Erstmals liegt für Deutschland eine Nationale Sicherheitsstrategie vor.
14.06.2023 - 11:41:30Bundesregierung setzt auf «integrierte Sicherheit». Ihr Ansatz beruht auf vernetztem Denken: Alle Akteure sollen zusammenwirken, alle Instrumente ineinander greifen.
Mit einer «Politik der Integrierten Sicherheit» will die Bundesregierung auf die Herausforderungen einer instabileren Weltordnung und wachsender Bedrohungen reagieren. Deutschlands sicherheitspolitisches Umfeld habe sich allein in den zurückliegenden knapp eineinhalb Jahren stark verändert, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin bei der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie.
Er verwies vor allem auf den russischen Angriff auf die Ukraine. «Bei allen Veränderungen bleibt es die zentrale Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, ohne Abstriche.»
Es gehe nicht mehr allein um Verteidigung und Bundeswehr, «sondern um die ganze Palette unserer Sicherheit», betonte Scholz. Dazu gehöre Diplomatie genauso wie Polizei, Feuerwehr, technische Hilfswerke, Entwicklungszusammenarbeit, Cyber-Sicherheit und die Resilienz von Lieferketten. «All diese Mittel und Instrumente müssen ineinander greifen und zusammenwirken, um die Sicherheit unseres Landes zu stärken», sagte der Kanzler.
Er stellte die zuvor nach monatelangen Beratungen vom Kabinett beschlossene Nationale Sicherheitsstrategie zusammen mit seinen Ministerinnen und Ministern Annalena Baerbock (Grüne/Außen), Nancy Faeser (SPD/Innen), Christian Lindner (FDP/Finanzen) und Boris Pistorius (SPD/Verteidigung) vor.
Deutschland soll widerstandsfähig werden
Nach der Sicherheitsstrategie sollen alle relevanten Politikbereiche und Akteure einbezogen werden, um Deutschland widerstandsfähig zu machen. Dies reicht von der Landes- und Bündnisverteidigung über den Schutz technischer Infrastruktur, die Cyber- und Weltraumsicherheit bis hin zur Rohstoff-, Energie- und Ernährungssicherheit. Genannt werden auch die Zivilverteidigung und der Bevölkerungsschutz, die Entwicklungspolitik, der Schutz vor fremder Einflussnahme und Spionage sowie der Umgang mit Klimakrise und Pandemien. Einbezogen werden sollen Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger.
Die Bundesregierung bekennt sich in der Sicherheitsstrategie auch zur Nato und EU und zur Stärkung der Bundeswehr, indem im langjährigen Durchschnitt zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investiert werden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung solle gegen illegitime Einflussnahme verteidigt, die Abhängigkeit bei Rohstoffen und Energie durch Diversifizierung der Lieferbeziehungen abgebaut werden.
Es braucht fiskalische Reserven
Finanzminister Lindner betonte, Sicherheit habe auch eine finanzielle Dimension. «Fiskalische Reserven bedeuten in Krisensituationen eben, Handlungsvermögen zu haben», sagte der FDP-Vorsitzende. So wären die Corona-Pandemie und der Energiepreisschock im vergangenen Jahr unter anderen Umständen mit einer erheblichen Gefährdung des sozialen Friedens verbunden gewesen - «wenn wir nicht über die fiskalischen Reserven verfügt hätten, um die Vernichtung von Existenzen abzuwenden».
Auf die Bildung des lange diskutierten Nationalen Sicherheitsrats zur Koordination der Regierungshandelns verzichtet die Ampel-Koalition. Man habe den Mehrwert der verschiedenen Vorstellungen sorgfältig erwogen «und einen größeren Mehrwert nicht erkannt», sagte Scholz. Es gebe den Bundessicherheitsrat, der entsprechende Entscheidungen treffe. Baerbock verwies auf die guten Erfahrungen mit dem Sicherheitskabinett nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Es habe sich gezeigt, dass man in kritischen Momenten vertrauensvoll zusammenkommen und entscheiden könne. Dies werde auch in Zukunft fortgeführt.
«Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum», heißt es in dem mehr als 70 Seiten starken Papier. Und: «China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale.» Dabei hätten die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen. «China versucht auf verschiedenen Wegen, die bestehende regelbasierte internationale Ordnung umzugestalten, beansprucht immer offensiver eine regionale Vormachtstellung und handelt dabei immer wieder im Widerspruch zu unseren Interessen und Werten.»