Friedrich Merz ist noch nicht einmal als Kanzler vereidigt, da droht ihm schon die erste große Niederlage.
13.03.2025 - 04:30:41Das Wichtigste zum Finanzpaket im Bundestag. Kommt das Finanzpaket am Dienstag durch den Bundestag? Die wichtigsten Fakten.
Es soll die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition sein: ein Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur. Doch Union und SPD drohen schon mit ihrem ersten gemeinsamen Vorhaben zu scheitern – denn sie brauchen Grüne oder FDP und die sind bisher nicht zur Zustimmung bereit. Auch die erste Lesung und Debatte im Bundestag kann sie nicht überzeugen. Was man über die Pläne und die Kritik daran wissen muss:
Was genau ist geplant?
Union und SPD wollen das Grundgesetz an mehreren Stellen ändern und so drei Dinge regeln: Verteidigungsausgaben sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Außerdem sollen die Länder mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. Drittes Vorhaben ist ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur, das von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden soll.
Was soll das bringen?
Es wäre eine riesige Finanzspritze für zwei Bereiche, in denen Experten großen Investitionsbedarf sehen. Allein für das Zwei-Prozent-Ziel der Nato braucht Deutschland laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ab 2028 jährlich 85 bis 90 Milliarden Euro. Die Bundeswehr soll so fit gemacht werden, dass sie Angreifer abschreckt. Außerdem will Deutschland die von Russland angegriffene Ukraine weiter unterstützen.
Einen riesigen Investitionsstau gibt es auch bei Autobahnen, Brücken, Schiene, bei den Energienetzen, bei Kitas, Schulen und Hochschulen. 500 Milliarden Euro könnten Deutschland einen großen Modernisierungsschub bringen. Und sie könnten dafür sorgen, dass sich die Bundesregierung nicht entscheiden muss zwischen Geld für Infrastruktur und Geld etwa für soziale Absicherung. Das birgt aber auch die Gefahr, dass Unnötiges finanziert und Streit zwischen den Koalitionspartnern durch Finanzgeschenke gelöst wird.
Wo käme das Geld her – und wer muss die Zeche zahlen?
Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden – anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen Haushalten Zinsen zahlen.
Bisher hat Deutschland bei den Ratingagenturen eine Top-Bonität, das heißt, der Staat kann sich Geld zu sehr guten Zinssätzen leihen. Experten sehen dieses Rating auch bei einer größeren Verschuldung eher nicht in Gefahr. Selbst mit einer Schuldenquote von 82 Prozent in der Finanzkrise 2010 konnte Deutschland sein AAA-Rating halten. Ob das diesmal gelingt, wird auch davon abhängen, wie viel Vertrauen die Agenturen in die Wirtschaftskraft des Landes setzen.
Konsequenzen könnten die Pläne allerdings zum Beispiel für Hausbauer haben. Direkt nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – das hängt mit der Rendite von Bundesanleihen zusammen. Ob der Effekt dauerhaft anhält, lässt sich nicht seriös vorhersagen.
Welche Chancen haben die Pläne im Bundestag?
Union und SPD können das nicht allein beschließen – weil es um Grundgesetzänderungen geht, ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im neuen Bundestag sind AfD und Linke zusammen so stark, dass sie die Reform blockieren könnten. Deshalb soll der alte Bundestag noch schnell entscheiden. Doch auch hier sind Stimmen von Grünen oder FDP nötig – und die sind mehr als unsicher. Am ehesten könnte man wohl mit den Grünen noch einen Kompromiss finden.
Was wollen die Grünen?
Die Grünen befürchten, dass mit dem Paket teure Wahlgeschenke wie die Mütterrente und niedrigere Steuern in der Gastronomie finanziert werden, dass das Land aber kaum vorankommt. Eine Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung würden sie mit einigen Änderungen wohl mitmachen. Sie wollen aber auch sicherstellen, dass die Milliarden für die Infrastruktur wirklich in zusätzliche Projekte fließen. Die Grünen wollen verhindern, dass Infrastrukturausgaben kaum noch aus dem normalen Haushalt, sondern aus dem Sondertopf finanziert werden, um Haushaltsmittel für anderes freizumachen.
Ein Vorschlag ist, dass das Paket aufgeteilt wird: Die Schuldenbremsen-Ausnahme könnte der alte Bundestag mit Stimmen von Union, SPD und Grünen beschließen. Für Infrastruktur-Milliarden müsste der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) im neuen Bundestag dann eine Lösung nicht nur mit SPD und Grünen, sondern auch mit der Linken finden. Nur so hätte er die nötige Mehrheit. Dann müsste man aber eventuell auch hier über eine Reform der Schuldenbremse sprechen, denn das verlangt die Linke.
Könnte das ein Kompromiss sein?
Für die SPD wohl kaum. Denn ihr sind die Milliarden für die Infrastruktur besonders wichtig – und in dieser Variante wären sie nicht garantiert. Alles käme darauf an, ob Union und Linke zusammenarbeiten können. Bei einer Aufsplittung gilt auch der Beschluss der Verteidigungs-Ausnahme nicht mehr als sicher. Denn viele Abgeordnete der alten SPD-Fraktion werden im nächsten Bundestag nicht dabei sein. Ob sie sich noch an eine Fraktionslinie halten oder Teil eins der Vereinbarung wütend ablehnen würden, weil die Infrastruktur-Milliarden fehlen, ist offen.
Gehen Union und SPD auf die Grünen zu?
Ja, das versuchen sie. Merz bot im Bundestag an, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern. Außerdem schlug er vor, einen Teil der Infrastruktur-Kredite fest für den Klimaschutz vorzusehen. Das Geld könne in den Klima- und Transformationsfonds fließen, aus dem Maßnahmen für Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft bezahlt werden.
«Was wollen Sie noch mehr?», fragte Merz die Grünen. Die erteilten dem CDU-Chef jedoch sofort eine Absage. Auch in der neuen Formulierung werde nirgends garantiert, dass die Ausgaben aus dem Infrastruktur-Topf wirklich zusätzlich seien.
Wie geht es jetzt weiter?
Für Dienstag ist die entscheidende Abstimmung im Bundestag geplant. So lange haben Union und SPD noch Zeit, einen Kompromiss mit den Grünen zu finden. Offen ist aber auch, ob das Bundesverfassungsgericht die Sitzung am Dienstag überhaupt zulässt – denn es gibt Klagen, dass das alles zu schnell vor sich geht und nicht ausreichend beraten werden kann.
Welche Rolle spielt der Bundesrat?
Eine Grundgesetzänderung braucht zusätzlich zum Bundestagsbeschluss mindestens zwei Drittel der Länderstimmen – und auch die sind nicht sicher. Einige Bundesländer fordern, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden vom Infrastruktur-Topf abbekommen. Bundesländer mit Linken, FDP oder BSW in der Regierung können wohl ohnehin nicht zustimmen, weil ihre Regierungsparteien keine einheitliche Linie finden. Auch die Freien Wähler in Bayern sind bisher nicht überzeugt.
Wenn das Vorhaben scheitert, wird Merz dann nicht Kanzler?
Union und SPD hätten dann zumindest die Grundlage ihrer bisherigen Einigungen verloren. Ohne das zusätzliche Geld werden viele Vorhaben nicht finanzierbar sein – oder es wären heftige Kürzungen in anderen Bereichen im Haushalt nötig. Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss. Zumindest müsste wohl vieles noch einmal auf den Tisch und ganz neu besprochen werden. Eine echte Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings auch nicht, wenn man Kooperationen mit der AfD und Minderheitsregierungen ausschließt.