Warum Autoaktien so in Verruf geraten sind
08.09.2017 - 14:08:46Der DAX ächzt wegen der Skandale der Automobilindustrie und lässt ratlose Anleger und Fondsmanager zurück. Wem kann man denn noch trauen, wenn nicht diesen großen Namen der deutschen Industrie? Doch es gibt auch einen Silberstreif am Horizont.
Gesamtlage an der Börse: unübersichtlich
Es liegt sicher nicht nur an den großen Automobilkonzernen, dass die Gesamtlage an den wichtigen Börsen weltweit momentan etwas verworren ist. Grund ist vor allem die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten Donald Trump, dessen Äußerungen sprunghaft und dessen wirtschaftspolitische Entscheidungen gleichzeitig unvorhersehbar und von großer Tragweite sind oder sein können. Doch auch die Muskelspiele Nordkoreas wirken sich auf dem Parkett aus. Entsprechend vorsichtig reagieren Anleger und Fondsgesellschaften also an den Märkten. „Die Lage ist derzeit unübersichtlich.“ stimmen auch die Branchenexperten von aktien.net zu. Kein Wunder also, dass in diesem pessimistischen Klima eine Krise wie die der Autohersteller gleich doppelt so schwer wiegt.
Skandale erschüttern das Vertrauen
Als die sogenannte Abgasaffäre 2015 ans Licht kam, musste Volkswagen im September jenes Jahres einen Wertabschlag von satten 15 Milliarden Euro hinnehmen. Jetzt, kaum zwei Jahre später, ist es der Vorwurf der Kartellabsprachen, die sowohl VW als auch Daimler und BMW in die Bredouille bringen. Sollte tatsächlich nachgewiesen werden, dass die drei großen Konzerne sich bereits seit den 1990ern bei Fragen rund um Technik und Zulieferern sowie Strategien und Märkte abgesprochen haben, drohen massive rechtliche und finanzielle Konsequenzen. Hinzu kommt, dass auch in der erwähnten Abgasaffäre jetzt viel mehr Hersteller beschuldigt werden als noch vor zwei Jahren. Für den Anleger bedeuten diese Entwicklungen mehr als nur Warnzeichen. Sie erschüttern massiv das Vertrauen in Unternehmen, die seit den Anfängen der Bundesrepublik zu den verlässlichen Stützen der Wirtschaft gehört haben.
Viele Anleger wenden sich ab
Obwohl noch keine einzige Klage im Zusammenhang mit dem Kartellvorwurf erhoben wurde, reagierte die Börse prompt und alle drei großen Automobilhersteller im DAX ließen im Juli ordentlich Federn. Daimler, Volkswagen und BMW verloren mehrere Prozentpunkte und rissen als stark gewichtete Aktien den DAX gleich mit in ein Tief. Es ist kaum zu erwarten, dass die Anleger in diesem unsteten politischen Klima so schnell wieder auf den Zug der Traditionsmarken aufspringen. Im Gegenteil, sorgt doch die Diskussion um das Dieselverbot und die Förderung alternativer Antriebssysteme für die nächste Unsicherheit im Automobilsektor. An einen Kaufrausch glaubt jedenfalls trotz der derzeitig günstigen Preise wohl kaum jemand.
Droht der Niedergang der Traditionskonzerne?
Die gesamte Automobilbranche scheint derzeit in einem – wenngleich auch etwas schwerfälligen – Umbruch zu sein. Hauptgrund dafür sind aber nicht etwa Abgasskandal und Kartellvorwurf, sondern der direkte Einfluss nationaler und europäischer Klimaschutzpolitik auf die Autoindustrie. Der Trend zum Elektroauto und die Bereitschaft der Konzerne, diesem Trend und den damit verbundenen gesetzgeberischen Auflagen Folge zu leisten, dürfte eine kolossale Umwälzung auf dem Automobilmarkt, aber eben auch dem Arbeitsmarkt zur Folge haben. Das E-Auto ist deutlich simpler in der Fertigung, ein Stellenabbau wohl kaum zu vermeiden. Zwar wird der Branche in den nächsten Jahren noch genug Wachstum prognostiziert, doch sollte es in Europa (und anderswo) in 20 Jahren nur noch Elektroautos geben, wird es sich in vielen Bereichen massiv auswirken. Doch ist diese Wende gleichbedeutend mit dem Niedergang der Traditionskonzerne? Sicher nicht. VW möchte schon 2025 zum Weltmarktführer für E-Autos werden und damit die Skandale der jüngeren Vergangenheit vergessen machen. BMW und Daimler dürften nachziehen (müssen).
Soll ich jetzt noch Autoaktien kaufen?
Für kurzfristige Gewinne waren die Aktien der Autoriesen nie geeignet. Am ehesten noch lockten die üppigen Dividenden, die von den großen Drei ungeachtet aller Krisen ausgeschüttet worden. Vor allem aber standen VW und Co. für Stabilität und Verlässlichkeit, ein sicherer Posten in jedem Portfolio. Das dürfte sich nun ändern – doch nicht unbedingt zum Schlechten. Auf dem neu entstehenden E-Markt ist großes Potential erkennbar, wenngleich das Risiko hoch ist, dass die technologische Entwicklung mit der politischen Willensbekundung und Gesetzgebung nicht Schritt hält.