Hubert Aiwanger, Freie Wähler

25 Fragen hat Ministerpräsident Söder seinem Vize Aiwanger nach den Vorwürfen um ein antisemitisches Flugblatt gestellt.

02.09.2023 - 14:04:08

Aiwanger sieht in Flugblatt-Affäre keinen Entlassungsgrund. Der hat sie inzwischen beantwortet. Nun muss Söder entscheiden.

Eine Woche nach Beginn der Affäre um Bayerns Vizeregierungschef Hubert Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schulzeit ist nun wieder Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Zug.

Der Freie-Wähler-Vorsitzende hat Söders Fragenkatalog zu den Vorgängen schriftlich beantwortet und sieht danach «überhaupt keinen Grund für einen Rücktritt oder eine Entlassung», wie er der «Bild am Sonntag» sagte. Der 52-Jährige forderte ein Ende der «Hexenjagd».

Aus CSU-Kreisen hieß es, Aiwangers Antworten würden nun «in Ruhe» ausgewertet. Söder hatte auf eine schnellle Beantwortung der 25 Fragen gedrängt und gesagt, es dürften keine Restzweifel bleiben. Er muss nun entscheiden, ob er Aiwanger entlässt oder wie weiter verfahren werden soll. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.

Nach dpa-Informationen waren Aiwangers Antworten am Freitagabend übermittelt worden. Die Staatskanzlei bestätigte den Eingang. Bei einem öffentlichen Auftritt am Samstag im hessischen Landtagswahlkampf äußerte sich Aiwanger nicht weiter.

Aiwanger möchte Fortsetzung der Koalition

Der «Bild am Sonntag» sagte er zudem, dass er die Koalition mit der CSU weiterführen möchte: «Ich wünsche mir, dass es nach den Wahlen eine Fortsetzung der Koalition von uns mit der CSU geben kann, natürlich hängt das aber vom Wahlergebnis ab.» Seine Wähler seien empört über die «Kampagne».

Bei der Veranstaltung in Hessen erhielt Aiwanger Zuspruch vom dortigen Freie-Wähler-Chef Engin Eroglu. In dem Nachbarbundesland wird am 8. Oktober ebenfalls gewählt. Auch wenn die seit einer Woche kursierenden Vorwürfe gegen den Bundesparteichef und bayerischen Regierungsvize «alle schlimm» seien, gebe es «nicht einen Beweis» dafür, sagte Eroglu. Aiwanger habe «glaubwürdig versichert», dass er das Flugblatt nicht geschrieben habe, und sei «nicht Auslöser dieser Kampagne».

Zum Inhalt der Antworten war zunächst noch nichts bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an den Chef der Freien Wähler geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden. Das müsse sich jetzt schnell ändern, fordert die oppositionelle FDP im Landtag.

FDP fordert Transparenz

Es dürfe kein exklusiver Briefwechsel zwischen CSU und Freien Wählern sein, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hagen. «Transparenz ist hier ganz wichtig, damit das Vertrauen in die Staatsregierung keinen nachhaltigen Schaden nimmt. Deshalb erwarte ich, dass Ministerpräsident Söder die Fragen und Antworten zeitnah öffentlich zugänglich macht.»

Aiwanger hatte bereits vergangenen Samstag zurückgewiesen, das antisemitische Flugblatt geschrieben zu haben, über das die «Süddeutsche Zeitung» berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er ein, es seien «ein oder wenige Exemplare» in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf sagte sein älterer Bruder, der Verfasser zu sein. Gegen Aiwanger selber wurden im Laufe der Woche weitere Vorwürfe laut. Am Donnerstagnachmittag entschuldigte er sich.

Das sagt der Zentralrat der Juden

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, kritisierte Aiwanger am Freitagabend im ZDF-«Heute Journal» für dessen Umgang mit der Affäre. Bezogen auf Aiwangers öffentliche Entschuldigung sagte Schuster, er finde es problematisch, «dass direkt in einem Atemzug mit dieser Entschuldigung wieder das Thema kommt, dass er das Ganze als eine Kampagne gegen sich sieht».

Schuster kritisierte auch Aiwangers Aussage in der «Welt», dass die Schoah, also der Völkermord an den europäischen Juden während der Nazi-Zeit, zu parteipolitischen Zwecken missbraucht werde. «Was ich aus diesem Satz höre, ist das, was man aus einer Opfer-Täter-Umkehr versteht. Dass jetzt also versucht wird, die Opfer zu Tätern zu machen», erklärte der Zentralratschef.

Das Problem sei nicht das Flugblatt, das im Raum stehe, auch wenn Aiwanger offensichtlich in einem seltsamen Umfeld aufgewachsen sei. «Aber es geht doch vielmehr darum, dass ich erwartet hätte, dass er sich sofort umfassend davon distanziert. Und es hat schon recht lange gedauert, bis er sich gestern Abend zu dieser Entschuldigung durchgerungen hat.»

Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte sich dagegen hinter Aiwanger. «Warum sollen junge Neonazis aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen, wenn sie am Beispiel Hubert Aiwanger erleben, dass man auch 35 Jahre später noch für den Wahnsinn der eigenen Jugend öffentlich gebrandmarkt wird?», schrieb Gabriel auf der Online-Plattform X, bislang als Twitter bekannt. Dann könnte man sich «die ganzen Aussteigerprogramme sparen.»

@ dpa.de