Die Gewerkschaft Verdi überzieht den Luftverkehr in Deutschland mit einer Reihe schmerzhafter Warnstreiks.
20.02.2024 - 14:58:28Hunderte Lufthansa-Flüge fallen wegen Warnstreiks aus. Doch es gibt Hoffnung auf ein Konfliktende an gleich mehreren Verhandlungstischen.
Die Passagiere der Lufthansa sind am Dienstag erneut auf eine harte Geduldsprobe gestellt worden. Nach mehr als 1000 Flugausfällen infolge eines weiteren Verdi-Warnstreiks am Boden richten sich nun die Hoffnungen auf die Tarifverhandlungen, die am Mittwoch fortgesetzt werden sollen.
Parallel zu den Gesprächen in der Frankfurter Lufthansa-Zentrale verhandelt die Gewerkschaft in Berlin mit den privaten Unternehmen der Luftsicherheit. Hier hatten am 1. Februar die rund 25.000 Beschäftigten ebenfalls einen Warnstreik an den Passagierkontrollen veranstaltet und mit mehr als 1100 Flugausfällen für ein ähnliches Ergebnis gesorgt.
Verdi nutzt die jeweilige Streikmacht der von ihr vertretenen Beschäftigtengruppen im Luftverkehr. Ohne vorherige Urabstimmung untermalen die Warnstreiks die jeweiligen Verhandlungen über mehr Lohn und Anerkennung. «Mit dem braven Boden ist es vorbei», hieß es am Dienstag bei der Protestkundgebung mit rund 1000 Teilnehmern vor der Lufthansa-Zentrale. Mit einem unbefristeten Streik hat die Gewerkschaft noch nicht gedroht – und muss es wahrscheinlich auch nicht tun.
Der Warnstreik war besonders an den Drehkreuzen München und Frankfurt zu spüren, aber auch an vielen anderen Flughäfen wurden Lufthansa-Flüge von den Tafeln gestrichen. Die Lufthansa hatte betroffene Passagiere davor gewarnt, zum Flughafen zu kommen, weil dort keine Umbuchungen möglich sind. Streikaktionen gab es auch in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart. An weiteren Flughäfen fielen Flüge zu den beiden Lufthansa-Drehkreuzen ebenfalls aus.
Der Verdi-Warnstreik des Bodenpersonals läuft von Montagabend bis Mittwochmorgen. «Unverhältnismäßig» nennt das Personalvorstand Michael Niggemann, doch wirklich etwas dagegen tun kann er nicht. «Wir haben jetzt zweimal bewiesen, dass wir streiken können», sagt Verdi-Chefverhandler Marvin Reschinsky. «Es wäre daher klug, jetzt zum Abschluss zu kommen.»
Vergleich mit öffentlichem Dienst
Der Gewerkschafter pocht auf ein höheres Angebot. Im Vergleich zu den Piloten fielen die angebotenen Gehaltserhöhungen für das Bodenpersonal deutlich zu niedrig aus, rief er seinen Leuten zu. Der von der Lufthansa bemühte Vergleich, das Angebot entspreche dem Abschluss im öffentlichen Dienst, ziehe nicht. «Wir haben bei Lufthansa keine klammen Kassen. Und anders als im öffentlichen Dienst haben die Beschäftigten aus der Corona-Zeit noch starken Nachholbedarf.»
Aus der Corona-Asche ist der zwischenzeitlich vom Staat gerettete Konzern steil aufgestiegen. Die milliardenschweren Staatshilfen sind zurückgezahlt, und in wenigen Tagen will Lufthansa-Chef Carsten Spohr mit rund 2,7 Milliarden Euro einen der höchsten operativen Gewinne der Unternehmensgeschichte präsentieren.
Teurere Tickets bescherten dem Konzern im Sommer Rekordeinnahmen. Auch in diesem Jahr sind die Prognosen dank weltweit knapper Flugzeug-Kapazitäten und starker Nachfrage positiv.
Verdi verlangt für die mehr als 20 000 Bodenbeschäftigten 12,5 Prozent mehr Geld sowie eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro bei einer Laufzeit von einem Jahr. Lufthansa hat die Prämie in gestückelter Form sowie rund 10 Prozent mehr Gehalt angeboten, allerdings wesentlich später und auf eine mehr als doppelt so lange Laufzeit gerechnet. Es scheint nur noch um Zahlpunkte und Laufzeit zu gehen, aber ein Lufthansa-Sprecher ließ offen, ob das Unternehmen das Angebot erhöht. Dann könne man auch am Donnerstag weiterverhandeln, lockt Verdi-Verhandlungsführer Reschinsky.
Fünf Runden ohne Ergebnis
Ähnlich stellt sich die Lage in der Luftsicherheit nach fünf ergebnislosen Verhandlungsrunden dar. Die Tarifpartner haben sich für die sechste Runde von vornherein auf zwei Tage verabredet. Für die Passagier- und Gepäckkontrolleure fordert Verdi pauschal 2,80 Euro mehr Stundenlohn. Zusammen mit weiteren Forderungen ergebe das ein Volumen zwischen 13,6 und 20,25 Prozent, haben die Arbeitgeber vom Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen errechnet.
Das übersteige den geforderten Inflationsausgleich deutlich und sei wirtschaftlich nicht umsetzbar. «Unser Ziel ist es, den Kaufkraftverlust der Beschäftigten nachhaltig auszugleichen. Die Arbeit der Luftsicherheitskräfte muss finanziell attraktiv bleiben, damit die dringend benötigten Fachkräfte gewonnen und gehalten werden können», hält Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper dagegen.