Die Auswirkungen von potentiellen Neuwahlen auf die politische Landschaft in Thüringen und auf Bundesebene, werden von Wissenschaftlern als enorm eingeschätzt.
07.02.2020 - 11:02:40
Politologen beurteilen die Konsequenzen einer Neuwahl in Thüringen skeptisch
Die Situation nach der Wahl und dem postwendenden Rücktritt des FDP-Politikers Thomas Kemmerich als Ministerpräsident von Thüringen, stehen die etablierten Parteien vor einem politischen Scherbenhaufen. Das Bild, das die Parteien seit der umstrittenen Wahl abgegeben haben, ist ein Fiasko. Die politische Kurzsichtigkeit und Inkompetenz, die sich im Wahlverhalten der Landtagsfraktionen von CDU und FDP in Thüringen offenbart hat, wird zu einem weitern Ansteigen der Politikverdrossenheit führen. Eine mögliche Konsequenz ist eine Abstrafung der Parteien bei den wahrscheinlich bevorstehenden Neuwahlen, warnt der Politologe Heinrich Oberreuter in der heutigen „Handelsblatt“-Ausgabe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die desolate Vorstellung der Parteien zu einem Rechtsruck in Thüringen führen werden. Ich prognostiziere eine Wählerwanderung zur AfD. Trotzdem ist eine Neuwahl alternativlos, so der Passauer Professor.
Bei vorgezogenen Landtagswahlen, wird die AfD versuchen, die Vorkommnisse für sich auszunutzen, prophezeit der Berliner Politologe Oskar Niedermayer. Die ersten Presseverlautbarungen der AfD zeigen schon die Taktik der Partei bei den möglichen Neuwahlen. Die AfD wird den Rücktritt und die Auflösung des Landtags als Kapitulation der Landesparteien vor Bundeskanzlerin Angela Merkel interpretieren. Weiterhin steht dann der Vorwurf eines anti-demokratischen Verhaltens der etablierten Parteien im Raum. Die AfD wird sich als Opfer und eigentlicher Vertreter des politischen Willens der schweigenden Mehrheit stilisieren. Die Strategie ist klar, die Wahl von Kemmerich wird als demokratischer Wille des Parlaments dargestellt. Ich sehe hier ein großes Potential für die AfD, so der Berliner Politikwissenschaftler. Die gleichen Beobachtungen äußert auch Kai Arzheimer, Politologe an der Universität Mainz. CDU und FDP müssen mit erheblichen Verlusten rechnen. Die Entwicklung der AfD beurteilt Arzheimer allerdings undramatischer als seine Kollegen. Gegenüber dem „Handelsblatt“ geht der Mainzer Politologe zwar von leichten Zugewinnen der AfD aus, aber ein Erdrutsch wird das nicht, so Arzheimer.