Balkon, Sicht

Der Balkon aus rechtlicher Sicht

28.06.2024 - 10:22:23

Der Balkon in Mehrparteiengebäuden aus rechtlicher Sicht

Ganz ähnlich wie sein bodenebener Verwandter, die Terrasse, ist der Balkon die Erweiterung eines Wohnraumes in den Außenbereich. Daher ist er aufs Engste mit dem Nutz- und dadurch monetären Wert einer Immobilie verknüpft. Egal ob Haus oder Wohnung, Kauf oder Vermietung: Eine Immobilie mit Balkon – und sei er noch so klein – wird stets bessere Preise aufrufen als eine, die keinen solchen „Frei-Raum“ besitzt.

Allerdings ist der Balkon immer wieder Anlass für diverse Streits und Gerichtsverhandlungen mit Nachbarn, Vermietern, Eigentümergemeinschaften, sogar Kommunen. Auf den folgenden Zeilen haben wir deshalb das rechtliche Thema anhand typischer Szenarien ausgerollt. Der Fokus liegt dabei auf Mehrparteiengebäuden, also Wohnungsmietern und Eigentumswohnungsbesitzern. Allerdings können ebenso Einparteienhausbewohner viel Wissen aus den folgenden Informationen ziehen.

 

Disclaimer: Dieser Artikel dient nur als Informationsgrundlage
und kann natürlich keine fachkundige Rechtsberatung darstellen oder ersetzen.

 

1. Einen Balkon nachträglich anbauen

Ein Balkon erhöht die Wohnqualität. Und selbst wenn hierbei die Statik eine enorme Rolle spielt, ist es für einen erfahrenen Bautrupp keine große Sache, einen Balkon nachträglich an der Fassade oder im Dach anzubringen. Doch wie sieht es rechtlich aus?

Grundsätzlich müssen Wohnungseigentümer hierbei eines bedenken: Im Falle einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehört die Fassade – und somit der Balkon – zum Allgemeingut. Alle Entscheidungen (nicht nur, ob ein Balkon errichtet wird) unterliegen deshalb dem Votum der Mitgliedergemeinschaft.

Was den Balkon selbst anbelangt, so betrifft er konkret das Bau- und mitunter Nachbarschaftsrecht:

  • Die meisten Balkone erfordern eine Baugenehmigung. Wohl gibt es bundeslandspezifische Unterschiede, die meist sehr kleine Balkone betreffen, aber grundsätzlich sollte man davon ausgehen, eine Genehmigung zu benötigen.
  • Ebenso müssen Balkone meist einen gewissen Abstand zur Grundstücksgrenze der Nachbarn einhalten. Ferner kann es nötig sein, den Balkon mit einem Sichtschutz zu umgeben, falls sich durch die Konstruktion ein neuer Blick auf dessen Besitz ergibt – etwa, wenn dort, wo der Balkon montiert wird, zuvor nicht einmal ein Fenster war.

Selbst mit Rückendeckung des Hauseigentümers lautet der Rat, grundsätzlich als erstes mit einem Architekten Rücksprache zu halten.

2. Ein Balkonkraftwerk installieren

Dieser Punkt gehört zu den aktuellsten im Text, denn durch das Solarpaket I der Bundesregierung hat sich seit dem 15. Mai 2024 die Situation deutlich geändert. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um kompakte, selbst zu installierende Systeme. Wahlweise am Gitter bzw. der Brüstung des Balkons, einem darüber ragenden Dach oder einer anderen sonnengünstigen Stelle – entgegen dem Namen können Balkonkraftwerke nicht nur am Balkon montiert werden.

Gesetzlich gesehen ergibt sich durch das angesprochene Solarpaket jetzt (Stand: Mitte 2024) folgende Rechtssituation:

  • Zu einem noch zu nennenden Zeitpunkt werden Balkonkraftwerke zu privilegierten Maßnahmen erklärt werden. Mieter und Eigentümer haben ab dann einen Rechtsanspruch – aktuell jedoch noch nicht. Das heißt, Vermieter bzw. Wohnungseigentümergesellschaft können derzeit noch die Installation untersagen.
  • In der Praxis gilt bei der Montage allerdings die Einschränkung der baulichen Veränderung. Bedeutet, wenn ein solches Kraftwerk rasch und rückstandslos entfernt werden kann und nicht dauerhaft montiert ist, ist ein Verbot sehr schwierig.
  • Die Wechselrichter dürfen jetzt 800 Watt (zuvor 600) Watt leisten. Die Gesamtleistung für einen Wohnungsanschluss wurde auf 2.000 Watt limitiert.
  • Sofern noch kein Zweirichtungs-Stromzähler installiert wurde, ist ein rückwärts laufender Strom vorübergehend zugelassen.

Weiter dürfen solche Anlagen durch ihren Besitzer selbst angeschlossen werden, sofern dies an einer schon vorhandenen Steckdose geschehen kann.

 

3. Rauchen

Rauchen auf dem Balkon beschäftigte in jüngster Vergangenheit schon mehrfach die Gerichte. Durch die kürzlich erfolgte Legalisierung von Marihuana dürfte die Sachlage voraussichtlich nicht einfacher werden.

Grundsätzlich gilt derzeit:

Da noch keine weiteren Urteile gefällt wurden, dürfte sich diese Regelung 1:1 auch auf Marihuana erstrecken, sofern auf dem Balkon die mit diesem Rauchen verbundenen Abstandsregeln eingehalten werden.

4. Einen Sonnenschutz installieren

Auch auf dem Balkon kann die Sonne zu intensiv scheinen. Daher ist es für viele Mieter wie Eigentümer naheliegend, zu einem der zahlreichen Schattenspender zu greifen. Was die Rechtslage anbelangt, geht es hierbei allerdings sehr uneinheitlich zu:

  • Sonnenschirme und Markisen, die beispielsweise nur zwischen dem Boden des eigenen Balkons und dem des darüberliegenden geklemmt werden, dürfen uneingeschränkt genutzt werden.
  • Sonnensegel und Markisen, die nur durch Verschrauben mit Balkon und/oder Hauswand befestigt werden, können untersagt werden.
  • Je nach Lage können Mieter mitunter einen Rechtsanspruch auf einen Sonnenschutz haben.

 

5. Grillen

Ein weiteres Feld, das schon sehr häufig für nachbarschaftlichen Zwist sorgte und diverse Gerichte beschäftigte. Dabei ist es eigentlich einfach: Sowohl Vermieter als auch Eigentümergemeinschaften haben jedes Recht, Grillen zu verbieten. Primär solches auf Glut bzw. über der offenen Flamme, weil hierdurch die größte Belästigung anderer (und Brandgefahr) ausgeht.

Selbst dort, wo es keine derartigen Klauseln in den Verträgen gibt, greifen verschiedene Urteile, die diktieren, welche „Grillfrequenz“ noch im Rahmen der vertragsgemäßen Benutzung ist und somit zu tolerieren ist.

Übrigens gilt das – theoretisch zumindest – ebenso für den Elektrogrill, der vielfach als „Mehrparteien-tauglichere“ Alternative geraten wird. Allerdings ist dessen Störungspotenzial deutlich geringer, weshalb hier in der Tat weniger Ungemacht droht.

6. Hüllenlos sein

Der Balkon ist in baulicher und rechtlicher Hinsicht ein Element, das den Innenraum und den Außenbereich verbindet. Das ist einer der Gründe dafür, warum hier häufig Interessen kollidieren und Gerichte schon oft genug einen expliziten Unterschied zwischen der Außenseite des Balkons und dem Raum innerhalb des Geländers bzw. der Umrandung machten.

So auch in Fällen von mangelhafter bis nichtvorhandener Kleidung. Prinzipiell gehört der Balkon zur Wohnung. Daher ist es trotz Einsehbarkeit legitim, sich dort hüllenlos aufzuhalten. Ebenso ist es jedoch für Vermieter und Eigentümergemeinschaften legitim, dies zu untersagen. Das gilt selbst dann, wenn es im Vertrag kein explizites Verbot gibt.

Zufällig korreliert dieser Punkt mit einem weiteren der Balkon-Rechtsthematik:

 
7. Einen Sichtschutz anbringen

Eine gute Möglichkeit, um unter anderem besagter Hüllenlosigkeit nachgehen zu können, ohne dadurch bei anderen Eigentümern oder Mietern Anstoß zu erregen, ist ein nicht einsehbarer Balkon. Allerdings hängt es hier stark vom Grad des Sichtschutzes ab, was rechtlich gesehen „sauber“ ist:

Grundsätzlich spielt es hierbei eine große Rolle, wie sehr der Sichtschutz den Gesamteindruck des Hauses beeinträchtigt – und einmal mehr, wie dauerhaft er ist. Erfahrungsgemäß sind deshalb als Sichtschutz dienende Pflanzen und Stoff- bzw. Kunststoffplanen die harmonischste Lösung. Letztere insbesondere, wenn sie farblich nicht hervorstechen.

Aber: Die Obergrenze der Brüstung ist ebenso die Obergrenze des rechtlich Einwandfreien. Um einen höheren Sichtschutz zu installieren, ist grundsätzlich die Zustimmung der Eigentümer notwendig.

Bei den Pflanzen sind zudem noch weitere Regularien zu beachten:

8. Pflanzen züchten

Einmal mehr zeigt sich hier, wie stark das Innere des Balkons zum Wohnbereich gehört und dennoch die Außenseite ein anderer Fall ist. Grundsätzlich ist es im Rahmen der Nutzung vollkommen legitim, Pflanzen jeglicher Art auf dem Balkon zu züchten – seit der Gesetzesänderung sogar die drei pro Person gestatteten Marihuanapflanzen.

Die Betonung liegt jedoch auf „innen“. Außenhängende Blumenkästen können durchaus untersagt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich keine absturzsichere Befestigung gewährleisten lässt. Ebenso können sämtliche anderen Konstruktionen untersagt werden, die es nötig machen, etwas an der Bausubstanz zu ändern. Das betrifft beispielsweise mit der Fassade verschraubte Rankgitter.

Ebenso darf beim Gießen das Wasser keine Unbill verursachen – weder bei Nachbarn in tieferliegenden Stockwerken noch an der Bausubstanz des Balkons.

9. Flagge zeigen

Als dieser Artikel verfasst wurde, startete gerade die EM 2024. Einmal mehr ein sehr typischer Anlass, zu dem das Thema Fahnen und Flaggen am Balkon aufkommt. Hierbei haben wir es mit einem besonders interessanten Rechtsgebiet zu tun. Das ergibt sich aus der Botschaft, die Flaggen stets transportieren – und der Art und Weise, wie diese Botschaft interpretiert bzw. verstanden werden kann.

Eine allgemeingültige Leitlinie lässt sich daher nicht ableiten. Lediglich Näherungswerte sind möglich:

  1. Selbst, wenn der Inhalt noch so hehre Ziele verfolgt, die zudem von vielen Menschen mitgetragen werden, so sollte die Fahne dennoch so wenig wie möglich politisieren bzw. explizite oder implizierte politische Botschaften tragen. Das gilt umso stärker, je tendenziell negativer der Inhalt aufgefasst werden könnte. In diesem Sinne ist, nicht zuletzt durch Gerichtsentscheide nachgewiesen, eine „Peace“-Flagge deutlich weniger problematisch als eine „Jolly Roger“-Piratenflagge.
  2. Je kleiner die Flagge, desto weniger stört sie das Gesamtbild der Fassade und desto weniger ist sie dazu geeignet, Ungemach hervorzurufen. Das zeigt ebenfalls die Erfahrung.

Doch was ist mit Landesflaggen wie diejenigen zur Fußball-EM? Solange sie nur im mittelbaren Zeitraum eines derartigen Großereignisses vom Balkon hängen, dürfte es für Vermieter und Eigentümergemeinschaften sehr schwer sein, dagegen zu argumentieren. Das gilt nicht nur hierzulande für die Deutschlandfahne, sondern die Fahnen aller beteiligten Nationalmannschaften.

 

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