Hilfsgüter, US-Geiseln

Die Hamas lässt zwei US-Geiseln frei, während in der Region weiter um ein Ende der Gewalt gerungen wird.

21.10.2023 - 06:00:56

Hilfsgüter stecken weiter fest - zwei US-Geiseln frei. Die Lage im Gazastreifen spitzt sich zu - ein Gipfel in Ägypten soll den Weg für Frieden bereiten.

  • Eine Frau weint nach einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt. - Foto: Mohammad Abu Elsebah/dpa

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  • Ein mit Hilfsgütern beladener LKW-Konvoi am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. - Foto: Sayed Hassan/dpa

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  • Israelische Soldaten nahe der Grenze zum Gazastreifen. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

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  • Trauer in der Leichenhalle eines Krankenhauses in Tulkarm im Westjordanland. - Foto: Ayman Nobani/dpa

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  • Zwei Wochen nach Kriegsbeginn hat die Hamas die beiden US-amerikanischen Geiseln Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan freigelassen. - Foto: Uncredited/Government of Israel/dpa

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Eine Frau weint nach einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt. - Foto: Mohammad Abu Elsebah/dpaEin mit Hilfsgütern beladener LKW-Konvoi am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. - Foto: Sayed Hassan/dpaIsraelische Soldaten nahe der Grenze zum Gazastreifen. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpaTrauer in der Leichenhalle eines Krankenhauses in Tulkarm im Westjordanland. - Foto: Ayman Nobani/dpaZwei Wochen nach Kriegsbeginn hat die Hamas die beiden US-amerikanischen Geiseln Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan freigelassen. - Foto: Uncredited/Government of Israel/dpa

Nach der Freilassung zweier Geiseln der islamistischen Hamas im Gazastreifen laufen die diplomatischen Bemühungen um ein Ende der Gewalt im Nahen Osten auf Hochtouren.

Während Ägypten den Weg dafür heute mit einem «Gipfel für den Frieden» ebnen will, bleibt Israel dem Treffen zahlreicher Staats- und Regierungschefs der Nahostregion fern und lässt das eigene Militär weiter eine mögliche Bodenoffensive gegen die Hamas vorbereiten. Unterdessen wird die Lage für die Hunderttausenden in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens Geflüchteten immer unerträglicher. Hilfsgüter für sie stecken weiterhin in Ägypten fest.

Fotos und Video zeigen Geiselfreilassung

Zwei Wochen nach Kriegsbeginn hat die Hamas die beiden US-amerikanischen Geiseln Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan freigelassen. Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, der israelische Verantwortliche für die Entführten und Vermissten, Brigadegeneral Gal Hirsch, habe die beiden an der Grenze des Gazastreifens in Empfang genommen.

Auf einem Foto sind sie Hand in Hand mit Hirsch zu sehen, begleitet von Soldaten. Die Hamas veröffentlichte zudem ein Video von der Geiselübergabe. US-Präsident Joe Biden sprach anschließend am Telefon mit den Freigelassenen und sicherte ihnen Unterstützung zu, sich «von dieser schrecklichen Tortur» zu erholen. «Ich bin überglücklich, dass sie bald wieder mit ihrer Familie vereint sein werden, die von Angst gequält war», teilte der US-Präsident gestern in Washington mit.

Israel: Hamas ist mörderische Terrororganisation

Israels Militär schrieb zur Freilassung der beiden US-Geiseln auf Telegram: «Die Hamas stellt sich der Welt so dar, als hätte sie die Frauen, die sie als Geiseln genommen hat, aus humanitären Gründen zurückgegeben, während die Hamas in Wirklichkeit eine mörderische Terrororganisation ist, die gerade jetzt Säuglinge, Kinder, Frauen und ältere Menschen im Gazastreifen als Geiseln hält und weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.»

Der militärische Arm der Hamas hatte zuvor die Freilassung der zwei US-Staatsbürgerinnen als «Reaktion auf die Bemühungen Katars» angekündigt. Israel will nach den verheerenden Terroranschlägen der Hamas die militärischen Fähigkeiten sowie die Herrschaft der islamistischen Organisation ausschalten. Mehr als 1400 Menschen fielen in Israel den Hamas-Angriffen zum Opfer. Mindestens 203 Menschen, darunter auch mehrere Deutsche, wurden zudem entführt.

Zahl der Toten steigt

Seit den Hamas-Angriffen bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen. Dabei starben seit dem 7. Oktober nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 4137 Menschen, davon 70 Prozent Kinder und Frauen. Mehr als 1000 Menschen würden vermisst. Sie befänden sich vermutlich unter den Trümmern.

In der Nacht setzte die israelische Luftwaffe ihr Bombardement der islamistischen Hamas im Gazastreifen fort. Kampfflugzeuge griffen zahlreiche Stellungen der Islamisten in der gesamten Küstenenklave an, wie das israelische Militär am Morgen auf Telegram bekanntgab. Dazu gehörten Kommandozentralen, Abschussrampen für Panzerabwehrraketen und strategische Infrastruktur der Hamas, die für Terrorzwecke genutzt werde. Auch Scharfschützen- und Beobachtungsposten der Hamas, die sich in mehrstöckigen Gebäuden befänden, seien bombardiert worden.

Derweil nimmt der Druck auf Israel zu, eine Bodenoffensive in der hermetisch abgeriegelten Küstenenklave aufzuschieben, um mehr Zeit für die Freilassung weiterer von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu gewinnen, wie das «Wall Street Journal» berichtete. Israel wird an dem «Gipfel für den Frieden» in Ägypten, dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Nahostregion sowie Vertreter der UN und auch Außenministerin Annalena Baerbock beiwohnen werden, nicht teilnehmen. Man sei nicht eingeladen und nehme auch nicht teil, so ein Sprecher.

Sorge vor Ausweitung des Konflikts

Außenministerin Baerbock erhofft sich von dem Treffen ein Signal gegen eine Ausweitung des Gaza-Kriegs. Sie warnte den Iran und seine verbündeten schiitischen Milizen wie die libanesische Hisbollah, sich in den Gaza-Krieg einzuschalten. Seit Tagen kommt es an Israels Grenze zum Libanon immer wieder zu Schusswechseln mit der Hisbollah.

Israel ruft Bürger zum Verlassen von Ägypten und Jordanien auf

Israel rief seine Staatsbürger unterdessen aus Sorge vor Vergeltungsangriffen wegen des Gaza-Kriegs dazu auf, die arabischen Nachbarländer Ägypten und Jordanien umgehend zu verlassen. Das israelische Außenministerium veröffentlichte eine entsprechende Empfehlung des Nationalen Sicherheitsstabs. Die Alarmstufe für die Länder sei auf die höchste Warnstufe (hohe Bedrohung) erhöht worden. Dies schließe auch die Sinai-Halbinsel ein, ein beliebtes Tourismusziel für viele Israelis.

Für Marokko gelte wie für Jordanien und Ägypten die Empfehlung, auf nicht essenzielle Reisen dorthin zu verzichten. Eine Reisewarnung gelte auch für andere Länder der Region wie die Türkei sowie die Golfstaaten und andere muslimische Länder.

«In den letzten Tagen gibt es eine weitere erhebliche Verschärfung der Proteste gegen Israel in verschiedenen Ländern, vor allem in arabischen Staaten im Nahen Osten», hieß es in der Mitteilung. Es gebe auch «Feindseligkeit und Gewalt gegen israelische und jüdische Symbole». Außerdem hätten islamistische Kräfte weltweit ihre Rhetorik verschärft und zu weltweiten Anschlägen auf Israelis und Juden aufgerufen.

Lage für die Menschen im Gazastreifen spitzt sich zu

Derweil stecken Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen weiter in Ägypten fest. Grund seien Auflagen, die an die Öffnung des Grenzpostens und die Weiterleitung zu den Bedürftigen gestellt worden seien, sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor dem Grenzübergang Rafah auf ägyptischer Seite. «Hinter diesen Mauern haben wir zwei Millionen Menschen, die enorm leiden», sagte Guterres.

«Sie haben kein Wasser, keine Nahrungsmittel, keine Medikamente, keinen Treibstoff, sie werden beschossen. (...) Und auf dieser Seite stehen die Lastwagen (...) mit genau den Sachen, die auf der anderen Seite gebraucht werden.» US-Präsident Biden rechnet nach eigenen Worten damit, dass erste Hilfslieferungen in den kommenden ein bis zwei Tagen in den von Israel abgeriegelten Küstenstreifen gebracht werden können. Er habe von Israel und Ägypten die Zusage bekommen, dass der Grenzübergang Rafah offen sein werde. Die Zugangsstraße sei in schlechtem Zustand gewesen und habe asphaltiert werden müssen.

Experte: Nahost-Krieg stärkt Feinde regelbasierter Weltordnung

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas und die drohende regionale Ausweitung könnte laut einem Experten den Westen und den Rest der Welt noch weiter auseinandertreiben. «Global betrachtet droht der Krieg in Nahost die Feinde einer regelbasierten Weltordnung weltweit zu stärken», sagte der Israel-Experte Stephan Vopel von der Bertelsmann Stiftung der Deutschen Presse-Agentur.

Der Iran, aber auch China und Russland profitierten von einer «anti-israelischen Stimmungsmache unter den Bevölkerungen arabischer und muslimischer Staaten». Zugleich drohe der Konflikt «die Annäherung des Westens an die Staaten des Globalen Südens zu gefährden», weil dem Westen eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vorgeworfen werde, so Vopel.

@ dpa.de