ROUNDUP, Hilfen

Es geht um Hilfe für Menschen in besonders verzweifelter Lage: Um Selbsttötungen stärker vorzubeugen, sollen Anlaufstellen und Beratung ausgebaut werden.

02.05.2024 - 16:21:03

Mehr Hilfen und Hindernisse zum Schutz vor Suiziden

Darauf zielt eine Präventionsstrategie, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag vorgestellt hat. Seit gut 20 Jahren nehme die Zahl der Suizide mit rund 10 000 betroffenen Menschen pro Jahr nicht ab, sagte der SPD-Politiker in Berlin. "Es sind oft Kurzschlussentscheidungen, und es sind oft Tragödien, auch für die Familien." Daher gelte es, die Suizidrate zu senken. Im Blick stehen unter anderem eine neue Telefon-Hotline und mehr Sicherungen an Brücken.

"Das Schicksal der Betroffenen, der Angehörigen und Hilfskräfte darf uns nicht egal sein", sagte Lauterbach. Größtenteils gehe es bei Suiziden um Männer, häufig Ältere, die zuvor psychische Probleme gehabt hätten. Insgesamt müsse eine systematische Betreuung dieser Menschen gewährleistet werden. Vorgesehen ist dafür nun auch ein gesetzlicher Rahmen.

Die Chefin der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, Ute Lewitzka, verwies darauf, dass durch Suizide jedes Jahr mehr Menschen ums Leben kommen als bei Verkehrsunfällen. Natürlich werde alles versucht, Unfalltote zu verhindern. "Aber bisher war es noch nicht so offensichtlich, was wir in diesem Land tun, um die Suizidalität zu beeinflussen." Bestehende Angebote seien oft nur befristet finanziert. Im Blick stehen sollen jetzt verschiedene Bereiche:

* Krisenhotline: Lauterbach sagte, denkbar sei eine nationale Rufnummer wie zum Beispiel die 113 ? ähnlich wie die bekannten Nummern 110 für die Polizei und 112 für die Feuerwehr. Dort müsste rund um die Uhr ein wissenschaftlich fundiertes Hilfsangebot vorgehalten werden. Expertin Lewitzka erläuterte, es gehe um eine ganz spezielle Beratung bei akuten Suizidgedanken auch über die "wunderbare Arbeit der Telefonseelsorgen" hinaus.

* Hindernisse: Als wichtiger Ansatzpunkt gilt, bekannte Risiko-Orte mit schützenden Bauten abzusichern und abzusperren, zum Beispiel mit Zäunen oder Auffangnetzen an Brücken, Hochhäusern oder Bahnanlagen. Denn oft fixierten sich Suizidpläne auf einen Ort, erläuterte Lauterbach. Sei der Suizid dann dort nicht möglich, werde die Absicht häufig ganz aufgegeben.

* Weitere Maßnahmen: Angepeilt werden auch verstärkte Schulungen etwa für Fachkräfte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Lauterbach nannte zudem kleinere Packungsgrößen von Schmerzmitteln und ein mögliches Register mit pseudonymisierten Daten zu Suiziden.

Insgesamt sei die Entstehung von Suizidalität komplex, sagte Expertin Lewitzka. Größter Risikofaktor seien psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen. Ursachen könnten aber auch Schicksalsschläge, Verluste, Kränkungen, schwere Erkrankungen oder Einsamkeit sein. Die Zahl der Suizide in Deutschland stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2022 auf 10 119. Das entsprach rechnerisch fast 28 Fällen am Tag. Auf längere Sicht sank die Zahl demnach aber, so waren es 1980 rund 50 Suizide pro Tag. Generell wurden drei Viertel der Suizide von Männern begangen ? im Schnitt im Alter von rund 60 Jahren, bei Frauen mit gut 61 Jahren.

Das Thema ist jetzt auf die Agenda gerückt, nachdem der Bundestag im Juli 2023 einen Ausbau der Vorbeugung eingefordert hatte. Damals waren zwei Initiativen gescheitert, für Angebote zur Sterbehilfe einen gesetzlichen Rahmen mit Vorgaben zu Wartezeiten und Beratungen zu schaffen. Stattdessen forderte das Parlament mit großer Mehrheit mit einem Antrag, Präventionsangebote umfassend auszubauen.

Inzwischen beschäftigen sich Abgeordnetengruppen wieder mit einem möglichen zweiten Anlauf noch in dieser Wahlperiode bis 2025. Lauterbach zeigte sich als Parlamentarier grundsätzlich offen dafür. Expertin Lewitzka sprach sich dafür aus, vor einer möglichen Regelung zur Sterbehilfe das nun angepeilte Präventionsgesetz zu besiegeln. Die damit vorgesehenen Bremsen brauche es vorher.

@ dpa.de