«Free Lina» fordern Unterstützer der Linksextremistin seit Jahren.
19.03.2025 - 12:44:15BGH bestätigt Verurteilung: Lina E. muss ins Gefängnis. Doch daraus wird nichts. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren abgeschlossen.
Angriffstrainings, militant-linksextremistische Gesinnung und brutale Überfälle auf tatsächliche und vermeintliche Neonazis: Detailliert listet der Vorsitzende Richter, Jürgen Schäfer, bei der Urteilsverkündung am Bundesgerichtshof (BGH) noch mal auf, worum es im Fall Lina E. geht.
Bis auf kleinere Änderungen bestätigt der Karlsruher Senat die Verurteilung der heute 30-Jährigen. Eine erneute Hauptverhandlung brauche es nicht, sagt Schäfer nach etwa einer Dreiviertelstunde. Die Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten ist damit rechtskräftig. Für E. heißt das: Nach fast zwei Jahren auf freiem Fuß muss sie bald wieder ins Gefängnis.
Schäfer nutzt die Verkündung für ganz grundsätzliche Kritik: «Das Mittel der politischen Auseinandersetzung ist das Wort, nicht die Gewalt.» Das gelte für rechte wie linke und sonstige Weltanschauungen. Das Zusammenschlagen und -treten von Menschen mit teils weitreichenden Folgen sei nicht zu rechtfertigen und nicht zu entschuldigen, betont der Senatsvorsitzende.
BGH bestätigt: Lina E. war keine Rädelsführerin
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte E. im Mai 2023 unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Sie soll gemeinsam mit weiteren Mitangeklagten von 2018 bis 2020 an mehreren teils lebensgefährlichen Angriffen auf tatsächliche und vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Sachsen und Thüringen beteiligt gewesen sein. Das Urteil löste bundesweit heftige Proteste in der linksradikalen Szene aus.
In der mündlichen Verhandlung im Februar war auch die Rolle von Lina E. innerhalb der Gruppierung Thema gewesen. Das OLG hatte ihr zwar eine herausgehobene Stellung attestiert, eine Rädelsführerschaft aber verneint. Der BGH folgt dieser Einschätzung. E. hatte bei den Überfällen meist als sogenannte Überblickperson agiert, die andere Personen mit Pfefferspray von einem Eingreifen abhielt und den Komplizen das Kommando zum Rückzug gab.
Lina E. derzeit auf freiem Fuß
Anders als bei der Verhandlung demonstriert die linke Szene bei der Verkündung nicht mit «Free Lina»-Bannern vor dem BGH. Auch die Angeklagte selbst kommt erneut nicht nach Karlsruhe.
Sie ist derzeit auf freiem Fuß. Der Haftbefehl gegen sie wurde mit dem Urteil des OLG unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft kam sie zunächst frei - bis das Urteil rechtskräftig ist.
Nun muss sie die Reststrafe verbüßen. Wie lange genau E. noch in Haft kommt, muss nach Angaben ihres Anwalts, Erkan Zünbül, ausgerechnet werden. Dabei werde etwa die Untersuchungshaft berücksichtigt. Zünbül begrüßt, dass die Revision der Bundesanwaltschaft verworfen wurde und das Verfahren nun abgeschlossen ist.
Bundesanwaltschaft mit Revision erfolglos
Sowohl die Bundesanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten gegen die Dresdner Entscheidung Revision eingelegt. Beide Seiten beantragten, unterschiedliche Teile des mehr als 400 Seiten langen Urteils aufzuheben und zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Bundesanwaltschaft hatte sich mit ihrer Revision unter anderem gegen einen Teilfreispruch E.s in Hinblick auf eine weitere Tat gewandt. Der Karlsruher Senat sieht hier in der Beweiswürdigung des OLG aber keine Rechtsfehler und verwirft daher die Revision der obersten deutschen Anklagebehörde komplett.
Bundesanwalt Matthias Krauß wertet das Urteil dennoch positiv. «Angriffe auf die Beweiswürdigung sind in der Regel nicht erfolgreich», sagt er. Dass der BGH hier keine Lücke oder Widerspruch feststellen konnte, könne er «gut nachvollziehen». Er halte die Entscheidung für zutreffend.
Der BGH prüfte das Urteil ausschließlich auf Rechtsfehler. Er hörte also keine Zeugen oder erhob neue Beweise.
Weil der BGH seine Rechtssprechung zur Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen im November geändert hat, hebt er aber eine Einzelstrafe auf. Auch den Schuldspruch passt er im Detail an. Auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe habe dies aber keine Auswirkungen, sagt Schäfer.
Weitere mutmaßliche Komplizen in U-Haft
Zu den damals in Dresden Mitangeklagten wolle der Senat zeitnah entscheiden, kündigt Schäfer an. Dies dürfte schriftlich passieren, ohne Verhandlung.
Aber damit ist das Kapitel um die Gruppierung noch lange nicht abgeschlossen: Im November ließ die Bundesanwaltschaft den lange untergetauchten mutmaßlichen Komplizen Johann G. festnehmen. Er soll unter anderem im Februar 2023 mit anderen in der ungarischen Hauptstadt Budapest Menschen angegriffen haben, die aus ihrer Sicht zum rechten Spektrum zählten.
Darüber hinaus stellten sich sieben Menschen im Zusammenhang mit diesem Überfall den deutschen Behörden. Ihre Verteidiger wollen eine Auslieferung nach Ungarn verhindern, weil ihren Mandanten dort eine Verurteilung zu einer «überlangen Haftstrafe» drohe, das Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genüge und die Haftbedingungen menschenunwürdig seien.