Robert, Habeck

Bevor Robert Habeck Politiker wurde, war er Buchautor.

16.01.2025 - 00:02:35

Mit Robert Habeck «den Bach rauf». Und das ist er auch als Vizekanzler geblieben. In seinem neuen Buch geht es um Populismus - und was dagegen helfen soll.

Robert Habeck lässt sich beim Denken zuschauen. «Den Bach rauf. Eine Kursbestimmung», heißt sein neues Buch, das der Grünen-Kanzlerkandidat keine sechs Wochen vor der Bundestagswahl veröffentlicht. Wer Habeck öfter zuhört, wird auf keiner der 144 Seiten überrascht werden: Die Leserinnen und Leser bekommen den Vizekanzler kompakt.

Wen das Buch interessieren könnte

Wer genau wissen will, wie die Grünen Familien entlasten, die Rente reformieren oder die ärztliche Versorgung sicherstellen wollen, schaut besser ins Wahlprogramm. Zwar wird Habeck bei seinem Kerngebiet, der Wirtschaftspolitik, konkreter, fächert Ideen auf zur Steigerung von Investitionen oder zum klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Doch vor allem geht es hier um die großen Linien. Um die Demokratie, ihre Feinde, deren Mechanismen und mögliche Antworten. Und um Robert Habeck. In seinen Worten: «Für das Land beginnt eine neue Phase, für mich auch.»

Politik ist persönlich

Egal, wie markerschütternd die politischen Ereignisse sind, meist geht es darum, wie Habeck sie erlebt hat. «Als ich mich am 23. Februar 2022 spätabends hinlegte, ging ich im Bewusstsein schlafen, dass Putins Truppen in den frühen Morgenstunden in die Ukraine einmarschieren würden. (...) Nachts wachte ich immer wieder auf, blickte aufs Handy, tauschte mit dem Bundeskanzler Nachrichten aus und sah dann in den frühen Morgenstunden das, was die Welt erschütterte: die Nachricht vom Angriff Putins.» 

Möglicherweise liegt die Freude an der Ich-Erzählung an Habecks Politikverständnis. Nahbarkeit und Vertrauen seien entscheidend in der repräsentativen Demokratie, nicht ausgefeilte Parteiprogramme. «Die Dinge sind so komplex, die Standpunkte so vielfältig, dass sich Wählerinnen und Wähler weniger an Konzepten, Werten, Ideen orientieren, sondern an: Menschen.»

Debatten und «Diskussions-Unkultur»

Politische und gesellschaftliche Debatten und wie sie geführt werden sind ein Lieblingsthema Habecks und der Grünen allgemein. Der Populismus wolle die gesellschaftliche Debatte durch Polarisierung und Übersteigerung zerstören, schreibt Habeck. Jedes Problem werde zur Krise erklärt, jede mögliche Lösung diskreditiert. «Die Populisten säen Ängste, um sich von ihnen zu nähren», schreibt er. «Aus der zunehmenden Unmöglichkeit eines vernünftigen Gesprächs erwächst dann der Vorwurf, dass eine demokratische Gesellschaft nicht in der Lage sei, Probleme zu lösen. Und daraus wird wiederum abgeleitet, dass man einen autoritären Führer brauche.»

Habeck ist stark in der Analyse, bei der Problembehandlung etwas weniger. Nötig sei Verständnis für die Sichtweise der anderen Seite und die Bereitschaft zum Zuhören, schreibt er. In der politischen Praxis führt das Hadern mit der Debattenkultur manchmal dazu, dass die Grünen sich verweigern - dann finden Diskussionen ohne sie statt. 

Diagnose Aufschieberitis

Die Ruhe während der sechzehnjährigen Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) trüge, schreibt Habeck. Nötige Entscheidungen seien vertagt worden. «Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde verschleppt, der der Stromnetze genauso, Wasserstoffnetze wurden weder geplant noch gebaut, unverdrossen wurden weiter Gas- und teilweise Ölheizungen eingebaut, fossile Verbrennerautos als ewige Zukunft gesehen. Die Bahn ist statt sprichwörtlich pünktlich notorisch verspätet, Unterricht fällt aus, Kitaplätze sind rar.» Die Liste geht weiter. 

Die spektakuläre Unbeliebtheit der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP erklärt sich der scheidende Vizekanzler auch mit diesen Altlasten. «Wir haben angefangen, den über Jahre aufgebauten Berg an Problemen abzutragen. Dafür haben wir einen Preis bezahlt, einen politischen und einen persönlichen. Die Zustimmungswerte der Regierungsparteien sind stark gesunken; und ich habe Personenschützer um mich herum, selbst wenn ich jogge oder ins Kino gehe.»

These: Menschen wollen Optimismus

Habecks gesamter Wahlkampf beruht auf einer Annahme: «Dass mehr Menschen den Optimismus wollen, als im Pessimismus zu versinken.» Der selbst erklärte Bündniskanzler hofft darauf, dass es bei vielen Menschen in Deutschland eine Sehnsucht gibt nach Höflichkeit in der politischen Debatte, nach dem ehrlichen Versuch, große Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern anzugehen. «Diese Kräfte freizusetzen, darum geht es.» 

Gedacht ist das als Gegenstrategie zum Populismus. «Es gibt eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland den Bach runtergeht, wenn auch die Politiker der demokratischen Mitte auf die Mittel des Populismus setzen, wenn sich der Pessimismus in der Gesellschaft durchsetzt. Denn das Negative und das Schlechtreden werden immer schnell überboten von der nächsten Katastrophe, der noch fieseren Beleidigung, der noch gemeineren Anfeindung.» Deshalb der Titel «Den Bach rauf».

@ dpa.de

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