Deutschlands Wähler entscheiden über die künftigen Machtverhältnisse im Bundestag.
23.02.2025 - 16:12:10Wahlbeteiligung bis zum Nachmittag bei 52 Prozent. Nach einem teils polarisierenden Wahlkampf gibt es mancherorts einen deutlich stärkeren Andrang in den Wahllokalen.
Bei der Bundestagswahl haben bis zum Nachmittag mehr als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme im Wahllokal abgegeben. Bis 14.00 Uhr lag die Beteiligung bei 52,0 Prozent, wie die Bundeswahlleiterin mitteilte. Einen Vergleichswert zur vorherigen Wahl nannte sie nicht. Damals war für die Zeit bis 14.00 Uhr eine Beteiligung von 36,5 Prozent mitgeteilt worden. Allerdings lag 2021 die Zahl der Briefwähler vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie auf einem Rekordwert - diese sind in den Zwischenständen nicht berücksichtigt.
Aussagen im Hinblick auf die Entwicklung der Gesamtwahlbeteiligung sind daher schwierig. Bundesweit hatte diese 2021 am Ende - nach einer Teilwiederholung in Berlin - bei 76,4 Prozent gelegen.
Mehr als 59 Millionen Menschen sind wahlberechtigt, die Wahllokale sind noch bis 18.00 Uhr geöffnet. Unmittelbar danach werden wie üblich Prognosen zum Wahlausgang erwartet.
Die Umfragen vor der Wahl hatten die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) klar vorn gesehen. Auf Platz zwei lag dort die AfD, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird. Dahinter standen im Mittelfeld zuletzt SPD und Grüne. Während die Linke demnach wieder ins Parlament einziehen dürfte, wurde für die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Zitterpartie erwartet.
Mehrere Bundesländer melden starken Anstieg der Beteiligung
Mehrere Bundesländer meldeten für die ersten Stunden der Wahl eine deutlich höhere Beteiligung. In Thüringen gaben bis 14.00 Uhr nach Angaben des Landeswahlleiters 59,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab - gegenüber nur 34,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2021. Briefwählerinnen und Briefwähler sind dabei nicht eingerechnet. Auch in Sachsen-Anhalt ging es nach oben, die Beteiligung in den Wahllokalen lag bis zum Nachmittag bei 52,6 Prozent (2021: 36,7 Prozent).
In Nordrhein-Westfalen zeichnete sich in acht ausgewählten Kommunen eine «tendenziell» höhere Wahlbeteiligung als 2021 ab. In Niedersachsen stimmten bis 12.30 Uhr etwa 42,9 Prozent der Wahlberechtigten in den Wahllokalen ab, wie die Landeswahlleitung in Hannover mitteilte. Das sind gut sechs Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Wahl. Noch etwas stärker fiel der Anstieg in Berlin aus, dort lag die Beteiligung um 12.00 Uhr bei 33 Prozent - gegenüber 25,4 Prozent beim letzten Mal. In Rheinland-Pfalz dagegen wurde bis zum Mittag eine Beteiligung etwa auf dem Niveau von 2021 gemeldet, in Schleswig-Holstein lag die Beteiligung bis 14.00 Uhr etwas niedriger als 2021.
Regierungsbildung könnte kompliziert werden
Die turnusmäßig eigentlich erst im Herbst anstehende Bundestagswahl wurde vorgezogen, nachdem die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war und Kanzler Olaf Scholz (SPD) planmäßig eine Vertrauensfrage im Parlament verloren hatte.
Die Regierungsbildung könnte je nach Mehrheitsverhältnissen eine große Herausforderung werden. Merz strebt eine Zweierkoalition mit SPD oder Grünen an, während CSU-Chef Markus Söder eine Koalition mit den Grünen strikt ablehnt. Sollten mehrere kleine Parteien über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, dürfte die Union auf zwei Koalitionspartner angewiesen sein. Wie beim gescheiterten Ampel-Bündnis könnte dies eine größere Instabilität bedeuten.
Scholz wählt nach Frühsport, Merz in Schützenhalle
Kanzler Olaf Scholz erschien in Potsdam händchenhaltend mit seiner Ehefrau Britta Ernst zur Stimmabgabe. Am Morgen war der 66-Jährige in Begleitung von Personenschützern noch beim Joggen zu sehen. Scholz' Frau feiert am Wahltag Geburtstag und wird 64 Jahre alt. Der SPD-Politiker tritt als Direktkandidat unter anderem gegen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an. Falls er das Direktmandat gewinnt, will er die gesamte Legislaturperiode im Bundestag bleiben - auch wenn er nicht erneut Regierungschef wird.
Merz gab seinen Wahlzettel an seinem Wohnort im Hochsauerlandkreis in einer Schützenhalle ab. Bei strahlendem Sonnenschein war er in Begleitung seiner Frau Charlotte zu Fuß gekommen. Ein Statement für die wartenden Journalisten gab er nicht. 2021 hatte er das Direktmandat mit 40,4 Prozent der Erststimmen gewonnen und war damit nach längerer Politikpause in den Bundestag zurückgekehrt. Das ländlich geprägte Hochsauerland ist eine CDU-Bastion.
Neben Scholz und Merz treten auch die AfD-Vorsitzende Alice Weidel, Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht als Kanzlerkandidaten an.
Neuer Bundestag wird nach Reform deutlich schlanker
Der neue Bundestag wird wegen einer Reform deutlich schlanker sein. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf 630 begrenzt – mehr als 100 weniger als aktuell. Dafür fallen die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate weg, die bisher das Parlament oft stark aufgebläht haben. Nun kommen mit Erststimme gewählte Kandidaten nur noch in den Bundestag, wenn ihre Partei auch genügend Zweitstimmen hat.
Die Wahl wurde um sieben Monate vorgezogen – das gab es bisher nur 1972, 1983 und 2005. Grund ist der Bruch der Ampel-Koalition. Kanzler Scholz schlug nach dem Nein des Bundestages zu seiner Vertrauensfrage vor, das Parlament aufzulösen – was Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann anordnete.
Wahlkampf geprägt von Themen Migration und Wirtschaft
Der kurze Winterwahlkampf war zuletzt geprägt von der Debatte über eine Begrenzung der Migration. Konkrete Auslöser für das Wiederaufflammen des Dauerthemas waren die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München, bei denen mehrere Menschen getötet und viele verletzt wurden.
Zweites Hauptthema war die schwächelnde Wirtschaft. Merz hat Steuersenkungen und radikale Änderungen beim Bürgergeld angekündigt, die SPD will über eine Reform der Schuldenbremse staatliche Investitionen erleichtern. Dass US-Vizepräsident J.D. Vance und Tech-Milliardär Elon Musk sich zugunsten der AfD äußerten, wurde von anderen Parteien als Einmischung in den Wahlkampf kritisiert.