachen, Mannheim und Marburg geplant. In Osnabrück geht Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit auf die Straße. Die Demokratie in Deutschland stehe unter Druck, sagte der SPD-Politiker vor rund 25.000 Menschen. Die AfD wolle den Systemwechsel. «Das heißt nichts anderes als, sie wollen zurück in die dunklen Zeiten des Rassenwahns, der Diskriminierung, der Ungleichheit und des Unrechts», erklärte Pistorius, der früher Osnabrücker Oberbürgermeister gewesen ist.

Deutlich mehr als 10.000 Menschen demonstrierten auf dem Kieler Rathausplatz. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zählte als Veranstalter der Kundgebung für Demokratie und Solidarität mehr als 15.000 Teilnehmende, die Polizei sprach von 11.500 Menschen.

Ministerpräsident Kretschmann dabei

In Baden-Württemberg ist der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unter den Teilnehmern. Er nahm mit seiner Frau Gerlinde in Sigmaringen als Privatperson an einer Demonstration teil. Nach Angaben der Polizei verlief die Veranstaltung mit rund 2000 Menschen friedlich. Viele Familien waren bei dem Protest dabei. Auf Plakaten hieß es unter anderem: «Ekelhafd» oder «Rechts wählen ist 1939».

Schon am Freitag gingen in mehreren Städten erneut Tausende Menschen gegen rechts auf die Straße. Proteste gab es etwa in Frankfurt am Main, Saarbrücken, Herne und Gütersloh.

Am vergangenen Wochenende hatten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 900.000 Menschen an Demonstrationen gegen rechts beteiligt. Es berief sich dabei auf Polizeiangaben. Die heutigen Demos fallen zusammen mit dem Holocaust-Gedenktag, an dem bei zahlreichen Veranstaltungen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erfreut über die Demonstrationen, mahnte aber weitergehendes Engagement für die Demokratie an. «Ich freu' mich darüber und bin dankbar, dass die demokratische Mitte der Gesellschaft aufgewacht ist», sagte Steinmeier dem SWR-Hauptstadtstudio. Diese Menschen würden beweisen, dass nicht die lautstarken Verächter der Demokratie in der Mehrheit seien: «Das darf Demokraten selbstbewusst und auch ein bisschen stolz machen.»

Steinmeier: Demos ersetzen nicht politisches Engagement

Diese Demonstrationen könnten aber nicht politisches Engagement ersetzen, sagte Steinmeier auf die Frage, wie es weitergehe mit den Protesten. Seine Bitte an Unzufriedene sei, runter vom Sofa zu kommen und sich aktiv für die Gemeinschaft einzusetzen. Demokratie lebe vom Engagement ihrer Bürger. In keinem Land gebe es so gute Möglichkeiten dazu wie in Deutschland. Dazu müsse Menschen, die politische Verantwortung übernehmen gerade auf kommunaler Ebene, aber auch wieder mehr Respekt entgegengebracht werden, mahnte Steinmeier.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der letzten Tage und Wochen. «Unser Land ist gerade auf den Beinen. Millionen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße», sagte er in seinem wöchentlichen Video «Kanzler kompakt». Es sei der Zusammenhalt der Demokratinnen und Demokraten, der die Demokratie stark mache. «Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht. Sie ist stark, wenn wir sie unterstützen. Und sie braucht uns, wenn sie angegriffen wird.»

Auslöser für die Proteste waren Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über «Remigration» gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut Correctiv nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und «nicht assimilierte Staatsbürger».

Landtagswahlen im Osten - AfD stärkste Kraft?

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Ländern stärkste Kraft werden, sogar mit deutlichem Abstand. In zwei bundesweiten Umfragen der Institute Insa und Forsa (für die «Bild» und für RTL/ntv) aus der auslaufenden Woche verlor die AfD an Zuspruch, sie blieb aber nach der Union die zweitstärkste Kraft. Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit ist sie als Verdachtsfall eingestuft.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, warnte, man dürfe die Wirkung der Proteste auf potenzielle Wähler nicht überschätzen. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass man sich politisch mit der AfD und ihrem Gedankengut auseinandersetze und extremistischem Treiben keine Chance gebe, sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post». «Dies kann nur erfolgreich gelingen mit einer Politik der Bundesregierung, die die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nimmt und nicht aus purer Ignoranz weiter Öl ins Frust-Feuer gießt.»

@ dpa.de