Der Konflikt im Nahen Osten ist auch an deutschen Hochschulen angekommen.
07.05.2024 - 14:02:26Gaza-Aktivisten besetzen Hof der FU Berlin: Polizei vor Ort. Für einige Stunden besetzen Aktivisten einen Hof der Freien Universität Berlin.
Rund 100 propalästinensische Aktivisten haben am Dienstag zeitweise einen Hof der Freien Universität in Berlin besetzt. Die Polizei räumte am Nachmittag das Gelände. Zuvor hatte die Universität ein rasches Vorgehen angekündigt. «Die FU hat die Räumung angeordnet und die Polizei gerufen», so eine Sprecherin.
Die Besetzer des Theaterhofes forderten Solidarität mit den Menschen in Gaza. Dafür bauten sie auch Zelte auf dem Gelände der Hochschule im Stadtteil Dahlem auf. «Wir besetzen die Freie Universität Berlin», hieß es in einer Ansprache. Dies geschehe in Solidarität mit dem palästinensischen Volk.
Kritisiert wurde das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Dies erfordere sofortige Reaktionen und internationale Solidarität, hieß es zur Begründung des Protests. Die als «Student Coalition Berlin» auftretende Gruppe forderte die Besetzung deutscher Universitäten und studentischen Widerstand in Solidarität mit Gaza.
Parolen wie «Viva, viva, Palästina!» waren zu hören. Auf Plakaten wurde zum Streik als Form des Widerstands aufgerufen. Fahnen mit den palästinensischen Farben waren zu sehen. Polizeisprecher Michael Gassen sagte, es seien auch verbotene Parolen gerufen worden. Das werde von der Polizei dokumentiert, die Personen ermittelt und Verfahren angeleitet.
Polizei begleitet Demonstranten von Gelände
Das Gelände war von der Polizei zunächst abgesperrt und beobachtet worden, weitere Aktivisten wurden nicht durchgelassen. Am frühen Nachmittag wurden einzelne Gruppen demonstrierender Menschen vom Gelände begleitet. Schließlich wurde auch das Camp selbst geräumt. Nach mehrfachen Aufforderungen, das Gelände zu verlassen, begannen die Einsatzkräfte damit, einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzuführen. Am Rande kam es zu einzelnen Rangeleien zwischen Polizeikräften und Menschen aus benachbarten Uni-Gebäuden.
FU Berlin stellt Betrieb teilweise ein
Die Hochschule hat ihren Lehrbetrieb teilweise eingestellt. «Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU Berlin nicht akzeptabel. Wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung - aber nicht auf diese Weise», erklärte Universitätspräsident Günter Ziegler in einer Mitteilung.
Nach Angaben der Hochschule hatte Aktivisten des Protestcamps im Verlauf des Vormittags auch versucht, in Räume und Hörsäle der Universität einzudringen, um diese zu besetzen. Die Gruppe, die sich nach eigenen Angaben aus Studierenden verschiedener Berliner Hochschulen und andere Personen zusammensetzt, habe weitere Studierende und Professoren zur Teilnahme aufgefordert. Die Gruppe habe Forderungen aufgestellt, aber jeden Dialog oder Verhandlungen abgelehnt.
Es sei zu Sachbeschädigungen gekommen, hieß es in der Mitteilung. Die Universität habe Strafanzeigen erstattet. Der Lehrbetrieb in den Gebäuden Rost-, Silber- und Holzlaube sei eingestellt worden. Die Bibliotheken in diesen Gebäuden und die Mensa wurden geschlossen.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die Leitung der Hochschule. Die Besetzung zeige «eindeutig den fanatischen Charakter der daran beteiligten Gruppierungen», sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in einer Mitteilung. «Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute», so Schuster.
«Dass die Universitätsleitung erneut in einem Statement kein Wort über diesen ideologischen Unterbau verwendet, ist für mich mehr als irritierend. Ross und Reiter müssen klar benannt werden.» Er habe eine klare Positionierung erwartet. «Leider scheinen die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate in der FU-Leitung keine ausreichende Entwicklung hervorgerufen zu haben.»
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) will derartige Besetzungen nicht dulden. «Grundsätzlich ist es legitim, gegen Krieg zu demonstrieren, aber nicht in Form solcher Protestaktionen wie vor drei Tagen an der HU und heute an der FU, die auf Konfrontation und nicht auf Dialog ausgerichtet sind», teilte sie der Deutschen Presse-Agentur mit. Sie betonte: «Die Berliner Universitäten sind sicher. Die Hochschulen positionieren sich klar gegen Antisemitismus und gehen auch dagegen vor.»
In Leipzig besetzten am Nachmittag mehrere Menschen das Audimax der Universität. Einsatzkräfte der Polizei seien unterwegs, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Die Universität gab an, dass 50 bis 60 Besetzerinnen und Besetzer beteiligt seien.
Proteste in den USA
Am Freitag hatten Aktivisten an der Humboldt-Universität in Berlin protestiert. Rund 150 Menschen waren laut Polizei zu einer nicht angemeldeten Kundgebung zusammengekommen. Die Protestierenden forderten einen Hörsaal als Kundgebungsort, dem die Universitätsleitung nicht stattgab. In der Folge leitete die Polizei 37 Ermittlungsverfahren ein wegen möglicher Fälle von Volksverhetzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
In den USA gibt es seit mehr als zwei Wochen an zahlreichen Universitäten Proteste gegen den israelischen Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen und für Solidarität mit den dort lebenden Palästinensern. Kritiker werfen insbesondere dem radikalen Teil der Protestbewegung Antisemitismus und die Verharmlosung der Terrororganisation Hamas vor. Medienberichten zufolge sind in dem Zusammenhang 2000 Menschen festgenommen worden.
Hintergrund ist das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen steht Israel international in der Kritik.
Wegner: Bei Judenhass an Hochschulen nicht wegschauen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat die Besetzung des Hofes der Freien Universität (FU) durch propalästinensische Aktivisten verurteilt. Gleichzeitig stellte er sich hinter die Strategie der Hochschule, die umgehend die Polizei informiert hatte und das Protestcamp räumen lassen wollte.
«Wir dürfen auch an den Hochschulen nicht wegschauen, wenn antisemitische Parolen und Judenhass an den Universitäten verbreitet werden», sagte der CDU-Politiker nach einer Sitzung des Senats mit der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Er sei der Universität für ihr Vorgehen sehr dankbar: «Ich finde dieses konsequente Vorgehen völlig richtig.»
Er wolle in Berlin keine Situation wie zuletzt an US-amerikanischen Hochschulen erleben, so Wegner. «Wir haben eine solche Situation noch nicht. Und trotzdem haben wir ein Problem», sagte er. «Wir werden alles tun als Berliner Senat, damit jüdische Studierende keine Angst haben, die Hochschulen zu betreten.»
Das Argument der Meinungsvielfalt ließ Wegner mit Blick auf die Proteste nicht gelten. «Antisemitismus ist keine politische Meinung. Das werden wir an den Hochschulen nicht zulassen.»