Das Bundeskabinett will den umstrittenen Gesetzentwurf für eine Cannabis-Legalisierung auf den Weg bringen.
16.08.2023 - 05:00:32«Kompletter Kontrollverlust» - Kritik an Cannabis-Plänen. Lauterbach spricht von einem «Wendepunkt». Doch die Kritik an dem Vorhaben ist laut.
Kurz vor der geplanten Befassung des Bundeskabinetts mit der avisierten Cannabis-Legalisierung in Deutschland ist noch einmal harsche Kritik an dem Vorhaben laut geworden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht massiven Nachbesserungsbedarf bei den Plänen. Auch mehrere CDU-Politiker bekräftigten ihre Vorbehalte.
Inkrafttreten für Jahresende geplant
Das Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) brachte den Gesetzentwurf heute auf den Weg. Später müssen Bundestag und Bundesrat darüber beraten. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums ist das Gesetz in der Länderkammer aber nicht zustimmungspflichtig. Ein Inkrafttreten ist laut Ministerium für Ende des Jahres vorgesehen.
Lauterbach bezeichnete den Gesetzentwurf als «Wendepunkt einer leider gescheiterten Cannabisdrogenpolitik». «Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem», sagte der SPD-Politiker am Mittwoch laut einer gemeinsamen Mitteilung seines Ministeriums und des Bundesagrarministeriums.
Ziel sei es, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen und die Konsumentenzahlen zu drücken. «Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Bestandteil des gesamten Gesetzesvorhabens», hieß es in der Mitteilung außerdem.
Cannabis soll den Plänen zufolge im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Ab 18 Jahren soll künftig der Besitz von 25 Gramm erlaubt sein. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In speziellen Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.
Warnungen vor mehr Arbeit für Polizei und Justiz
Der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke, sagte der Deutschen Presse-Agentur, trotz breiter Kritik habe Lauterbach nur kleine Änderungen vorgenommen. Das Beste sei, wenn die Bundesregierung den Entwurf jetzt stoppe und Lauterbach die Aufgabe erteile, massiv nachzubessern.
Es fehle eine ausreichend lange Übergangsphase, was «zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten zwischen Behörden und Bevölkerung» führen werde, bemängelte Kopelke. Der Polizei werde der Entwurf große Probleme bereiten. Polizei und Justiz würden nicht ent-, sondern vielmehr belastet. In einer früheren Stellungnahme hatte die GdP auch Befürchtungen geäußert, dass der Schwarzmarkt wachsen und die Verkehrssicherheit leiden würden.
Auch die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Herbert Reul und Armin Schuster, sowie Hessens Justizminister Roman Poseck (alle CDU) sehen den Gesetzentwurf der rot-grün-gelben Koalition kritisch. «Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein», sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Reul warnte, die Ampel-Koalition werde damit Polizei und Justiz nicht etwa weniger, sondern stärker belasten. Poseck warf der Ampel-Koalition vor, einen «faulen Kompromiss» geschlossen zu haben, «der Nachteile auf allen Seiten mit sich bringt». CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hält die Pläne für einen «schweren Fehler» und «medizinisch nicht verantwortbar».
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte unterdessen den sofortigen Stopp der Pläne. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dürfe Kritik von Ärzten, Deutschem Richterbund und der Gewerkschaft der Polizei an dem Vorhaben nicht ignorieren, sagte der CSU-Politiker in München. «Wenn Lauterbach immer noch nicht zur Vernunft kommt, muss Bundeskanzler Scholz die Notbremse ziehen und den aberwitzigen Legalisierungs-Kurs stoppen.»
Der Deutsche Richterbund hatte bereits erklärt, die vielen speziellen Regeln zu Cannabis-Clubs und zum Anbau und zur Abgabe der Droge, die mit der Legalisierung kommen sollen, müssten kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Der Berufsverband befürchtet daher mehr Arbeit für die Justiz.
Führt Neuregelung zur Entlastung der Gerichte?
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte hingegen den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine pragmatischere Drogenpolitik zu einer Entlastung der Gerichte führen wird.» Es werde beobachtet, wie sich das Gesetz in der Praxis bewähre. «Generell gilt: Wenn Menschen auf legale Weise Cannabis kaufen und konsumieren können, werden die Fälle weniger, die vor Gericht landen», so Buschmann.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, wirbt derweil für den Gesetzentwurf und sprach im Deutschlandfunk von einem «Paradigmenwechsel». Der Konsum von Cannabis werde nicht verharmlost, es gebe aber mehr Gesundheits- und Jugendschutz sowie Prävention. Eine reine Verbotspolitik habe zu mehr Konsum geführt.
Blienert forderte zugleich mehr Mittel für die Prävention, etwa für die Drogenberatung an Schulen. Auch hält der Beauftragte einen Grenzwert für Autofahrer für sinnvoll, sieht hier aber noch Klärungsbedarf. Cannabis baue sich im Körper anders ab als Alkohol, es könne Tage später noch nachgewiesen werden.
Regeln für Autofahrer?
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) strebt für Autofahrer Grenzwerte an. «Wir prüfen, wie die Grundlage für einen Grenzwert für Cannabis im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 24a Straßenverkehrsgesetz auf wissenschaftlicher Basis ermittelt und geschaffen werden kann», sagte eine Ministeriumssprecherin der «Bild» (Mittwoch). Der Paragraf legt die Promille-Grenze beim Alkohol fest, ab der Autofahrer ordnungswidrig handeln.
Hoffnung auf mehr Kinder- und Jugendschutz
Die rechtspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Carmen Wegge, sprach sich für eine Legalisierung der Droge aus. «Der Vorteil der Cannabis-Legalisierung ist, dass wir zum einen den Kinder- und Jugendschutz stärken werden, dass wir den Gesundheitsschutz in den Vordergrund stellen und den Schwarzmarkt bekämpfen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
«Wir stellen fest, dass das Cannabis-Verbot dazu geführt hat, dass eigentlich gar keine Aufklärungsarbeit an Schulen stattfindet.» Jugendliche unter 18 Jahren, die mit Cannabis aufgegriffen werden, sollen nach den Gesetzesplänen zu Präventionskursen verpflichtet werden können.